Rote Lippen soll man küssen... schubidu. Jawoll, soll man! Unbedingt! Nichts ist schöner, erregender und verheißungsvoller als ein richtig guter Kuss. Wenn sich die Lippen erst ganz vorsichtig berühren und umschmeicheln, sich die Zungen langsam vorwagen und über volle Lippen und süße Mundwinkel gleiten, wenn sich die Lippen langsam öffnen, wenn sich die Zungenspitzen - neugierig geworden - auf Entdeckungsreise begeben und miteinander verschmelzen, wenn sich die warmen Lippen zärtlich aneinander reiben und ganz sanft zu knabbern beginnen, wenn die Zungen umeinander kreisen und liebevoll miteinander spielen, wenn sich langsam vom Solarplexus aus ein Gefühl der Erregung ausbreitet, das mit zunehmendem Lippenspiel in viel südlicheren Regionen andockt, wenn...
Ach, was red ich. Sie wissen ja selbst, wie sich der optimale Kuss anfühlt, nicht wahr?
Und damit wäre ich beim Thema. Jeder, der leidenschaftlich gern küsst, wird im Laufe seiner Küsserkarriere natürlich mit den unterschiedlichsten Kusstechniken konfrontiert ? so auch ich. Ich lernte die sogenannten Fischmäuler kennen, die ihren Mund einfach geöffnet auf meinen stülpten, um dann in ebendieser Stellung zu verharren. Ich geriet an die Schleuderer, die nichts weiter taten, als ihre Zunge in einem Affenzahn um meine rotieren zu lassen (wie eine Wäscheschleuder eben). Dann gibt es da noch die Geckos, die ihre Zunge durch die fast geschlossenen Lippen in meinen Mund vor- und zurückschnellen ließen und die Zäpfchenstoßer, die einem die Zunge ohne Vorwarnung bis hinter die Mandeln stoßen... Und der Absonderlichkeiten noch viele.
Nun ist es aber so, dass ich nicht die einzige Verfechterin der These bin: So, wie jemand küsst, so ist er auch im Bett. Glauben die Zäpfchenstoßer, Geckos, Schleuderer und Fischmäuler wirklich, dass ihre Art zu küssen die Frauen dazu bringt, auf der Stelle mit gespreizten Beinen in Ohnmacht zu fallen? Und Männer, habe ich mir sagen lassen, empfinden da gar nicht anders, gibt es doch die verschiedenen Kusstypen auch unter uns Weibern. Hoffen wir nur, dass am Ende jedes Fischmaul seine Fischmaulfrau und jeder Feuchtschmatzer seine Feuchtschmatzerin findet ? lieber früher als später!
Die Theorie hat sich bisher auch immer in meiner Praxis bestätigt. Geriet ich an einen Zäpfchenstoßer, dann versuchte er auch, seinen Zapfen gnadenlos bis an meinen Magenpförtner zu stoßen ? von unten wie von oben. Das Fischmaul hing seinen Köder in mich hinein und hoffte, der Rest passiert von alleine. Alles andere spar ich mir jetzt mal ? Sie haben ja selbst Phantasie genug.
Wenn dagegen ein Mann wusste, wie er mit seinen Lippen und der Zunge langsam, sensibel und verführerisch meine zarte Flamme zum Brennen bringt, erwies er sich für mich auch bei den nachfolgenden Spielen nur allzu oft als echter Gewinn. Denn natürlich hat sich nichts an der Tatsache geändert, dass Knutschen schlicht und ergreifend geil machen soll ? getreu dem Volksmund: »Ein Kuss ist die Anfrage im oberen Geschoss, ob unten frei ist«.
Ich persönlich halte es ja für die ganz hohe Kunst des Küssens, wenn es nicht bei der Anfrage bleibt, sondern ein berauschender oraler Liebesakt zelebriert wird - ausschließlich mit den Mündern. Das geht! Ich habe Knutschereien erlebt, die über Stunden gingen und mit zunehmender Leidenschaft immer eindeutiger wurden ? ohne an Zärtlichkeit zu verlieren. Dann bewegte sich die Zunge meines Kusspartners plötzlich, als würde sie nicht mit meiner Zunge spielen, sondern sich gekonnt an meinem Perlchen zu schaffen machen. Dann umspielte ich die Nase des Mannes mit meinem Mund, als wäre sie sein Johannes. Ich sage Ihnen, da entstehen Gefühle, die sind schier unbeschreiblich!
Diese Art des Küssens ist mir in meinem Leben nur mit drei Männern gelungen und die Gegebenheiten waren jedes Mal so, dass es zu mehr als zu Küssen nicht kommen konnte. Allerdings war ich auch anschließend eine Zeit lang mit jedem der drei Kusstalente liiert und musste feststellen, dass sich das Wunder des oralen Liebesaktes nie mehr wiederholen ließ. Im Gegenteil.
Es ist traurig, aber wahr: Nachdem wir erst miteinander geschlafen hatten, ist es mir nie wieder gelungen, mit einem Mann regelrechte Kussfestspiele zu veranstalten ? und frönten wir vorher auch noch so sehr den ausgiebigsten, intensivsten Knutschereien. Daran hat sich leider bis heute nichts geändert.
