Liebe stern-Leser!
Acht Journalisten haben in diesem Krieg bislang ihr Leben gelassen, zwei wurden verletzt. Am vergangenen Montag traf es den ersten deutschen Kollegen: "Focus"-Reporter Christian Liebig, 35. Er begleitete US-Truppen der 2. Brigade der 3. Infanterie-Division südlich von Bagdad, als ihn eine irakische Rakete tötete. Die stern-Redaktion spricht den Angehörigen und der Redaktion ihr Mitgefühl aus. Aus leidvoller Erfahrung wissen wir, dass Kriegseinsätze trotz aller Vorsichtsmaßnahmen lebensgefährlich sind - aber auch, wie wichtig diese Berichterstattung für die Öffentlichkeit ist.
Der Krieg im Irak
wird auch über die Medien geführt. Wir sehen viele Bilder, aber wir haben kein wirkliches Bild. Das liegt daran, dass die Zensur auf beiden Seiten gründlich arbeitet. Unsere Kollegen in Bagdad wurden, solange das Regime noch funktionierte, von irakischen Aufpassern beaufsichtigt (siehe Seite 66). Und Journalisten, die auf amerikanischer Seite Truppen begleiten, dürfen nur eingeschränkt berichten. Diese Reporter, 600 etwa, werden als "embedded journalists" geführt, "eingebettet" in Kampfeinheiten oder Nachschubverbänden. stern-Reporter Uli Rauss und Fotograf Perry Kretz sind mit einer Eliteeinheit der US-Marines unterwegs, der 2200 Mann starken 24th Marine Expeditionary Unit, derzeit vermutlich im Süden Bagdads. Sie mussten eine 50 Punkte umfassende "Übereinkunft über Grundregeln" der Berichterstattung unterschreiben. Beispielsweise dürfen getötete Amerikaner nicht erkennbar abgebildet werden.
Die wochenlange Nähe zu den Soldaten birgt die Gefahr, dass die kritisch-distanzierte Beobachtung der Ereignisse schleichend in eine Verbrüderung mit "ihrer" Truppe übergeht. Die meisten Reporter sind sich dessen bewusst, nutzen aber die Chance, sich ein eigenes Bild zu machen.
Stern-Reporter
Christoph Reuter und Fotograf Thomas Hegenbart im Norden Iraks können sich frei bewegen, aber nicht ungehindert. An der kurdisch-amerikanischen Front wimmelt es von Straßensperren. Reuter: "Auf der einen Seite irakische Truppen, die sich mitnichten ergeben haben. Auf unserer Seite kurdische Peshmerga und, jeden Tag mehr, US-Special Forces. Beide versuchen, uns von der Front fern zu halten - aus den unterschiedlichsten Gründen: weil es tatsächlich gefährlich ist, weil die kurdische Führung allzu freimütige Äußerungen ihrer Kämpfer verhinden möchte, weil einer ihrer Kommandeure angeblich einen Exklusiv-Deal mit CNN geschlossen und seinen Frontabschnitt privatisiert hat." Mit Reuter und Hegenbart unterwegs: zwei kurdische und ein irakischer Übersetzer sowie drei Fahrer. Ausrüstung: Satellitentelefone, Walkie-Talkies, Gasmasken, ABC-Anzüge, ein moderner Geländewagen fürs verlässliche Fortkommen und ein betagtes Modell mit Nummernschild aus Bagdad für unauffällige Erkundungsfahrten. Übernachten muss das Team meist in Ruinen oder stinkenden Schafställen, die es mit Plastikplanen notdürftig umrüstet.
Weitere zehn Fotoreporter arbeiten für den stern im Irak. Darunter preisgekrönte wie James Nachtwey, Bruno Stevens, Ron Haviv und Christopher Morris. In Jordanien recherchieren stern-Redakteur Andreas Albes und Fotograf Yannis Kontos.
Auch diese Ausgabe beginnt wieder mit Bildern des Krieges. Teils mit grausamen Szenen, die innehalten lassen. Unzensierte Momente des Krieges, die ihre Wirkung nachdrücklicher entfalten, als es im Fernsehen möglich ist. Sie zeigen, warum es sich gelohnt hätte, eine friedliche Alternative zum Krieg zu suchen.
Herzlichst Ihr Andreas Petzold