Christo und Jeanne-Claude "Ein Werk der Freude und der Schönheit"

Der Central Park in Goldgelb: Davon haben Jeanne-Claude und Christo 25 Jahre lang geträumt. Um niemandem gefallen zu müssen zahlten sie das millionenschwere Kunstprojekt aus eigener Kasse.

Wie schon bei der Reichstagsverhüllung in Berlin mussten Christo und Jeanne Claude auch auf die Verwirklichung ihres aktuellen Kunstwerks "Die Tore" in ihrer Wahlheimat New York lange warten: Schon seit 1979 treibt die beiden die Vision um, den Central Park mit Tausenden goldgelber Stoffbahnen zu schmücken, die, an eigens errichteten Rahmen aufgehängt, über den gewundenen Fußwegen im Wind schwingen. Am Samstag soll es nun endlich soweit sein.

Ein Dach für den Central Park

600 Arbeiter werden dann die 7500 im Münsterland gewebten und in Sachsen genähten Bahnen aus safranfarbenem Nylon entrollen. Ein goldenes Dach für Spaziergänger, ein wogender Fluss für diejenigen, die den Central Park von den umliegenden Häusern aus betrachten - so beschreiben die Künstler auf ihrer Homepage, wie sie sich die Vollendung ihres Traums vorstellen.

Eine Botschaft ist nicht beabsichtigt. "Es ist ein Werk der Kunst, der Freude und Schönheit", sagte Jeanne-Claude im Januar in einem Interview. 16 Tage lang, bis einschließlich den 27. Februar, werden "Die Tore" für jedermann frei und kostenlos zugänglich sein.

Der verpackte Reichstag lockte 1995 in nur 14 Tagen fünf Millionen Besuchern an. Ob es dieses Mal mehr oder weniger werden, kümmert das Künstlerpaar nach eigenen Angaben wenig: "Wenn die Leute es genießen und schätzen, dann ist das nur ein Bonus", sagte Jeanne-Claude. In einem Interview mit dem Kunstmagazin "Eye-level" verglich sie ihre und Christos Werke einmal mit gemeinsamen Kindern: Wenn Eltern von anderen hörten, sie hätten ein schönes Kind, so freuten sie sich natürlich, "aber jedem ist klar, dass sie das Kind nicht bekommen haben, damit es anderen Leuten gefällt."

Um niemandem gefallen zu müssen, bezahlen Christo und Jeanne-Claude "Die Tore" wie auch alle ihre bisherigen Projekte aus der eigenen Tasche. Private Sponsoren lehnen die Künstler ebenso ab wie öffentliche Zuschüsse oder Stiftungsgelder, sie finanzieren sich ausschließlich über den Verkauf von Arbeitsskizzen und Collagen sowie Modellen, frühen Werken aus den 50er und 60er Jahren und Originallithographien von anderen Projekten.

Bilder von dem fertigen Projekt verkauft das Paar nicht, deshalb malte Christo in den letzten Wochen bis zu 21 Stunden am Tag, wie Jeanne-Claude kürzlich der "Frankfurter Rundschau" sagte. Fotos von den vollendeten Werken darf ausschließlich ihr Exklusiv-Fotograf, der Deutsche Wolfgang Volz, vertreiben, was nach der Reichstagsverhüllung in Berlin zu einem bösen Streit führte: Damals untersagten Christo und Jeanne-Claude nämlich nicht nur den Verkauf anderer Fotos in Form von Postkarten oder Kalendern, sondern forderten auch Gebühren für die nachträgliche Verbreitung von Presse- oder Fernsehbildern, etwa in Jahresrückblicken.

"Die Kunst mit vollen Zügen genießen"

Darf ein Künstler einen öffentlichen Ort wie den Reichstag - oder jetzt den Central Park - derart in Beschlag nehmen? Diese Frage löste damals eine heftige Debatte aus. Fairerweise muss allerdings gesagt werden, dass Christo und Jeanne-Claude selbst an dem Verkauf der Fotos nichts verdienen. Ihr Verzicht auf eine Beteiligung hängt wohl damit zusammen, dass sie die Vergänglichkeit als untrennbaren Bestandteil ihrer Werke betrachten. "Ihre kurze Lebenszeit verleiht ihnen besondere Kostbarkeit und schafft einen Drang, die Kunst mit vollen Zügen zu genießen, so lange wir es können", heißt es auf ihrer Website.

Aus diesem Grund können Kunstfans nach Abschluss des Projekts im Central Park auch weder die aus Vinylrohr hergestellten Tore noch die safranfarbenen Vorhänge erwerben. Nur ein Schnipselchen von dem Nylongewebe können Besucher erhalten, wenn sie rechtzeitig im Central Park erscheinen: Eine Million eigens zu diesem Zweck hergestellte Stoffstückchen werden kostenlos verteilt. Die tatsächlich in den Toren verwendeten Materialien sollen dagegen komplett recycelt werden.

Es darf kein Ast beschädigt werden

Darüberhinaus haben sich die Künstler in einem Vertrag mit der Parkverwaltung dazu verpflichtet, für ihr Projekt auch nicht einen Ast zu krümmen. Entgegen der ursprünglichen Pläne werden die Tore nicht in den Erdboden versenkt, sondern in eigens dafür aufgestellten Stahlblöcken verankert, so dass auf den Parkwegen keine Löcher entstehen.

Dass die Stadt New York "Die Tore" rund 25 Jahre nach der Ablehnung des ersten Antrags überhaupt zuließ, ist ihrem neuen Bürgermeister Michael Bloomberg zu verdanken. Der war schon 1980 für das Projekt und hat es, genau wie die Künstler, nicht vergessen. Und er hofft nach eigenen Angaben auf "eine enorme Zahl von Touristen". Die städtische Wirtschaftsförderung erwartet von den "Toren" zusätzliche wirtschaftliche Impulse in Höhe von 80 Millionen Dollar (62,7 Millionen Euro).

Und was bedeutet es für die Künstler, über 40 Jahre nach ihrer Ankunft in New York erstmals in ihrer Heimatstadt arbeiten zu können? "Es ist das erste Mal, dass wir ein Projekt ohne Jetlag umsetzen können", sagt Jeanne-Claude.

AP
Barbara Schäder/AP