Angenommen, ich habe bereits Schulden und merke, dass ich diese nicht mehr begleichen kann. Wie muss ich jetzt handeln?
Am Anfang steht die Bestandsaufnahme, der Überblick: Wo sind Sie überall verschuldet? Wie hoch war Ihre Ursprungsschuld? Wie hoch sind Sie derzeit verschuldet? Und wie hoch sind die monatlichen Zahlungen? Dann gilt es noch zu prüfen, ob die Forderungen in Art und Höhe gerechtfertigt sind. So können zum Beispiel Zinsen verjährt oder eine Bürgschaft unter bestimmten Umständen sittenwidrig sein.
Am besten stellen Sie einen Haushaltsplan auf. Da tragen Sie alle Einnahmen und Ausgaben ein. Das ist wichtig, denn viele Menschen wissen nicht, wie viel Geld sie eigentlich verbrauchen. Dann sehen Sie, ob genügend Puffer für die Zahlungen da ist.
Zur Person
Klaus Hofmeister ist im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und Leiter der Schuldnerberatung der Stadt München
Den Haushaltsplan müssen Sie auf Einsparmöglichkeiten überprüfen. Brauche Sie wirklich alles, oder können Sie sich kurzfristig entlasten? Bei Versicherungen oder Zeitungsabos kann man beispielsweise oft sparen.
Wer nicht mehr durchblickt, sollte zur Schuldnerberatung gehen. Diese Geschichten kann man aber auch selber machen - wenn man sich schlau macht und auf den Hosenboden setzt.
Nach dieser Bestandsaufnahme folgt die Entwicklung eines Konzeptes zur Schuldenbereinigung. Dieser Plan kann Ratenzahlungen, Vergleiche mit Einmalzahlungen, eine sukzessive Begleichung der Forderungen oder andere Regelungen vorsehen. Manchmal helfen auch Verwandte oder der Arbeitgeber durch Bereitstellung eines Darlehens zur Regulierung der Schulden auf dem Vergleichsweg.
Seit zehn Jahren gibt es die Möglichkeit der Privatinsolvenz. Ab wann sollte man diesen Weg einschreiten?
Zuerst müssen Sie sich immer fragen: Gibt es eine Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen? Wichtig ist: Versprechen Sie dem Gläubiger nichts Falsches.
Klappt das nicht und kommen Sie zur Erkenntnis, dass von zehn Gläubigern beispielsweise nur drei mitmachen, bleibt nur das gerichtliche Privatinsolvenzverfahren. Dies sieht im ersten Schritt in geeigneten Fällen nochmals den Versuch einer gütlichen Einigung durch einen mit Hilfe des Gerichtes erzielten Vergleiches vor. Gelingt dies nicht, so wird das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet.
Ganz allgemein: Jeder, der seinen Verpflichtungen dauerhaft nicht nachkommen kann, sollte sich diesen Weg als Lösungsmöglichkeit in Erwägung ziehen.
Wem würden Sie dagegen davon abraten?
Da gibt es eine Reihe von Fallkonstellationen. Etwa, wenn die Schulden ausschließlich aus unerlaubter Handlung stammen - beispielsweise ein Schmerzensgeld wegen einer Körperverletzung. Solche Forderungen sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Oder wenn offensichtlich klar ist, dass die Restschuldbefreiung versagt würde, weil so genannte Versagungsgründe vorliegen. Zum Beispiel, weil in den letzten drei Jahren vor dem Insolvenzantrag durch vorsätzliche Falschangaben Geld bezogen wurde. Um hier zu einer richtigen Einschätzung zu kommen brauchen Sie den fachkundigen Rat einer Beratungsstelle oder eines Anwaltes.
Was sind die drei größten Fehler aus Ihrer Sicht, wenn ich bereits stark verschuldet bin?
Erstens: Sie stecken den Kopf in den Sand. Das Problem wird dann immer größer.
Zweitens: Sie informieren die Gläubiger falsch oder lassen sie in Unkenntnis. Wenn Sie nur die Zahlungen einstellen, und der Gläubiger kennt die Hintergründe nicht, dann ist der natürlich verärgert - und stellt womöglich eine Strafanzeige. Die Kommunikation mit den Gläubigern ist ganz wichtig: Viele werden bereit sein, an einer Lösung mitzuwirken. Denn eine Schadensbegrenzung liegt auch im Interesse der Gläubiger.
Drittens: Sie ziehen nahe stehende Personen in die Misere mit hinein - etwa in dem Sie einem Gläubiger einen Verwandten als Bürgen anbieten. Das sollte man nicht machen. Auch das Geldleihen von nahe stehenden Personen sollte man nur erfolgen, wenn Sie das Geld mit Sicherheit zurückzahlen kann. Beim Geld endet sonst die Freundschaft.
Was sind denn die Prinzipien einer guten Haushaltsführung, mit der ich Überschuldung verhindern kann?
Erstens: Stellen Sie Transparenz her. Belügen Sie sich nicht bei der Frage, über wie viel Geld Sie verfügen. Wenn ich einen Haushaltsplan mache, dann muss der auch der Realität entsprechen. Mogeln Sie nichts hin.
