Serie "Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage" Annette Frier: "Man muss sich der Scham und auch dem Älterwerden zuwenden"

  • von Eric Leimann
Ein bisschen sind die Wechseljahre wie die Pubertät, sagt Annette Frier. Da macht man schon mal verrückte Sachen – und stellt vor allem alles infrage. Ihre Serie zum Thema, "Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage", startet nun bei Joyn und ist später bei SAT.1 zu sehen.
Ein bisschen sind die Wechseljahre wie die Pubertät, sagt Annette Frier. Da macht man schon mal verrückte Sachen – und stellt vor allem alles infrage. Ihre Serie zum Thema, "Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage", startet nun bei Joyn und ist später bei SAT.1 zu sehen.
© Joyn/Willi Weber
Seit Montag, 10. November, läuft bei Joyn – und ab 24. November bei SAT.1 – die erstaunliche Serie "Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage". Annette Frier spielt darin Annette Frier, eine Frau in den Wechseljahren. Im Interview spricht die 51-Jährige über eine schmerzhafte und befreiende Lebensphase.

Es ist gar nicht so leicht auseinanderzuhalten, was in der achtteiligen Serie "Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage" (seit 10. November, Joyn, und ab Montag, 24. November, 22.55 Uhr, SAT.1) ausgedacht ist und was einfach abgebildete Realität ist. Annette Frier ist in der Serie die Schauspielerin Annette Frier, die mit dem Älterwerden zu tun hat. Und sie will eine Serie über sich selbst in dieser Lebensphase verkaufen und drehen lassen. Sozusagen jene Serie, die wir jetzt sehen. Ein Gespräch über den richtigen Umgang mit dem Älterwerden und die Gründe, warum Frauen in unserer Gesellschaft mit vielen Themen und "aus Gründen" hinterherhinken.

teleschau: In "Frier und 50" spielen Sie Annette Frier, die sich in ihrer neuen Serie vom Image der gut gelaunten Powerfrau befreien will. Was ist Wahrheit, was Fiktion?

Annette Frier: Wie sich beides vermischt, die Figur und mein wahres Ich, ist gar nicht so leicht zu beantworten. Selbst für mich nicht! Ich hatte eine Inspiration, die israelische Serie "Fifty" – das ist aber eher eine Dramaserie. Die habe ich mal auf ARTE gesehen, da war ich Mitte 40. Damals konnte ich natürlich nicht ahnen, dass mir das alles auch noch blüht (lacht). Wir waren dann kurzzeitig an den internationalen Rechten dran. Und irgendwann wurde immer deutlicher: Wir erzählen das Ganze als Komödie und machen komplett unser eigenes Ding.

teleschau: Und dass Sie sich selbst spielen ...?

Annette Frier: War am Anfang keineswegs klar. Es ist durch gemeinsames Nachdenken im Team entstanden. Wenn es die Figur, die man erfinden will, quasi schon gibt, und wenn die dann auch noch eine kleine Schwester hat, die ebenfalls Schauspielerin ist und sich selbst verkörpern könnte, hat das schon einen gewissen Drive. Die dazugehörige Fallhöhe war ebenfalls dran: 50 ist keine unaufwendige Lebensphase. Da gibt es eine Menge zu verarbeiten. Außerdem ist es so ein bisschen mein Spezialgebiet, Komik und Tragik miteinander zu verheiraten. Ein Genre, das mich als Schauspielerin und Mensch sehr interessiert. Es kam also viel zusammen. Und irgendwann war klar : Wir machen das jetzt einfach!

"Es ist ein krasser Umbau des Körpers, der die Psyche deutlich beeinflusst"

teleschau: In der Serie haben viele bekannte Frauen um die 50 Gastauftritte: Barbara Schöneberger, Martina Hill oder Bettina Lamprecht. War es schwer, sie vom Mitmachen zu überzeugen?

