Er war ein Hardliner, der führende Kopf der Irak-Invasion und extrem umstritten: Dick Cheney hat als Vizepräsident die Macht im Weißen Haus an sich gerissen und im Hintergrund die Fäden bei wichtigen Fragen gezogen. Seine knallharten Positionen, besonders nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, sind nahezu legendär. Cheney war ein politisches Schwergewicht – ein Vize, mächtig wie wohl kaum ein anderer. Nun ist er im Alter von 84 Jahren am Montag gestorben, wie US-Medien übereinstimmend unter Berufung auf eine Mitteilung seiner Familie berichteten.
Dick Cheney galt als Trump-Kritiker
In den vergangenen Jahren war es ruhiger um den Konservativen geworden. Schon lange litt er unter gesundheitlichen Problemen – vor allem sein Herz machte ihm immer wieder zu schaffen. Im Jahr 2012 hatte Cheney nach mehreren Infarkten ein neues Herz bekommen. Über seine angeschlagene Gesundheit hat er meistens geschwiegen – doch bis zum Schluss mischte sich der Pragmatiker auch immer mal wieder in die aktuelle Politik ein.
Kurz vor der Stürmung des Kapitols im Januar 2021 meldete sich der Republikaner mit anderen ehemaligen Verteidigungsministern in einem Brief in der "Washington Post" zu Wort. Dabei warnten Cheney und die anderen Männer vor einer militärischen Intervention, um den friedlichen Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden zu untergraben. "Der Versuch, die US-Streitkräfte in die Lösung von Wahlstreitigkeiten einzubeziehen, würde uns auf gefährliches, ungesetzliches und verfassungswidriges Terrain führen", schrieben die ehemaligen Minister – nur wenige Tage später stürmte ein Mob aus Trump-Anhängern das US-Kapitol.
Cheney galt als Kritiker von US-Präsident Trump. Er machte vor der Wahl im November 2024 bekannt, dass er seine Stimme der Demokratin Kamala Harris geben werde. Er warf Trump vor, mit Lügen und Gewalt versucht zu haben, sich an der Macht zu halten, nachdem Joe Biden gegen ihn bei der vorigen Wahl gewonnen hatte.
Eine steile Rechtsaußen-Karriere
Als Cheneys politisches Erbe gilt die Zeit nach den Terroranschlägen von 2001. Er spielte beim Beschluss für den Irak-Krieg von Präsident George W. Bush eine entscheidende Rolle – für viele galt er als Kriegstreiber, der Bush von der Invasion überzeugte. Er pochte beharrlich darauf, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitze, und verteidigte international kritisierte Praktiken im Kampf gegen den Terror wie Folter-Verhörmethoden.
Nach den Anschlägen setzte er auf Hardliner-Positionen – sie prägen die USA im Kampf gegen den Terror bis heute. "Vieles von dem, was hier getan werden muss, muss im Stillen geschehen, ohne jede Diskussion, unter Verwendung von Quellen und Methoden, die unseren Geheimdiensten zur Verfügung stehen, wenn wir erfolgreich sein wollen", sagte Cheney kurz nach den Anschlägen.
Er gilt als Hauptdrahtzieher illegaler elektronischer Überwachung von US-Bürgern. Er machte es sich zum Ziel, Amerika zu verteidigen – mit allen Mitteln. Cheney ist eines der prominentesten Gesichter dieser Zeitenwende.
Mit seiner Art machte sich Cheney kaum Freunde. Er handelte stets etwas im Verborgenen – der studierte Politikwissenschaftler galt als abweisend und kühl. Kritiker hielten ihn für gewissenlos, für Unterstützer war er ein Meister der Manipulation. "Bin ich das böse Genie in der Ecke, das niemand aus seinem Loch kommen sieht?", fragte er einst in einem Interview der "L.A. Times". Das sei eigentlich eine nette Art zu arbeiten, fügte er hinzu. Cheney galt als einer, der überall den Feind lauern sah – umso mehr nach 9/11.
Cheney wurde am 30. Januar 1941 in Nebraska geboren, später zog seine Familie nach Wyoming. Sein Vater arbeitete dort im Bereich Naturschutz für die Regierung. 1964 heiratete er seine Liebe aus Schulzeiten, Lynne Ann Vincent. Nach Ende seines Studiums zog es Cheney in die US-Hauptstadt Washington, dort legte er eine steile Karriere hin. Zunächst arbeitete er für einen republikanischen Abgeordneten aus Wisconsin, doch schnell landete er im Zentrum der Macht – im Weißen Haus. Unter Präsident Gerald Ford wurde Cheney dort 1975 zum jüngsten Stabschef ernannt.
Liz Cheney führt das Vermächtnis ihres Vaters fort
Zwischen 1979 und 1989 war Cheney Kongressabgeordneter, schließlich wurde er Verteidigungsminister unter Bush senior (1989-1993). Dann zog es Cheney in die Privatwirtschaft an die Spitze des Ölservice-Giganten Halliburton in Texas. Dort blieb er, bis er 2001 Vizepräsident unter Bush junior wurde – die bestimmt prägendste Zeit seiner Karriere. Zwar blieb Cheney der zweite Mann im Staat bis zum Ende von Bushs Amtszeit 2009 – doch es heißt, die Männer hätten sich gegen Ende immer weiter voneinander entfremdet.
Nach seinen Jahren an der Macht zog sich Cheney aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurück – nicht zuletzt auch wegen seiner gesundheitlichen Probleme. Schlagzeilen machten in den vergangenen Jahren vor allem seine Töchter. Seine jüngste, Mary Cheney, heiratete eine Frau. Der konservative Cheney hat diese Bindung öffentlich unterstützt – anders als Liz Cheney, die ältere Tochter. Die beiden unterschiedlichen Schwestern lieferten sich einen öffentlichen Disput über die gleichgeschlechtliche Ehe.
Liz Cheney, die wie ihr Vater in der Politik in Washington mitmischte, galt lange als stramm konservative Republikanerin. Doch sie stellte sich gegen Donald Trump und wurde dafür von ihrer eigenen Partei fallen gelassen. Mit ihren Bemühungen, gegen den Widerstand der Republikaner die Hintergründe der Kapitol-Attacke aufzuklären, kämpft die Tochter des einstigen Vizepräsidenten US-Medien zufolge ihren eigenen "Kampf gegen den Terror".