leipzig Onomastik - einmalig in der Messestadt

Wer keine Allerweltsfächer studieren möchte, kann es ja mal mit Onomastik in Leipzig versuchen

Wer keine Allerweltsfächer studieren möchte, kann es ja mal mit Onomastik in Leipzig versuchen

Onomastik? Dieser Name klingt zugegebenermaßen etwas seltsam. Und manche Menschen, die 'Onomastik' zum ersten Mal hören, sind versucht zu fragen: »Ähm, Entschuldigung, ist das etwas Unanständiges?« Doch Katharina Buschau sieht irgendwie ganz normal aus. Lange schwarze Haare, ein sympathisches Lächeln - eine typische Leipziger Studentin eben. Nur eins ihrer Studienfächer ist immer noch sehr ungewöhnlich an deutschen Unis. Katharina studiert Onomastik im Nebenfach. Vorsichtig nippt die Magdeburgerin an ihrem Cappuccino im In-Café 'Coffee Culture': »Puh, wie oft bin ich schon gefragt worden, warum um alles in der Welt ich eigentlich Onomastik studiere. Dabei ist Namenkunde echt super, und ich würde mein Nebenfach am liebsten zum Hauptfach machen.«

Doch das ist leider noch nicht möglich. Onomastik oder Namenkunde wird zwar nur an der Leipziger Uni angeboten, aber auch hier nur als Nebenfach. Zu ihrem Hauptfach hat Katharina vor drei Semestern Kulturwissenschaften gewählt. Onomastik und Kunstgeschichte sind ihre Nebenfächer.

Doch was ist Namenkunde nun genau? Die Onomastik in Leipzig ist in vier Gebiete aufgeteilt, so steht es im Studienführer. In der theoretischen Namenkunde geht es um Methoden, Entwicklung und Systeme in der Onomastik. Die angewandte Namenkunde klärt auf über Namenrecht, Namengebrauch, literarische Onomastik und Computereinsatz in der Namenforschung. In der Entwicklung der Namenkunde geht es, na klar, um die Geschichte der Onomastik, aber auch um Orts-, Personen- und Gewässernamenforschung und Entwicklungstrends. Last but not least: Im letzten Bereich werden die Beziehungen der Onomastik zur Geschichte und Textwissenschaft unter die Lupe genommen.

Wem das jetzt zu theoretisch war: Katharina erklärt noch einmal, warum sie sich gerade für Namenkunde entschieden hat: »Als ich gelesen habe, dass dieses Fach in Leipzig angeboten wird, fand ich das sehr, sehr interessant. Und ich bin nicht enttäuscht worden. Wir sind täglich von Namen umgeben und beeinflusst. Ich möchte einfach wissen, wie diese Namen entstanden sind und was sie bedeuten.«

Pumuckl, Windsbraut und Pepsi-Carola sind nur einige kuriose Beispiele für Kindernamen der vergangenen Jahre. Katharina ist schon oft gefragt worden, ob sie nicht herausfinden könne, woher dieser Familien- oder jener Rufname kommt. Doch die Onomastin ist vorsichtig: »Ich könnte wohl jedem etwas erzählen, mit dem er zufrieden wäre. Aber diese Jahrmarktmethoden finde ich einfach Humbug. Um professionelle Namenkunde zu betreiben, braucht man Belege wie beispielsweise Kirchenbücher.«

Im Jahr 1991 wurde die Onomastik als Studienfach an der Leipziger Hochschule eingeführt. Dr. Dietlind Krüger ist stolz, dass sich mittlerweile »hundert nette Studenten« mit ihrer Disziplin beschäftigen. In Leipzig ist Onomastik aber nicht nur ein Fach. Hier befindet sich auch der Sitz der Gesellschaft für Namenkunde, deren Mitglieder auch die beiden Leipziger Dozenten Dr. Dietlind Krüger und Professor Dr. Jürgen Udolph sind.

Dr. Krüger erläutert, für welche Berufszweige die Onomastik später von Bedeutung sein könnte: »Namenkunde ergänzt alle philologischen Hauptfächer, besonders die Germanistik und Slavistik. Eine ideale Ergänzung ist sie aber auch für alle historischen Disziplinen.« In der Geschichte könne die Onomastik als Informationsquelle zu Besiedelungsfragen dienen. In der Germanistik könnten mit Hilfe der Onomastik Fragen zur Sprachgeschichte und zu Mundarten beantwortet werden.

Dr. Krüger kann den Kreis der Studenten, denen sie rät, ihr Fach zu studieren, klar abgrenzen: »Ich kann all denjenigen, die weder historische noch linguistische Fächer belegen, abraten, Onomastik zu studieren. Außerdem sollten sie natürlich Interesse an Namen haben.« Krüger persönlich fasziniert die Vielschichtigkeit ihrer Disziplin. Doch auch die Fülle der mit Namen verbundenen Themen und Fragen der Übersetzung begeistern die Dozentin. Katharina ist sich schon nach drei Semestern sicher, dass ihr die Onomastik etwas gebracht hat: »Ich gehe jetzt mit viel offeneren Augen durch die Straßen. Und wenn ich einen Gebäude- oder Straßennamen lese, erinnere ich mich manchmal an seine Bedeutung. Das ist faszinierend.«

Wie bei jedem anderen Studienfach auch, ist Katharina ab und zu genervt: »Tja, Namenkunde ist sehr zeitintensiv. Gerade wenn es darum geht, Indikatoren auswendig zu lernen. Da braucht man Ausdauer und Konzentration.« Sie fügt aber schnell hinzu: »Trotzdem ist Onomastik für mich eine echte Bereicherung. Ich kann Menschen Dinge erzählen, die andere gar nicht kennen. Und der Prof weiß tatsächlich meinen Namen.«

Katharinas Nachname »Buschau« könnte übrigens aus dem Slawischen kommen oder sich zusammensetzen aus »Busch + Aue«. Viele Familien erhielten ihre Namenzusätze im 12./13. Jahrhundert im Zuge der Städtekonzentration. Oft hatte der Beiname etwas mit der Wohnstätte zu tun, oder der Beruf des Familienoberhaupts wurde zum Familiennamen. Das Leipziger Gewandhaus erhielt seinen Namen durch die Tuchhändler und Gewandschneider, die im alten Gewandhaus ihr Messehaus hatte, ehe es zum Konzertsaal umfunktioniert wurde.

Katharina weiß so manche Geschichte über Leipziger Häuser und Familien zu erzählen: »Wer Interesse an Sprache und Geschichte hat, der sollte unbedingt ein Semester Onomastik in Leipzig ausprobieren und dann weitersehen.« (sh)

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