Natürlich kann die Kabarettistin Monika Gruber, aufgewachsen auf einem Bauernhof im oberbayerischen Tittenkofen, den woken Wahnsinn auf die Schippe nehmen. Im "Cabaret", also in der Kneipe oder Schänke, darf der Ton rau sein, böse sogar, das hat eine reinigende Wirkung. Holt alle ab, die meinen: "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen."
Tatsächlich bietet die woke Bewegung reichlich Munition. Sie meint es gut, will die Welt gerechter machen. Aber das Gegenteil von gut ist nicht unbedingt böse, sondern gut gemeint, um es mit Gottfried Benn zu sagen: Den Eindruck hat man, wenn Fridays for Future eine Musikerin wegen angeblicher kultureller Aneignung auslädt (sie trug als weiße Frau Dreadlocks). Der Shitstorm blies den Aktivisten zu Recht ins Gesicht. Ohne Aneignung gibt es keine Kultur. Sie lebt davon. Deshalb dürfen Norddeutsche Dirndl tragen und Bayern Ostfriesentee trinken. Weiße dürfen selbstverständlich Gedichte von Schwarzen übersetzen. Romanautoren erfinden ja auch Frauenfiguren, in die sie sich einfühlen, ohne Frau zu sein. Und Autorinnen schaffen glaubwürdige Männercharaktere.
Nicht jeder Mensch (was für ein wundervolles Wort, weil es alle einschließt), der sich weigert zu gendern, hat etwas gegen ein drittes Geschlecht. Und wer aus Büchern rassistische Begriffe streichen will, verfälscht sie. Tatsächlich kommt das N-Wort den Figuren von Wolfgang Koeppen ("Tauben im Gras") verstörend oft und ungeniert über die Lippen. Aber in der Nachkriegszeit redeten viele Leute so.
Hauptsache, die Kasse stimmt
Ähnlich "verblendet" wie manche "Woke-Aktivisten" sind allerdings auch Leute, die glauben, in diesem Land nichts mehr sagen zu dürfen. Die sich mit Gruber im "falschen Film" wähnen. Und sich "Menschenverstand in hysterischen Zeiten" wünschen. Gruber ist nicht die Einzige, die dieser Klientel mit großem Erfolg nach dem Mund redet. Ihr Kollege Dieter Nuhr knöpfte sich 2020 die Autorin Alice Hasters vor. Sie hatte ein Buch geschrieben. "Was weiße Menschen über Rassismus nicht hören wollen, aber wissen sollten", heißt es. "Die Frau behauptet ernsthaft, als Weißer wäre ich automatisch Rassist", klagte Nuhr von der Bühne herab, obwohl er das Buch, wie er später zugeben musste, nicht mal gelesen hatte. Ein "Riesen-Renner" sei das Buch in den USA gewesen, sagte er. Dabei war es nicht mal ins Englische übersetzt worden. Peinlich? I wo.
Gruber und Nuhr kalkulieren den Tabubruch. Weil er Aufmerksamkeit garantiert und sich auszahlt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Beide lassen sich dafür feiern, dass sie angeblich die Wahrheit aussprechen, und zwar auch, wenn sie Fake News verbreiten. Hauptsache, die Kasse stimmt. Nach ihnen die Sintflut.
"Es gibt Leute, die werden mundtot gemacht. Das reicht bis zur Vernichtung von Existenzen", sagte Nuhr einmal. Wohl wahr. Gruber hat in ihrem neuen Buch eine bis dato völlig unbekannte Bloggerin als "wirre Tugendwächterin" vorgeführt, die "Schwurbelgut" verbreiten würde. Die Frau, deren vollen Namen Gruber nennt, hatte davor gewarnt, dass Rechtsextreme die textile Hobbyszene unterwandern würden. Nach Angaben ihres Anwalts bekam sie Hassmails und Morddrohungen. Peinlich? Sie habe "kein Unrechtsbewusstsein", sagte Gruber. Und legte nach: Die Frau sei doch viel schlimmer als sie. Weil sie alle Strickerinnen in die rechte Ecke drängen wolle. Das allerdings hatte die Bloggerin mit keinem Wort gesagt. Fake News? So what.
Kabarett darf gemein sein
So weit ist es gekommen: Menschen, die vor Rechtsextremen warnen, werden als wirre Tugendwächter verunglimpft. In einem Land, in dem die rechtsextreme Terrorzelle NSU aus dem Untergrund heraus über Jahre zehn Morde, 15 Raubüberfälle und drei Sprengstoffanschläge verüben konnte, unter anderem, weil Beate Zschäpe als Frau die Tarnung ihrer Komplizen Mundlos und Böhnhardt perfekt machte. Neonazis würden "tendentiell als Männer gedacht, szenezugehörige Frauen eher als deren Anhängsel", warnt die Bundeszentrale für politische Bildung. Gerade "im ländlichen Raum" greife diese Strategie.
Kabarett darf gemein sein, sollte aber einen wahren Kern haben. Sonst wird sie zu Hetze, die tatsächlich Existenzen vernichtet.