Annette Frier: Nein, glücklicherweise nicht. Es gibt noch etwa neun Millionen andere tolle Frauen in Deutschland, die man der Altersgruppe oder Lebensphase rund um die Menopause zurechnen kann. Eine Gruppe, die bisher kaum sichtbar war in Serien und Filmen. Und wenn, dann oft in Form einer eher stereotypen Nebenrolle als Mutter des Protagonisten oder der Protagonistin. Dabei gibt es gerade jetzt eine Menge zu erzählen. Und – wie oben angedeutet – ein großes Zielpublikum.

teleschau: Wenn man sich selbst spielt und von schambesetzten Themen erzählt, wie viel Überwindung kostet das?

Annette Frier: Du weißt in der Theorie vorher, dass Scham ein Thema sein wird. Wasch dich, aber mach dich nicht nass geht, geht hier ja nicht. Das Gute ist: Man merkt erst beim Drehen, wie ungemütlich sich bestimmte Momente tatsächlich anfühlen. Das Gute ist: Der größte Teil der Scham ist immer die Idee, nur man selbst hätte dieses Problem. Mir hilft es viel, wenn ich mir klarmache: Die anderen neun Millionen denken und fühlen sehr ähnlich – was in der Tat auch so ist.

teleschau: Was macht die Lebensphase der Menopause aus?

Annette Frier: Die Hormone verabschieden sich sehr abrupt vom Job, den sie die letzten 35 Jahre gemacht haben. Es ist ein krasser Umbau des Körpers, der die Psyche deutlich beeinflusst. Bei mir war es so, dass ich mich plötzlich wieder wie damals in der Pubertät fühlte. Ich stellte alles infrage. Nichts stand mehr so fest, wie es lange Jahre zuvor meine Überzeugung war. Alle Themen kamen noch mal auf den Tisch. Ich habe überlegt, ob ich weiter Schauspielerin sein möchte, meine Beziehung hinterfragt, das ganze Lebensmodell. Sämtliche Muster und Themen stehen zur Disposition – ohne Tabus. Das ist sehr ehrlich, fühlt sich zunächst aber überhaupt nicht gut, sondern sehr bedrohlich an.

"Nun entsteht Sichtbarkeit für Frauen um die 50"

teleschau: Über die Midlife-Crisis von Männern wird gefühlt schon immer berichtet. Warum hat man um Frauen dieses Alters lange einen Bogen gemacht?

Annette Frier: Wir kommen ja frisch aus dem Patriarchat. Vor wenigen Jahren erst haben wir begonnen, wirklich an den Strukturen zu rütteln. Deshalb hinkt die Sichtbarkeit von Frauen in der fiktionalen Erzählwelt insgesamt hinterher. Lange wurden ewig dieselben Geschichten "Boy meets Girl" oder "Mutter sein" erzählt. Nun entsteht Sichtbarkeit für Frauen um die 50, wo die Kinder so langsam groß sind. Es gibt bereits Ratgeber und Podcasts, aber kaum Fiktion, die das Thema lustig angeht und aus der Schamecke zieht.

teleschau: Sie meinen, vor 20 Jahren hätte es diese Serie nicht gegeben?

Annette Frier: Doris Dörrie hat mit der Serie "Klimawechsel" einen tollen Vorstoß kreiert, der auch deutlich gemacht hat, wie unterrepräsentiert diese Lebensphase im kreativen Prozess ist. Wenn meine Mutter vor 25 oder 30 Jahren Komikerin oder Autorin gewesen wäre: In keiner, auch nicht der bestmöglichen Konstellation an Prominenz oder anderer Voraussetzungen hätte sie so was ins Programm bringen können.

teleschau: War es die eigene Scham, weshalb man früher kaum über Wechseljahre gesprochen hat? Oder wollte das Thema keiner hören?

Annette Frier: Wir leben – wie gesagt – in einer männlich geprägten Gesellschaft. Das betrifft Studien, Interessengebiete, Forschung. Was Frauen interessiert, hat man lange nicht so ernst genommen. Ich bin selbst erstaunt über diese Erkenntnis, denn gefühlt bin ich gleichberechtigt in den 70er-Jahren zur Welt gekommen. Alice Schwarzer und Co. sei Dank. Erst langsam habe ich erkannt, wie blind ich in Hinsicht auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter durch die Welt gelaufen bin. Ich meine das gar nicht so beleidigt oder kämpferisch, wie es klingen mag. Es ist einfach ein Fakt, den man anhand vieler Daten und Zahlen belegen kann.