Zweitens: Angenommen, die Misere ist noch nicht ganz so groß: Verschleiern Sie Ihre Lage nicht durch Verschiebebahnhöfe, indem Sie einmal die Miete und dann wieder die Energie oder andere Rechnungen nicht bezahlen. Dies führt nur dazu, dass Sie am Ende hinten und vorne nicht mehr durchblicken. Das ist ganz gefährlich.
Wenn ich unter den Haushaltsplan einen Strich mache und erkenne, dass das Geld nicht reicht, sollte ich die Ursachen herausfinden. Habe ich ein zu kleines Einkommen für meine Ausgaben? Oder sind noch nicht alle Sparpotenziale ausgeschöpft?
Um herauszufinden, wo ich mein Geld verbrauche, hilft es, wenigstens für zwei bis drei Monate ein Haushaltsbuch zu führen. Die gibt es bei den Sparkassen oder Beratungsstellen. Schreiben Sie alles auf, um sich selber auf die Schliche zu kommen.
Gibt es Warnsignale, an denen man erkennen kann, dass die Verschuldung brisant wird?
Ein permanent überzogenes Girokonto mit einem stetig ansteigenden Minus ist ein deutliches Warnsignal. Das muss gar nicht so drastisch sein, 1000 Euro können im Einzelfall schon reichen. Ich verbrauche also wesentlich mehr, als ich einnehme.
Gibt es Faustregeln, mit denen ich meine Finanzen kontrollieren kann?
Erstens: Machen Sie einen Haushaltsplan und führen Sie ein Haushaltsbuch.
Zweitens: Kontrollieren Sie regelmäßig den Stand des Girokontos und prüfen Sie die Abbuchungen auf ihre Richtigkeit.
Drittens: Wenn Sie keinen genauen Überblick haben: Legen Sie sich Wochenbudgets an - für Ihre variablen Ausgaben wie Kinobesuche oder Essen gehen.
Viertens: Seien Sie vorsichtig beim bargeldlosen Zahlungsverkehr. Um den Überblick bei der Kartenzahlung zu behalten, müssten Sie sich eigentlich diese Ausgaben notieren. Wollen Sie das nicht, zahlen Sie besser in bar.
Gibt es aus Ihrer Sicht gute und schlechte Kredite?
Liegt der Zins über dem marktüblichen, ist das ein schlechter Kredit. Informieren Sie sich über die Gebühren und vergleichen Sie im Zinsspiegel. Hohe Vermittlungsgebühren und teure Restschuldversicherungen sind auch schlecht. Generell gilt: Holen Sie mindestens drei bis fünf Angebote ein. Auf den Webseiten der Verbraucherzentralen, der Stiftung Warentest und des Institutes für Finanzdienstleistungen in Hamburg finden dazu wertvolle Informationen.
Schlechte Kredite sind auch solche, die schön gerechnet werden - etwa wenn die Bonität nicht seriös geprüft wird. Dringend abzuraten ist zum Beispiel von Krediten, die als „Schufafrei“ angepriesen werden.
Angenommen, ich werde plötzlich arbeitslos und habe Kredite für ein Haus und ein Auto laufen. Was soll ich tun?
Erstmal bekomme Sie das Arbeitslosengeld I. Also können Sie mit etwa zwei Dritteln Ihres Einkommens rechnen. Nun müssen Sie kalkulieren: Reicht das – oder können Sie eventuell aus Ersparnissen aufstocken oder müssen Sie sparen, etwa in dem Sie in Ihrer Freizeit weniger Geld ausgeben?
Wenn Sie es nicht schaffen, Ihre Kredite zu bedienen, müssen Sie eventuell das Auto wieder verkaufen. Oder Sie schaffen sich ein kleineres Auto an - weil Sie keinen Mittelklassewagen brauchen, sondern einen fahrbaren Untersatz.
Beim Wohneigentum ist es schwieriger - da möchte man sich vielleicht nicht so leicht trennen. Wenn Sie merken, dass Sie - trotz Einsparungen - mit dem Geld nicht hinkommen, müssen Sie unbedingt mit dem kreditgebenden Institut Kontakt aufnehmen. Da müssen Sie Ihre Situation ehrlich offen legen. Da sind die Banken oder Institute meistens gesprächsbereit - zum Beispiel, in dem sie die Raten strecken. Suchen Sie das Gespräch - und stellen Sie nicht vor Scham die Zahlungen einfach ein.
Die niedrigen Leitzinsen ermöglichen es Verbrauchern, derzeit günstig an Kredite zu kommen. Wie kann ich abschätzen, ob ich einen Kredit sicher aufnehmen und abbezahlen kann?
Das ist schwierig und kommt letztlich auch auf den Job an. Wer im öffentlichen Dienst angestellt ist und sauber kalkuliert hat, kann so eine Verpflichtung guten Gewissens eingehen. Wenn Sie aber bei einer Firma sind, in der der Lohn bereits immer wieder verschleppt gezahlt wurde und Sie nicht wissen, ob Sie im übernächsten Monat noch meinen Job haben, sollten Sie trotz günstiger Zinsen sehr vorsichtig bei der Kreditaufnahme sein.
Wenn Sie trotzdem einen Kredit aufnehmen wollen, müssen Sie ein Worst-Case-Szenario durchspielen: Wie viel können Sie bezahlen, wenn Sie arbeitslos werden? Würden Sie die Belastung aus den Raten auch dann packen?