Beinahe wäre Sarah Darwin nie Botanikerin geworden. Sie ist ein Kind der Stadt, wächst im London der 1960er und 70er Jahre auf, einem Schmelztiegel von Kunst und Musik. Sicher, da sind die beiden Avocadopflanzen "Avo" und "Cado", die sie als Kind liebevoll pflegt, die Ausflüge zum Cottage der Großeltern und Eltern an der Küste, wo sie am Wochenende segelt, schwimmt, durch die Wälder streift. Aber Botanikerin werden? Viel lieber zeichnet und liest Sarah Darwin. Einmal, da hält sie ein Referat über Charles Darwin und seine Reise mit der "Beagle", darf sich im Arbeitszimmer seines Wohnhauses, das längst zum Museum geworden ist, auf seinem mächtigen Schreibtischstuhl hin und her drehen. Vielleicht ahnte sie da schon, dass ihr Vorfahre anders war als Ahnen ihrer Schulkameradinnen. Dass er das ganze Weltbild seiner Zeit revolutioniert hatte. Aber offen spricht darüber in der Familie niemand, als sei das keine große Sache. Später besucht Sarah Darwin eine Kunsthochschule, lernt Farben zu mischen, die Illusion von Tiefe und Dreidimensionalität zu erzeugen. Ein Jahr lang malt sie Fenchel, immer und immer wieder, jahrelang fällt es ihr danach schwer, das Gemüse zu essen. Geld verdient sie mit Wandmalerei und dem Rahmen von Bildern.
Bis zu diesem einen Tag, der alles verändert. Sarah Darwin besucht ihren Bruder in Australien, steht dort mit Ende 20 zum ersten Mal im Regenwald, ist überwältigt vom explodierenden Leben. "Wenn man lange stillstand, glaubte man zu fast spüren, wie sich eine Pflanze an einem hochrankte oder eine Ameise auf dem Arm krabbelte – es war einfach unglaublich, wie lebendig der Wald war." Ihre Mutter zeigt Sarah Darwin einen Artikel mit jenen Zeilen, die Charles Darwin einst bei seinem ersten Besuch im Regenwald aufschrieb, 1832 war das. "Er beschrieb exakt, was ich fühlte – aber viel schöner, als ich es je ausdrücken könnte", sagt sie. "Die Geräusche, die Gerüche, die Bewegungen, wie es von Leben wimmelte." In diesem Moment begreift Sarah Darwin, wer ihr Ururgroßvater wirklich war, was ihn faszinierte und antrieb. Und ihr Leben nimmt eine neue Richtung.