Schwer zu sagen, was bei den Menschen überwiegt: die Erleichterung, dass die Regierung für alle Spareinlagen bürgt, oder das Entsetzen, dass so ein dramatischer Schritt offenbar notwendig ist. Keine Panik auf der Titanic, lautet die Botschaft von Merkel und Steinbrück. Der Vergnügungsdampfer des Turbokapitalismus hat zwar einen Eisberg gerammt und sinkt, die Offiziere und Gäste der ersten Klasse haben ihr Vermögen längst in Sicherheit gebracht. Doch nun sorgt Vater Staat dafür, dass auch keiner der einfachen Passagiere ertrinkt. Das Kalkül der Regierungsbürgschaft ist einfach: Sollten die Menschen massenhaft ihr Erspartes abheben, ist die nächste Bankenpleite eine Frage der Zeit. Außerdem lernt jeder Wirtschaftsstudent schon im ersten Semester: Die Summe der Ersparnisse ist auch die Summe der Investitionen. Wenn kein Geld mehr verfügbar ist, bricht die Wirtschaft zusammen. So vernünftig die Rettungsaktion der Regierung also ist, so klar ist auch: Am Ende müssen wir alle für die Fehler von Spekulanten und Managern zahlen - mit unseren Steuern, mit höheren Kreditzinsen und mit den Folgen einer Rezession, die unausweichlich scheint.
Das Ruhrgebiet war nach dem Krieg die Herz-Lungen-Maschine der Bundesrepublik. Ohne Ruhrpott kein Wirtschaftswunder. Dennoch haben die meisten Menschen keine genaue (oder nur eine falsche) Vorstellung von Deutschlands größtem Ballungsraum mit 53 Städten und 5,3 Millionen Einwohnern. Wer weiß schon, dass das Revier die höchste Theaterdichte Europas aufweist? Dass es dort die meisten Häfen und Kanäle gibt? Das Ruhrgebiet, gebeutelt durch den Niedergang von Stahl und Kohle, erfindet sich gerade wieder mal neu: als Metropole, als Labor für den Übergang von der Arbeits- in die Wissensgesellschaft. Die stern-Reporter Ulrich Hauser und Michael Streck reisten gemeinsam mit dem Fotografen Hardy Müller wochenlang durch den Pott. Für unsere Kollegen war es ein Wiedersehen, beide wuchsen am Rande des Ruhrgebiets auf, beide ärgern sich seit Langem über die Klischees: Schimanski und Schlote, Pommes und Pils. Schalke-Fan Hauser und Dortmund-Anhänger Streck zeichnen ein anderes Bild dieser Gegend. Ihr Fazit: "Es ist ein bisschen wie Gründerzeit. Aber das größte Kapital des Ruhrgebiets sind immer noch die Menschen. Sie sind Weltmeister im Wandel." Die große Fotoreportage über den "iPott" beginnt auf Seite 62.
Herzlichst Ihr
Thomas Osterkorn