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Es besteht kein Zweifel, dass Saddam Hussein ein verabscheuungswürdiger Diktator und Massenmörder ist, der sein Volk unterdrückt. Er sollte lieber heute als morgen mit seinen Söhnen das Land verlassen, am besten sogar vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt werden - wie viele andere auch.
Es bestehen aber ebenso wenig Zweifel daran, dass der von US-Präsident George W. Bush angekündigte Militärschlag gegen den Irak ohne ausdrückliches Mandat des UN-Sicherheitsrates ein Angriffskrieg ist, der gegen das Völkerrecht verstößt und somit illegal ist.
Auch für die einzige verbliebene Supermacht gilt: Man kann nicht das Recht verteidigen, indem man es selbst bricht. Die alte UN-Resolution 1441, auf die sich Amerika jetzt beruft, taugt nicht als Kriegsgrund. Sie droht dem Irak zwar "ernste Konsequenzen" an, falls er nicht abrüstet. Und es stimmt: Allein der militärische Druck der Amerikaner hat bewirkt, dass Saddam Hussein wieder UN-Waffeninspektoren ins Land ließ und Raketen verschrottete. Aber es gibt nur ein Gremium, das darüber zu entscheiden hat, wann und wie die Drohung umschlagen darf in Gewalt: der UN-Sicherheitsrat.
Wochenlang haben die USA versucht, ihn zu beeinflussen und zu erpressen. Vergebens. Am Ende haben sie vor der letzten, alles entscheidenden Abstimmung gekniffen und "das Fenster der Diplomatie" zugeknallt.
Jetzt nimmt ein größenwahnsinniger Präsident das Recht in die eigene Hand. Bush gegen den Rest der Welt. "Wenn es um unsere Sicherheit geht, brauchen wir wirklich niemanden um Erlaubnis zu fragen", begründet er einen Präventivschlag.
Selbst wenn Saddam Hussein ins Exil gehen sollte und die Menschen auf den Straßen in Bagdad ihre Befreiung feiern - die Idee der Völkergemeinschaft, die ihre Konflikte möglichst gemeinsam und mit friedlichen Mitteln lösen will, hat schweren Schaden erlitten. Nun gilt das Recht des Stärkeren. Was den USA Recht ist, wird künftig noch so manchem Despoten billig sein.
Deutschland steht nun vor einer neuen schwierigen Entscheidung: Wenn ein Krieg der Amerikaner gegen den Irak so eindeutig gegen das Völkerrecht verstößt, ist auch jede Form der Beihilfe verboten. Das bedeutet: Dann müsste Bundeskanzler Gerhard Schröder die deutschen Soldaten aus den Awacs-Überwachungsflugzeugen abziehen, die über der Türkei unterwegs sind und ihre Radarantennen auch auf den Irak richten.
Dann müsste er den Besatzungen der deutschen ABC-Spürpanzer in Kuwait befehlen, sich aus allem herauszuhalten. Und er müsste den Amerikanern die Überflugrechte über Deutschland versagen und die Nutzung ihrer Bodenstützpunkte für kriegerische Zwecke verbieten.
Das wäre nach dem diplomatischen GAU wohl auch das Ende der militärischen Partnerschaft. Aber es wäre rechtlich geboten, wollte sich die Bundesregierung nicht mitschuldig machen an einem illegalen Krieg.
Herzlichst Ihr Thomas Osterkorn