US-Zölle Europa im Schatten des Zollkriegs zwischen Trump und Xi

capital Bernd Ziesemer
Europaflagge
Trump ist mit China abgelenkt und in der US-Europa-Beziehung wieder alles ok? Das ist mitnichten so
© Stefan Boness / Picture Alliance
Der neue Schlagabtausch im Handelskonflikt zwischen China und den USA gefährdet vor allem einen Kontinent: Europa.

Offiziell haben sich die Vereinigten Staaten mit ihren wichtigsten Handelspartnern auf ein neues Zollregime geeinigt. Nun aber verschärft sich der Kampf zwischen Donald Trump und Xi Jinping erneut und könnte alles wieder zunichtemachen. Erst versetzen sich die beiden wöchentlich neue Nadelstiche, danach krachte es am letzten Freitag. Trump reagierte auf Chinas verschärfte Exportkontrollen für Seltene Erden mit der Drohung, einen Strafzoll von 100 Prozent auf alle chinesischen Waren zu erheben. Der erhoffte "Deal", der zum 10. November unter Dach und Fach sein sollte, rückt in weite Ferne. Und auch Europa wird die Folgen spüren. 

Denn mit den anderen Handelspartnern herrscht keineswegs Frieden. Gerade geriet ein Brief Trumps an die Europäische Union in die Öffentlichkeit, der praktisch auf eine Erpressung hinausläuft: Entweder Ihr Europäer lasst unsere Tech-Konzerne frei schalten und walten – oder Ihr müsst mit neuen Zöllen rechnen. Auch im Fall von Japan sieht nicht alles so gut aus, wie Politiker beider Seiten behaupten. Hinter den Kulissen streiten die beiden Länder um 550 Milliarden Dollar, die Japan in den USA investieren soll. Trump sieht diese Absichtserklärung als feste Vereinbarung, die japanische Regierung eher als ein "Memorandum of Understanding", das es noch zu präzisieren gilt. Die Nachbarn in Südkorea gestanden in den letzten Tagen bereits ein, dass sie eine ähnliche Klausel aus ihrem Trade Deal gar nicht erfüllen können. Immerhin geht es dabei um 350 Milliarden Dollar – viel zu viel für die Finanzkraft es Landes.

Der heimliche Handelskrieg im Schatten des großen Konflikts mit China geht vor allem deshalb weiter, weil Trump immer wieder neue Forderungen ins Gespräch bringt, die allen bereits ausgehandelten Vereinbarungen widersprechen. Zuletzt verhängte der Präsident zusätzliche Abgaben auf importierte Möbel – angebliche um die heimischen Hersteller in South Carolina zu schützen. Dazu muss man wissen: Der Bundesstaat gehört zu den "Swing States", bei denen Trumps Republikaner und die Demokraten bei Wahlen regelmäßig Kopf an Kopf liegen. Es geht also allein darum, die Chancen der MAGA-Kandidaten zu befördern.

Hält Trumps Begründung?

Offiziell beruft sich Trump jedoch auch in diesem Fall absurderweise auf "nationale Sicherheitsinteressen". Nur mit dieser Begründung kann der Präsident Zölle ohne den Kongress verhängen. Hält diese Begründung? Mit dieser Frage beschäftigt sich die amerikanische Justiz. Setzt sich Trump am Schluss vor dem Obersten Gericht mit seiner Lesart der Verfassung durch, dann müssen alle Handelspartner der USA weiterhin mit unruhigen Zeiten rechnen. Zölle als Allzweckwaffe, um rund um den Globus Wohlverhalten im Sinne der Amerikaner zu erzwingen – das könnte bis zum Ende seiner Amtszeit zur neuen Wirklichkeit des internationalen Handels werden.

Das Schlimme für die Europäer: Auch die chinesische Führung verhält sich nicht besser. Das neue Regime bei Seltenen Erden trifft die Europäer genauso wie die Amerikaner. Und auch China bringt immer wieder neue Forderungen aufs Tapet – genauso wie Trump. Damit droht genau das Horrorszenario, dass die Europäer und vor allem die Deutschen um jeden Preis verhindern wollten: Die EU gerät in die Schraubzwinge der Supermächte. Und sie kann sich kaum daraus befreien: Trump darf man schon aus sicherheitspolitischen Gründen nicht verärgern. Und Xi auch nicht: Der chinesische Markt ist und bleibt für die Europäer unverzichtbar.

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