Als ich neulich bei meinem Fahrradhändler an der Kasse stand, um mein gerade erworbenes "City-Bike" zu bezahlen, drückte er mir mit der Rechnung noch eine Broschüre in die Hand: "Schutzpaket für Fahrräder" stand da, herausgegeben von der "Wertgarantie Technische Versicherung AG" in Hannover. "So sichern Sie Ihr Fahrrad optimal." Aber der Reihe nach: Mein Verkäufer legte mir in geübten Worten den "Komplettschutz" meines neuen Zweirades ans Herz, ein Rundum-sorglos-Paket gegen Diebstahl, Unfallschäden und sogar Verschleiß. Selbst abgefahrene Reifen, erklärte er beflissen, würden anstandslos ersetzt. Ich falte den Prospekt auf. Für mein Rad, Neupreis inklusive soliden Stahlbügelschlosses etwa 650 Euro, beträgt der Beitrag 12 Euro im Monat. Macht 144 Euro im Jahr. Aber Achtung: Ein kleines Sternchen verweist auf das Kleingedruckte.
Da lese ich: "Im zweiten Jahr passt sich der Monatsbeitrag um drei Euro an." Nach oben, ist hier wohl gemeint. Macht also in Jahr zwei schon einen Beitrag von 180 Euro. Doch es geht munter weiter im Text: "Werden Schäden reguliert, erhöht sich der Monatsbeitrag jeweils ab Beginn des folgenden Vertragsjahres um drei Euro." Würde mir also beispielsweise das Vorderrad geklaut, kostete die Versicherung im dritten Jahr bereits 216 Euro Beitrag. Beim sogenannten Teile-Diebstahl zahlt die Wertgarantie AG sogar erst ab 50 Euro. Bei einer Acht im Hinterrad kämen im vierten Jahr dann sogar schon 252 Euro zusammen. Und so weiter.
Mir wurde schlagartig unwohl. Sah ich wirklich aus wie ein Halunke? Wie jemand, der bereit wäre, skrupellos eine Versicherung zu betrügen? Oder noch schlimmer: Sah ich wirklich so blöd aus? So wie jemand, der nicht rechnen kann? Bereits nach drei Jahren hätte mich die Absicherung meines Rades insgesamt 540 Euro gekostet - fast so viel wie einst der Kauf. Das hätte sich nur gelohnt, wenn ich viele hohe Schäden produziert hätte. Anders gesagt: Wer nicht dafür sorgt, dass sein Fahrrad alle drei Jahre geklaut wird, zahlt drauf.
Solche Verlustraten gibt es noch nicht mal in den allerfinstersten Gegenden. "Die Versicherung zahlt immer", wirbt der Fahrradverkäufer, als ich zögere. "Hauptsache, das Rad war abgeschlossen. Das müssen Sie immer angeben." Dann kneift er schon wieder verschwörerisch ein Auge zu. Ich ahne: Dieser Tarif animiert geradezu zum Betrug.
Das weiß offenbar auch die Versicherung, denn sonst würde sie nicht solch hohe Beiträge verlangen. Oder sie macht enorme Gewinne und geht davon aus, dass es genug dumme Kunden gibt, die auf ihr Angebot reinfallen. Aber ich will nicht kriminell werden. Und selbst bei der reinen Diebstahl-Versicherung, die die Wertgarantie AG für mein Rad zum Preis von 96 Euro im Jahr anbietet, würde sich das Ganze nur rentieren, wenn mir jedes siebte Jahr ein Fahrrad geklaut würde. Doch obwohl ich mein ganzes Leben in der Großstadt gewohnt habe und meine Räder stets draußen parken, bringe ich es mit 37 Lebensjahren erst auf zwei Totalverluste. Mit dem Produkt der Wertgarantie AG wäre ich also in jedem Fall überversichert. Und bei Fahrradversicherungen anderer Anbieter wäre das ähnlich.
Mir bleiben die Angebote der Hausratversicherungen: Die bieten Fahrradschutz für Beträge zwischen 10 und 40 Euro an. In seltenen Fällen ist er sogar kostenlos enthalten. Der Haken: Die Deckungssummen sind meist gering, und die Konzerne zahlen nur, wenn das Rad zwischen 6 und 22 Uhr geklaut wurde. Auch das ist eine Einladung zum Schummeln. Da trage ich die 650 Euro Verlustrisiko lieber selbst. Sollte mein Rad gestohlen werden, weiß ich zumindest jetzt, was ich bis dahin gespart habe. Ach ja: Und im Baumarkt habe ich mir für fünf Euro wieder eine Dose mit schwarzem Lackspray gekauft. Die schwarzen Punkte auf Rahmen, Lenker, Schutzblechen und Felgen sehen lustig aus, verdecken die Markennamen und schrecken offenbar sogar die Diebe ab. Mein altes Rad trug sie jedenfalls auch schon - und rostete in Würde bis an sein Ende.