Friedrich Christian Flick "Kunst hat Kraft"

Der Sammler Friedrich Christian Flick, Schirmherr der Aktion SOS-Kunststück, spricht über Kinder, Kunst und Familie.

Herr Flick, Sie sind Schirmherr der Internet-Versteigerung SOS-Kunststück. Warum machen Sie mit?

Ich hatte ein sehr glückliches Elternhaus, und ich sehe auch das meiner Kinder als glücklich an. Das ist aber vielleicht nicht die Norm. Und deshalb finde ich: SOS Kinderdorf ist eine wunderbare Einrichtung. Sie gibt Kindern ohne Eltern ein Zuhause. Und nicht nur das, sie versucht auch, diese Kinder in allen Bereichen zu fördern. Deshalb habe ich mich der Sache sehr gern verschrieben. Vor allem seit ich selbst Kinder habe, ist mir bewusst geworden, dass man sich für soziale Dinge einsetzen muss - besonders für Kinder, denn die sind doch unsere Zukunft. Nicht nach dem Motto: Jetzt gehst du einmal zu einer Charity-Veranstaltung und kaufst dein Gewissen frei. Das ist auch gut. Aber ich will mehr. Ich glaube, dass wir mit dieser Auktion etwas erreichen können.

Mit Kunst?

Ja. Kunst hat ungeheure Kraft. Und diese Auktion ist eine ganz neue Sache, weil die Kunstwerke vom Preis getrennt werden. Keiner weiß ja, wer welches Bild gemalt hat. Das finde ich toll! Als Sammler bin ich natürlich Teil des Kunstmarktes und der Kunstszene. Und wir alle wissen, wie kommerziell es da zugeht. Jeder Künstler wird auf dem freien Markt mit einem gewissen Geldwert belegt: Das ist ein Richter, das ist ein Gursky und so weiter. Hier, beim SOS-Kunststück, ist alles anders. Hier steht die Kunst für sich.

Wird es Überraschungen geben? Hohe Preise für Bilder unbekannter Künstler, Dumpingpreise für Stars der Szene?

Bestimmt. Der Kunstsachverständige kann vielleicht einige Bilder ihren Autoren zuordnen. Aber neunzig Prozent werden nicht erkannt werden, und dieser Gedanke gefällt mir.

Sie haben drei Kinder, sind geschieden und viel unterwegs. Wie wachsen Ihre Kinder auf?

Alexander ist 17, Moritz 14, beide sind in englischen Schulen. Und dann habe ich eine behinderte Tochter. Sie ist 15 Jahre alt und hat Mikrozephalie. Das haben wir bei der Geburt gar nicht gemerkt, erst als sie acht Monate alt war. Sie ist ein wunderbares Kind, das besonderen Schutz braucht. Wir geben ihre unsere Liebe und haben Gott sei Dank auch die finanziellen Möglichkeiten, sie zu fördern. Ich habe ein hervorragendes Verhältnis zu meiner Ex-Frau, für die Kinder sind wir eine Familie.

Lebt Ihre Familie mit Kunst?

Ja. Seit Jahren kriegen die Kinder zu Weihnachten von mir Kunstwerke geschenkt, so dass sie langsam ihre eigene kleine Sammlung haben. Meinem älteren Sohn habe ich einmal einen Bronze-Fußball von Jeff Koons geschenkt. Der Kleine hat Hände von Bruce Nauman bekommen. Ich erkläre ihnen dann immer genau, was es ist. Ich schätze auch den Schweizer Roman Signer sehr mit seinen Aktionen und Explosionen. So muss man Kinder spielerisch an die Kunst heranführen: Indem man ihnen etwa eine Fotografie schenkt, in der etwas durch die Luft fliegt. Da sind sie erst mal fasziniert.

Sie haben ein Bild aus Ihrer rund 2000 Werke umfassenden Sammlung für die SOS-Auktion gestiftet, eine Arbeit der Schweizer Künstler Fischli & Weiss. Ist Ihnen die Trennung schwer gefallen? Oder kaufen Sie einfach ein neues Bild?

Ich habe eine umfangreiche Fischli & Weiss-Sammlung, und es ist ja nur ein einziges Werk, das ich abgebe. Das tut der Sammlung nicht weh, hilft auf der anderen Seite aber sehr viel.

Warum grade dieses Bild?

Ich darf ja nicht zu viel verraten, damit man es nicht erkennt. Aber es ist ein sehr romantisches, verschwommenes Bild, zwischen Abstraktion und Konkretem. Es spricht, so glaube ich, jeden an, Kinder und Erwachsene. Ein ähnliches Bild habe ich meiner Tochter geschenkt.

Haben Sie vor, Ihr Bild zurück zu steigern?

Ganz klar: Wenn es unter Preis wegzugehen droht, dann steigere ich mit. Aber nicht unbedingt, um es wieder zu bekommen, sondern einfach, um möglichst viel Geld für die SOS Kinderdörfer zu erzielen.