"Ich schäme mich für vieles, genauso wie alle Menschen"

teleschau: Welche Themen sind wirklich schambehaftet bei Ihnen?

Annette Frier: Ich schäme mich für vieles, genauso wie alle Menschen. Scham ist ein sehr menschliches Gefühl, über das man ungerne spricht. Grundsätzlich schäme ich mich oft, wenn das Bild, das ich abgebe, nicht mit meinem wirklichen Gefühl übereinstimmt. Ich meine diesen einen Moment: Mein Gott, das bin ich doch überhaupt nicht! Eine Aufgabe der Serie war, genau diese Momente zu umarmen. Im Gegensatz zum wirklichen Leben, wo diese Gefühle gerne schnell beiseite geschoben werden.

teleschau: Und das tut gut – sich zu stellen?

Annette Frier: Ja, sehr sogar. Je älter ich werde, desto klarer erkenne ich: Alles, was ich nicht sehen will, kommt ohnehin zurück. Alle Aspekte meines Lebens, die ich verschiebe – nach dem Motto: Da kümmere ich mich später drum, wenn ich groß bin -, sie kommen wieder. Alles Unbearbeitete! Wenn ich dem Älterwerden etwas abgewinnen will, dann ist es die Chance, sich diese Dinge anzugucken anstatt weiter zu verdrängen. Alle Themen, zu denen man in der Jugend sagt: "Boah, da will ich mich jetzt echt nicht mir beschäftigen". Wir müssen uns sowohl der Scham als auch dem Älterwerden zuwenden. Vielleicht ist das schon die ganze Verabredung.

teleschau: In der Serie spielen sich viele Prominente selbst. War es schwer, sie davon zu überzeugen? Viele geben in ihrer Rolle nicht das beste Bild ab ...

Annette Frier: Wir haben die Besetzung in großen Teilen aus meinem Telefonbuch rekrutiert, "Call my Agent" also eher übersprungen. Was dazu geführt hat, dass sehr viele Leute mitspielen, die ich schon ewig kenne. Bis auf meinen Ehemann Alexander Khuon und meine Tochter Maria Matschke übrigens, die hab ich beide beim Casting kennengelernt. Danke für die tolle Arbeit an dieser Stelle an Marc Schötteldreier, unseren Caster!

"Viele wissen nicht, was für ein selbstironischer Typ Henning ist"

teleschau: Überwiegt die Angst oder die Lust, wenn man sich selbst spielen soll?

Annette Frier: Beides ist gleichzeitig stark fühlbar. Ich kenne es ja aus "Pastewka". Da wurde das in deutschen Formaten, glaube ich, das erste Mal gemacht, dass sich Prominente – auch in größeren, persönlichen und nicht immer schmeichelhaften Szenen – selbst spielten, interessant wird es, wenn man wirklich Bock hat, etwas Hässliches von sich zu zeigen – und dies auch noch zu verdichten. Dann kann es gleichermaßen lustig und ehrlich werden.

teleschau: In der Serie verliebt sich Henning Baum in Sie und entwickelt geradezu eine Frier-Besessenheit. Wie gut kannten Sie sich?

Annette Frier: So richtig gut kennen wir uns seit anderthalb Jahren, da haben wir einen Film zusammen gedreht. Viele wissen nicht, was für ein selbstironischer Typ Henning ist. Er hat dieses Macho-Image, mit dem er auch spielt. Aber er ist ein sehr angenehmer und reflektierter Kollege. Deswegen hab ich ihm zu einem frühen Zeitpunkt angerufen und gesagt: "Ich möchte, dass Du mein 'guilty pleasure' bist in 'Frier und 50'! Willst du auch?"

teleschau: Und wie ist das mit dem Comeback von "Der letzte Bulle"?

Annette Frier: Das hat natürlich etwas sehr Charmantes. "Der letzte Bulle" und unsere Serie "Danni Lowinski" sind vor 15 Jahren am gleichen Abend bei SAT.1 gestartet. Nun sind wir wieder am selben Abend auf unterschiedliche, ja interessante Weise miteinander verstrickt. Das freut die Nostalgikerin und auch die Nachwuchs-Feministin in mir (lacht).

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