Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen waren die Vorreiter, zum 1. Januar haben acht weitere Bundesländer das Qualmen in Gaststätten weitgehend verboten. Die meisten Raucher werden trotzdem weiter inhalieren, und sei es bei Minustemperaturen vor dem Restaurant.
Süchtige - das sind nicht nur Junkies oder verkokste Promis. Sucht ist ein Massenphänomen: Rund 20 Millionen Deutsche rauchen, etwa 16 Millionen gelten als nikotinabhängig. Bis zu 1,9 Millionen sind süchtig nach Medikamenten. 1,6 Millionen gelten als Alkoholiker, mehr als 10 Millionen trinken so viel, dass sie ihre Gesundheit in Gefahr bringen. Hinzu kommen die Konsumenten illegaler Drogen sowie wahrscheinlich weit über eine Million Menschen, die die Kontrolle über Alltägliches wie Essen, Kaufen oder Spielen verloren haben - und die dabei Züge abhängigen Verhaltens zeigen. Der Schaden ist immens: Allein die Zahl der tabakbedingten Todesfälle in Deutschland wird auf 110.000 bis 140.000 im Jahr geschätzt, beim Alkohol sind es 42.000. Und häufig werfen Menschen mit den Folgen ihrer Abhängigkeit auch Partner, Eltern, Kinder aus der Bahn. Die volkswirtschaftlichen Kosten belaufen sich nach Schätzungen allein für die alkoholbezogenen Krankheiten auf rund 20 Milliarden Euro im Jahr - fast ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
All das zeigt: Es lohnt sich, gegen die Volkskrankheit Sucht zu kämpfen. In einer achtteiligen Serie beleuchtet der stern von dieser Woche an, wie Menschen in den Sog der Abhängigkeit geraten - und wie sie sich wieder befreien können. Zum Auftakt erklärt Stefan Klein, einer der erfolgreichsten deutschen Wissenschaftsautoren, was Forscher über das Wesen der Sucht wissen: wie sie entsteht, wie sie das Gehirn manipuliert, wer besonders gefährdet ist (ab Seite 72).
Eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ist so überflüssig wie die Diskussion darum. Der Instrumentenkoffer eines deutschen Jugendrichters ist prall gefüllt mit verschiedensten, individuell anwendbaren Werkzeugen inklusive eines kurzen Arrests. Anstatt öffentliche Erregung zu provozieren, sollte Roland Koch eher dafür sorgen, dass in Hessen konsequenter gehandelt wird: In Wiesbaden beispielsweise werden zwei Drittel aller Jugendstrafsachen eingestellt, und zwischen Tat und Gerichtsverhandlung vergeht bis zu einem Jahr. Das frustriert auch die Polizisten, die stern-Reporter Martin Knobbe während seiner Recherchen über eine kriminelle Jugendbande in Wiesbaden traf. "Außerdem", so Knobbe, "bemerken die Beamten bei vielen jugendlichen Straftätern eine zunehmende Gefühlskälte und eine völlige Unfähigkeit, sich in die Rolle der Opfer hineinzuversetzen." Seine Reportage beginnt auf Seite 26.
Herzlichst Ihr
Andreas Petzold