Was wäre denn ein angemessener Preis für dieses Bild?

Das möchte ich nicht sagen. Sicher nicht der eine Euro, für den jedes Bild zu Beginn der Auktion angeboten wird.

Haben Sie schon mal bei eBay gesteigert?

Noch nie. Aber wie die Auktion funktioniert, werde ich schon noch herausfinden.

Die Erlöse aus der SOS-Kunstauktion kommen einem Kinderdorf in Mosambik zugute. Manuel, eines der Kinder, die dort aufgewachsen, ist inzwischen selbst Künstler. Auch von ihm kann man ein Gemälde ersteigern.

Seine Kunst war für ihn die Rettung. Er hat seine Eltern im Bürgerkrieg verloren und den Schmerz in seinen Bildern verarbeitet. Das hat ihm sehr geholfen. Heute ist er ein selbstbewusster junger Mann. Das ist toll an den SOS Kinderdörfern, dass sie die Kinder so zielgerichtet fördern.

Sie haben sich öffentlich über die geistige Verflachung in unserer Gesellschaft beklagt. Was genau meinen Sie damit?

Es gibt nicht nur ökonomische, sondern auch geistige Armut. An unseren Schulen werden im Augenblick die Fächer stark gefördert, die für unser ökonomisches Leben mehr bringen, während man die anderen stiefmütterlich behandelt. Kunststunden etwa werden oft gestrichen. Dabei glaube ich, dass Kunst für den Menschen eine ganz wesentliche Bedeutung hat.

Wie verhindern Sie, dass Ihre Kinder dem Computerwahn oder der Fernsehsucht verfallen?

Es ist unausweichlich, dass sie das machen. Aber man kann etwas dagegenstellen. Die Beschäftigung mit der Kunst lässt der Kreativität freien Raum. Wenn meine Kinder bei mir in London sind, dann gehen sie mit mir in die Museen.

Und murren nicht?

Nein. Ich mache das natürlich kinderverträglich und schleppe sie nicht von morgens bis abends rum.

Sie werden Ihre Sammlung in den nächsten sieben Jahren in Berlin zeigen. Können Sie sich vorstellen, dass Sie dort Kinder durch Ihre Sammlung führen?

Ja, auf jeden Fall. Aber ich glaube, dass Kinder und Erwachsene da gar nicht so verschieden sind. Wenn ich ein tolles Werk sehe, dann stehe ich genauso neugierig und staunend davor wie ein Kind.

Wird die Kunst jemals so viele Menschen begeistern können wie Dieter Bohlen?

Natürlich nicht. Aber wenn von 100 Leuten, die Dieter Bohlen gut finden, sich nur fünf für anspruchsvollere Kunst begeistern würden, dann wäre das schon was. Und diese fünf, die überzeugen dann wieder andere.

Seit wann sammeln Sie Kunst?

Ich bin nicht als Sammler geboren. Irgendwann hat die Kunst bei mir einfach den häuslichen Rahmen gesprengt, und ich habe trotzdem weiter gekauft. Das ist ja eigentlich unvernünftig. Man macht es trotzdem, und da ist man auf einmal Sammler geworden. Man merkt es eigentlich gar nicht.

Ist die Nähe zu den Künstlern ähnlich wichtig für Sie wie die Kunst?

Bestimmt. Mir macht es einfach Spaß, dabei zu sein. Einigen Künstlern gebe ich auch eine Plattform. Mit manchem bin ich befreundet. Ich habe ein Haus in Gstaad, und oberhalb noch eine Hütte, die habe ich wie einen Zen Tempel ausgebaut. Da gehen wir oft mit den Künstlern hoch und führen wunderbare Gespräche. Das ist ein großes Privileg, es verwöhnt aber auch sehr. Sagen wir mal so: Vom früheren Bekanntenkreis sind einige aussortiert worden. Da hat sich viel verändert. Es geht bis zur Wahl der Partnerin. Wenn die nicht in die gleiche Welt eintauchen, sich nicht mit mir in dieser Welt bewegen kann, dann ist das für mich sehr schwierig, auch wenn sie noch so viele Reize hat.

Ihre Kunstsammlung sei nur ein Feigenblatt, wirft man Ihnen vor, um die unrühmliche Vergangenheit ihrer Familie zuzudecken: Ihr Großvater hat in seiner Fabrik Zwangsarbeiter beschäftigt.

Da gibt es nichts zu beschönigen: Was mein Großvater im Dritten Reich getan hat, das war Unrecht. Dafür ist er verurteilt worden, das war Recht. Aber: Was ist denn falsch daran, dass ich der Familiengeschichte nun mit meiner Kunstsammlung eine neue Seite hinzufüge? Da sehe ich keinen Fehler.

Interview: Anja Lösel