Wirtschaftskrise in Deutschland Ökonom warnt vor Arbeitslosenflut

Sechs Millionen Arbeitslose - so viele gab es in Deutschland zuletzt in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Doch schon bald könnte diese Horrorzahl wieder Realität werden, befürchtet der Chefvolkswirt der Großbank Goldman Sachs. Er fordert deshalb - ebenso wie acht Top-Manager - von der Bundesregierung ein stärkeres Gegensteuern.

Angesichts düsterer Konjunkturprognosen hat der Chefvolkswirt von Goldman Sachs vor einer Massenarbeitslosigkeit in Deutschland gewarnt. "Sollte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wirklich um vier Prozent zurückgehen, wäre es durchaus möglich, dass es in Deutschland wieder sechs Millionen Arbeitslose gibt", sagte Dirk Schumacher der "Berliner Zeitung". So viele Arbeitslose hatte es in Deutschland zuletzt in der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre gegeben. Im jetzigen Umfeld könne man gar nichts mehr ausschließen, fügte der Ökonom der Deutschland-Tochter der US-Großbank hinzu.

Pläydoyer für Konsumchecks

Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter hatte zuvor die Wahrscheinlichkeit eines rückläufigen BIP um vier Prozent im kommenden Jahr auf ein Drittel geschätzt. Die derzeitige Lage sei viel schwieriger als in der letzten Konjunkturkrise der Jahre 2002 und 2003, sagte Schumacher. "Es kann durchaus sein, dass wir die schärfste Rezession seit 1945 bekommen." Angesichts der Dramatik der Lage müsse die Regierung stärker gegensteuern: "Die Bundesregierung sollte die fiskalpolitischen Möglichkeiten, die sie hat, viel stärker und schneller nutzen."

Konkret fordert der Experte eine deutliche Senkung der Einkommensteuer, ein staatliches Investitionsprogramm in Bildung und Infrastruktur sowie die Ausgabe von Konsumschecks an die Bevölkerung: "Konsumschecks sind die schnellste Methode, um einen Impuls beim Verbraucher zu setzen", sagte Schumacher.

Die Bundesbank erwartet preis- und kalenderbereinigt für 2009 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 Prozent. Dies wäre das schlechteste Ergebnis seit dem Rezessionsjahr 1993. Davor war die Wirtschaft nur einmal in der Geschichte der Bundesrepublik noch stärker geschrumpft, und zwar nach der Ölkrise im Jahr 1975 mit einem Minus von 0,9 Prozent.

VW-Chef warnt vor "verheerendem Flächenbrand"

Auch die Top-Manager von acht großen deutschen Konzernen forderten die Bundesregierung zu stärkerem Eingreifen gegen die Wirtschaftkrise auf. In Stellungnahmen für den "Spiegel" forderten sie Steuersenkungen, mehr Investitionen in die Infrastruktur und stärkere Forschungsförderung. "Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass die Krise zum verheerenden Flächenbrand eskaliert", warnte VW-Chef Martin Winterkorn. Man erlebe "eine absolute Ausnahmesituation", in der man mit den herkömmlichen politischen und wirtschaftlichen Instrumenten nicht weiter komme.

Adidas-Chef Herbert Hainer schlug vor, die Mehrwertsteuer zeitlich befristete von 19 auf 16 Prozent zu senken. BASF-Chef Jürgen Hambrecht plädierte für eine Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen durch Steuersenkungen. Zudem sollten Investitionen in die Infrastruktur beschleunigt und ausgeweitet werden. "Schnelligkeit ist dabei der entscheidende Faktor", erklärte Hambrecht.

Auch der stellvertretende Porsche-Chef Holger Härter forderte eine deutlich stärkere Reaktion auf die einbrechende Nachfrage. Geld müsse der Staat ohnehin ausgeben. "Wenn er es jetzt nicht für ein Konjunkturprogramm investiert, dann muss er später umso mehr Geld ausgeben, um die sozialen Folgen der Krise abzumildern", sagte Härter. Franz Fehrenbach, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Bosch, plädiert für eine gezielte Absatzförderung der Autoindustrie. Und Bayer-Chef Werner Wenning plädierte für eine stärkere steuerliche Förderung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.

AP · Reuters
joe/Reuters/AP