Meinung Warum die Regierung mit ihrem "Beraterkreis Islamismus" einen Fehler macht

  • von Asif Malik
Moschee in Köln. Im "Beraterkreis Islamismus" fehlen Vertreter der Religionsgemeinschaften, meint unser Gastautor
Moschee in Köln. Im "Beraterkreis Islamismus" fehlen Vertreter der Religionsgemeinschaften, meint unser Gastautor
© Oliver Berg / DPA
Gut gewollt ist nicht immer gut gemacht – das denkt unser Gastautor über den neuen "Beraterkreis Islamismus" der Bundesregierung. Wie es besser gehen könnte.

Es gehört zu den stilleren Gesten einer Regierung, wenn sie einen neuen Beraterkreis einsetzt. Kein großer Auftritt, keine vielstimmigen Debatten – eher ein Verwaltungsakt, der im politischen Alltag schnell untergeht. Doch manchmal verraten solche stillen Entscheidungen mehr über den Kurs einer Regierung als jede Grundsatzrede.

Der neue "Beraterkreis Islamismus" ist ein solches Signal. Offiziell soll er der Bundesregierung helfen, Radikalisierung zu erkennen, Islamismus zu bekämpfen und gesellschaftliche Sicherheit zu stärken. Doch ein Blick auf seine Zusammensetzung wirft eine Frage auf, die schwerer wiegt als jede Pressemeldung: Warum verzichtet man in einem sicherheitspolitisch sensiblen Bereich ausgerechnet auf jene Menschen, die am meisten Erfahrung mitbringen – und am engsten mit den realen muslimischen Lebenswelten verbunden sind?

Asif Malik
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Der Autor

Asif Malik ist Dipl.-Betriebswirt und MBA. In Hamburg führt er als Unternehmer ein Immobilienmaklerbüro und eine Personalberatung. Ehrenamtlich engagiert er sich seit 20 Jahren im interreligiösen Dialog und ist Mitinitiator zahlreicher integrativer Projekte

Statt Religionsgemeinschaften, die institutionell verankert sind und die Mehrheit der organisierten Muslime repräsentieren, dominieren nun Einzelpersonen und Islamkritiker wie Ahmad Mansour, die öffentlich stark präsent sind, aber kaum praktische Verankerung in den Gemeindestrukturen besitzen. Der Staat zieht sich damit aus jenem Kooperationsprinzip zurück, das über Jahrzehnte seine Integrations- und Religionspolitik getragen hat: Sicherheit entsteht mit den Menschen, nicht über ihre Köpfe hinweg.

"Beraterkreis Islamismus" ist falsch besetzt

Dieser Bruch mit der eigenen Logik ist bemerkenswert. Denn wer Gesellschaftspolitik ernst nimmt, weiß: Reformen, Prävention und Aufklärung funktionieren nur dort, wo sie Anschluss finden. Es wäre, als wolle man eine Bildungsstrategie entwickeln, ohne die Direktoren der Schulämter und Bezirksregierungen einzubeziehen – eine Übung, die intellektuell möglich, aber praktisch steril bleibt. Die Bundesregierung hat nun ein Gremium geschaffen, das ohne die wichtigsten Träger muslimischer Infrastruktur arbeiten soll, aber gleichzeitig Empfehlungen für genau diese Infrastruktur aussprechen wird. Das ist, höflich formuliert, eine politische Konstruktion mit eingebautem Vertrauensdefizit.

Gleichzeitig entsteht ein zweiter, politisch brisanter Effekt: Der Diskurs über Muslime, Islam und Radikalisierung wird erneut in ein akademisches Schaufenster verschoben. Es sind jetzt vor allem Stimmen vertreten, die sich medienwirksam äußern, aber nicht jene, die Tag für Tag mit Jugendlichen, Familien und Gemeinden arbeiten. Der Ton wird dadurch abstrakter, die Perspektiven theoretischer – und die Gefahr steigt, dass die eigentliche Zielgruppe aus dem Blick gerät: die Menschen, die Prävention brauchen und ermöglichen.

Fatal ist das vor allem deshalb, weil der gesellschaftliche Boden brüchiger wird. Die Fallzahlen zu islamistischer Gefahr mögen stagnieren oder leicht zurückgehen, doch die Stimmungslage in Deutschland kippt schneller, als Ministerien reagieren können. Die Gewalttat eines Zugewanderten wird oft generalisiert – die eines Einheimischen individualisiert. Medien loggen sich in diesen Rhythmus ein, soziale Netzwerke verstärken ihn. Die Folge: ein Klima, in dem Wahrnehmungen stärker zählen als Wirklichkeiten.

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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Gerade in einem solchen Moment bräuchte es einen Beraterkreis, der nicht Misstrauen verwaltet, sondern Vertrauen herstellt. Und Vertrauen entsteht nur dort, wo gesellschaftliche Gruppen das Gefühl haben, sich im Prozess wiederzufinden. Wenn jedoch ausgerechnet jene Organisationen fehlen, die mit ihren Moscheen, Bildungsangeboten und Sozialdiensten das Rückgrat muslimischer Alltagskultur bilden, entsteht ein symbolischer Leerraum: Die Mehrheit der Muslime soll Teil der Lösung sein, ohne Teil der Beratung zu sein.

Das ist nicht nur politisch unklug, sondern auch kommunikativ riskant. Denn es sendet eine doppelte Botschaft: erstens an die muslimische Community, dass man sie zwar adressiert, aber nicht ernsthaft beteiligt; und zweitens an die Mehrheitsgesellschaft, dass Muslime offenbar vor allem Objekt staatlicher Sicherheitsbetrachtung sind, nicht Partner gesellschaftlicher Verantwortung.

Verzicht auf jene, die unbequem, aber unverzichtbar wären

Hinzu kommt ein dritter Aspekt, der im aktuellen Diskurs zu kurz kommt: Prävention gegen Radikalisierung funktioniert nur mit langfristiger Bindung. Menschen vertrauen nicht dem Staat oder einem Gremium, sondern den Personen, die sie kennen – Sozialarbeitern, Gemeindevorständen, Religionspädagogen, Mentoren. Diese Netzwerke sind organisch gewachsen; sie lassen sich nicht per Regierungsbeschluss ersetzen. Ein Beraterkreis, der diese Realitäten ignoriert, beraubt sich der wichtigsten Ressource: Resonanzfähigkeit.

Die Bundesregierung hätte die Chance gehabt, ein Gremium zu schaffen, das Sicherheit, Vertrauen und fachliche Expertise zusammenführt. Stattdessen erzeugt sie den Eindruck, als wolle sie das Thema in einem medienkompatiblen Rahmen halten – unter Verzicht auf jene, die unbequem, aber unverzichtbar wären. Man spricht damit über die muslimische Realität, ohne sich ihr auszusetzen. Am Ende geht es um eine simple Frage: Will man Prävention, oder will man Symbolpolitik? Der neue Beraterkreis beantwortet sie unfreiwillig selbst.