Ich habe wirklich einiges versucht, um die heißen Vereinigungen von Mund zu Mund immer wieder mal zu provozieren. Aber es geht nicht: Überrasche ich meinen Liebsten zu Gegebenheiten, an denen kein Sex möglich ist, mit heißen Küssen, dann würgt er das Lippenspiel ab, indem er sich »zusammenreißt« und einfach aufhört, mit Inbrunst zurückzuküssen. Nichts bringt ihn wieder in Stimmung ? keine Chance. Befinden wir uns hingegen in sexfreundlichen Gefilden, dann knutscht er zwar freudvollst, geht aber nach spätestens 5 Minuten zusätzlich zum handfesteren Vorspiel über. Und obwohl wir ja schon damals, als wir »nur« küssen konnten, unsere Hände beileibe nicht in der Reinigung abgegeben hatten, ist es nun etwas völlig anderes. Erstens sind 5 Minuten nun mal keine Stunde und zweitens weiß der Liebste inzwischen ganz genau, wie er mich auf effektivste Art schnell heiß machen kann.
Doch da baut sich keine Phantasie mehr auf, schon gar nicht werde ich allein durch intensives, hingebungsvolles, selbstvergessenes Knutschen so verrückt gemacht, bis ich es kaum mehr aushalte... wie früher eben. Nein, der Liebste nimmt das Ruder in die Hand und ich, das begehrte Weib, werde umgeworfen, ausgezogen und geliebt. Auch sehr schön, gar keine Frage. Ich liebe den Sex mit ihm! Aber ich vermisse das Kribbeln und die sich bis ins Unermessliche steigernde Lust ohne effektives Hinarbeiten auf einen Orgasmus. Ich sehen mich nach diesem berauschenden, aufregenden Gefühl aus der Richtung meiner Magengrube - nicht aus dem Unterleib - das sich langsam aber stetig bis in die letzte Nervenzelle fortpflanzt, bis man glaubt, jede Sekunde explodieren zu müssen...
Allerdings sage ich mir immer wieder, dass ich ja schon allein deshalb keinen Grund habe, mich ernsthaft zu beschweren, weil mein Liebster mich ja schließlich immer noch richtig küsst ? wenn auch nicht in denselben Dimensionen wie vor unserer Sex-Premiere. Es ist kein Geheimnis, dass erschreckend viele leidenschaftliche Küsser innerhalb einer festen Beziehung zu ausgemachten Knutschmuffeln mutieren... Traurig!
Und trotzdem: Warum möchten die Herren der Schöpfung eigentlich keine Kussorgien mehr veranstalten, haben sie mit dem Weib ihres Herzens erst einmal geschlafen? Halten sie es für einen Rückschritt? Knutschen sie nur dann gern, wenn die Frau noch neu und unerforscht ist und sie ihr dementsprechend in einer Art Demut begegnen? Denken sie, sie müssen oder können sich nicht mehr beherrschen, ist der Bann um ihr bestes Stück erst einmal gebrochen? Schließlich kann mir niemand erzählen, dass ausgiebiges Küssen nicht auch für die Männer Genuss pur ist ? ich weiß es, ich war schließlich dabei.
Deshalb habe ich mir vorgenommen, meinen Liebsten zu meinem ? und seinem ? Glück zu zwingen. Ich werde mir einfach zum Geburtstag von ihm wünschen, dass er nur das macht, was ich will. Und dann werde ich mich solange mit ihm knutschen, bis uns beiden Hören und Sehen vergeht. Ich werde es genießen, dass er sich mal wieder sehr lange und sehr gefühlvoll auf meinen Mund konzentriert. Dass er Lippen und Zunge um den Mund herum auf Wanderschaft schickt: zu den Schläfen, den Wangen, den Augenlidern, den Ohren zu meiner Lieblingsstelle, dem Hals... und nicht gleich zu Brustwarzen und Muschi. Ich möchte, dass er seine Phantasie wieder mal einsetzt, dass er züngelt, knabbert, saugt, leckt, stupst und lutscht. Erst wenn ich vor Wonne schon vibriere, darf er in andere Regionen abschweifen, allerdings werden die üblichen Stellen auch dann noch tabu sein. Ich möchte seine Zunge mal wieder zwischen den Fingern und in der Achselhöhle, am Haaransatz und im Nacken spüren und zwar ausführlichstens. Natürlich wird später auch alles andere passieren ? wäre ja sonst die reine Verschwendung ? aber erst nach einem solch phantasmagorischen Erregungsspiel wie früher. Genau!
Ein heißer Tipp an die Herren der Schöpfung: Warten Sie nicht, bis die Frau Ihres Herzens einen solchen Geburtstagswunsch an Sie herantragen muss! Kehren Sie einfach immer mal wieder zu den wahnsinnig aufregenden, ausgiebigen, selbstvergessenen Knutschereien zurück, mit denen Sie Ihre Liebste damals in der Disko, im Auto, auf der Straße, im Hausflur oder sonst wo verzückt haben! Genießen Sie es, eine Frau liebevoll durch langes Küssen zu erregen: immer mehr und immer mehr und noch ein bisschen weiter... Verzichten Sie mal auf das übliche Triathlon Mund ? Brust ? Muschi und erforschen Sie mit Ihren Lippen die vielen erogenen Zonen, die so ein Weib außerdem noch naturgegeben mitbringt... Schwelgen Sie in dem Gefühl, dass die Liebste Wachs in Ihren Händen wird: heißes, zitterndes, hingebungsvolles Wachs...
Was dann hinterher noch passiert, wird sich mit Sicherheit finden. Aber eines ist gewiss: Diese Frau werden Sie so schnell nicht wieder los!
In freudiger Erwartung auf Ihre Meinungen und Abenteuer verbleibt bis zur nächsten Woche
Ihre Hannah Garbaty