Der stern beginnt in diesem Heft eine sechsteilige Serie über die wichtigsten Religionen der Welt. Nur wenig bewegt Menschen so inbrünstig wie Glauben. Religion heißt Wissen ohne Beweise. Sie ist ein sicherer Hafen, verwandelt Angst in Zuversicht. Motiviert zu Nächstenliebe und Toleranz. Erklärt das Unerklärliche. Wird aber auch missbraucht, um Terror, Mord und Manipulation zu rechtfertigen. Weltweit berufen sich Staatenlenker kühl kalkulierend auf ihren Gott, um mit der Aura eines Unfehlbaren beim Volk zu punkten. Sogar in einem eigentlich aufgeklärten Land wie den Vereinigten Staaten lassen sich mit religiösen Argumenten Wahlen gewinnen.
In den säkularisierten Gesellschaften des Westens machen sich viele auf die Suche nach sinnstiftender Kraft. Manche haben das Vertrauen in die Amtskirchen verloren und erkunden fernöstliche Religionen. Andere entdecken verschüttete christliche Traditionen wieder, weil sie vielleicht durch wirtschaftliche Turbulenzen oder zunehmende Terrorangst in ihrer Lebenssicherheit erschüttert werden. Das Interesse an den großen Fragen des Daseins jedenfalls wächst: Wozu leben wir? Wie leben wir richtig? Worin besteht Glück? Oder reicht es, zufrieden zu leben? Und was kommt nach dem Tod?
stern-Reporter
Teja Fiedler und stern-Autor Peter Sandmeyer machten sich auf die Suche nach Antworten, nach alten Göttern und neuer Spiritualität. Für Recherchen über den Hinduismus reiste Sandmeyer quer durch Indien, nicht nur zu den bekannten Hindu-Stätten, sondern auch zu den unbekannteren Zentren des Volksglaubens und den Dorfheiligen, die von Gottheiten beseelt sind und als Heiler und Heilsbringer gelten. In Burma fand er den gelebten Buddhismus, der manchmal von Buddhas reiner Lehre so weit entfernt ist wie Lourdes von Rom. Und bei Gesprächen und Begegnungen auf dem Jakobsweg und in Santiago de Compostela versuchte er herauszufinden, welches Glaubensverständnis Christen zu einer solchen Pilgerschaft anstiftet.
Die Recherchen über den Islam führten Teja Fiedler unter anderem nach Ägypten. In Kairo sprach er auch mit Absolventinnen der Deutschen Schule Kairo, die aus voller Überzeugung den Schleier tragen. Wie jene Biochemikerin, die Enzymforschung betreibt, jedoch brav den Gebetsteppich zwischen Plasma-Zentrifugen und Scannern ausrollt. Den Taoismus/Konfuzianismus erlebte Fiedler auf Taiwan, wo sich die chinesischen Religionen weitgehend unverfälscht erhalten haben, da Taiwan nie kommunistisch war. Die Spurensuche zum Judentum führte nach Antwerpen, wo heute im Diamantenviertel die größte orthodoxe jüdische Gemeinde Europas existiert. Zwischen Synagoge und Zuhause erlebte das stern-Team den Alltag einer tiefgläubigen Jüdin - die weltlich genug ist, um nebenbei Schlager für den Grand Prix Eurovision zu komponieren.
Wir beginnen unseren Ausflug in die Welt der Religionen bei Buddha (ab Seite 74). Seine Lehre verdichtete der Erleuchtete so: "Wie der große Ozean nur einen einzigen Geschmack hat, den des Salzes, so ist meine Lehre nur von einem Geschmack durchdrungen, dem der Erlösung." Erlösung vom Leid der Welt.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold