Vor neun Jahren wird Nina Fuchs mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt. Heute kämpft die 38-Jährige mit ihrem Verein "K.O. – Kein Opfer e.V" für Opfer sexualisierter Gewalt. Im stern-Gespräch erzählt sie von ihrer traumatischen Erfahrung und was sich in Deutschland dringend ändern muss.
Betroffene berichtet Betäubt, vergewaltigt, von der Polizei im Stich gelassen: Heute kämpft Nina für Missbrauchsopfer

Betäubt, vergewaltigt, von der Polizei im Stich gelassen: Heute kämpft Nina Fuchs für Opfer sexualisierter Gewalt
© Sven Hoppe/ / Picture Alliance
Sehen Sie im Video: Betäubt, vergewaltigt, von der Polizei im Stich gelassen – heute kämpft Nina Fuchs für Missbrauchsopfer.
Vor neun Jahren wird Nina Fuchs mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt. Was die damals 29-Jährige danach bei der Polizei erlebt, gleicht einer Tortur. Heute kämpft Nina Fuchs mit ihrem Verein „K.O. – Kein Opfer e.V“ für Opfer sexualisierter Gewalt. Im Interview erzählt sie, was sich in Deutschland im Umgang mit traumatisierten Menschen dringend ändern muss.
Nina Fuchs wurde vor neun Jahren mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt.
Für die damals 29-Jährige beginnt eine Tortur – denn nicht nur das Erlebnis wirkt traumatisierend auf sie.
Ich habe damals sehr unschöne Erfahrungen auch gemacht mit der Polizei. Und später auch mit der Justiz. Für mich war es damals so, dass ich sehr Vieles nicht wusste. Also ich kannte zum Beispiel keine Beratungsstellen oder Hilfsorganisationen im Vorfeld. Die mich zum Beispiel auch zur Polizei begleitet hätten, was mir glaube ich dieses Trauma, was ich bei der Polizei erlebt habe, erspart hätte. Und das sind so Sachen, die ich einfach im Nachhinein gerne früher gewusst hätte. Und ansonsten war es für mich damals so, dass ich. Also meine Strategie war damals wirklich, so in den totalen Kampfmodus zu gehen und auf keinen Fall ein Opfer sein zu wollen.
Nina Fuchs fühlt sich völlig allein gelassen.
Die Erleichterung ist groß, als nach fünf Jahren der mutmaßliche Täter anhand von DNA-Spuren gefasst wird.
Trotzdem stellt die Staatsanwaltschaft München das Verfahren ein und der Mann kommt frei.
Mit der Polizei damals war eigentlich der Grund, warum es für mich eine so traumatisierende Erfahrung war, dass mit dort nicht geglaubt wurde. Und ich bin so aufgewachsen, Polizei dein Freund und Helfer. Und hatte davor auch schon positive Erfahrungen gemacht, mit der Polizei. Aber in der schlimmsten, größten Notsituation meines Lebens, als ich mich da an diesen vermeintlichen Freund und Helfer gewendet habe, habe ich eigentlich einen Schlag ins Gesicht bekommen. Also für mich war das wirklich ganz schrecklich, dass mir nicht geglaubt wurde. Und das Schlimme war dann auch noch, dass aufgrund der langen Zeitspanne, diese K.O.-Tropfen nicht mal mehr nachweisbar waren. Was ich mir so gewünscht hatte, einfach nur um der Polizei zu beweisen, dass ich keine Lügnerin bin.
Der Münchnerin wird durch ihr Erlebnis klar, wie es vielen Opfern sexualisierter Gewalt gehen muss.
Ihr Entschluss steht fest: Sie möchte einen Verein für Opfer sexualisierter Gewalt gründen.
Am 12.12.2020 ist es soweit.
Und mir wurde ja auch damals wortwörtlich gesagt, dass mit den K.O-Tropfen gibt es eigentlich gar nicht, das wird nur von den Medien so aufgebauscht. Was auch ein Grund war, weshalb ich überhaupt mit der Öffentlichkeitsarbeit angefangen habe, weil ich einfach gemerkt habe, da herrscht total viel Unwissen vor. Und um das Thema K.O-Tropfen, da muss echt viel viel besser informiert werden. Und auch heute ist das Thema K.O.-Tropfen ein Schwerpunkt-Thema bei uns im Verein.
2020 wurden 81.630 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland polizeilich erfasst.
Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher.
K.O. Kein Opfer e.V. leistet vor allem Aufklärungs- und Präventionsarbeit.
Mir ist es immer sehr wichtig zu betonen, dass wir keine Beratungs- und Opferhilfestelle sind. Sondern, was wir machen, ist Aufklärungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Präventionsarbeit. Einfach um diesem Thema diesen Raum zu geben, der es aufgrund der Größe des Problems verdient hat. Und dass das endlich ernst genommen wird. Bei der Prävention ist natürlich eine Zielgruppe die jungen Leute. Gerade auch im Hinblick auf K.O-Tropfen, weil das auch die Leute sind, die Feiern gehen und dann potentiell leichter einfach Opfer werden.
Eine wichtige Forderung des Vereins: Eine Ergänzung des aktuellen Sexualstrafrechts in Deutschland um den Zusatz „Nur Ja heißt Ja!“.
Jetzt ist es eben eine Vergewaltigung, wenn ich mich körperlich dagegen gewährt habe oder deutlich Nein gesagt habe. Das Problem daran ist, dass es sehr oft Situationen gibt, in denen ich nicht Nein sagen kann. Das ist eine ist natürlich total offensichtlich, so etwas wie K.O-Tropfen oder wenn man gerade irgendwie ohnmächtig ist oder so. Aber es gibt auch total viele Situationen, wo man einfach in einer Art Schockstarre ist. Ich selber habe es auch schon richtig oft erlebt, dass ich das vorher kommuniziert habe, dass ich kein Sex möchte. Und dann aber in der Situation nichts mehr anderes machen konnte, als einfach nur daliegen wie tot. Genau das ist das Problem und der springende Punkt, dass jetzt nach unserem Gesetz Passivität als Zustimmung gewertet werden kann. Und genau das möchten wir ändern und das ist dieses „Ja heißt Ja“.
Den Ratschlag, man brauche beim Feiern ja nur auf sein Glas aufpassen, hält die 38-Jährige für Schwachsinn.
Also, das wurde auch schon in so Tests für das Fernsehen nachgestellt. Da kann man auch nüchtern sein, wenn das einfach jemand gezielt vor hat. Das sind Bruchteile von Sekunden, wo man da einfach in ein Gespräch verwickelt ist, sein Gegenüber anschaut und es nicht mitbekommt. Außerdem schiebt es mal wieder halt die ganze Verantwortung den Opfern zu. Dass man dann sagen kann, hättest du mal besser auf dein Glas aufgepasst, dann wäre das alles nicht passiert.
Die Übersetzerin erzählt, dass Opfer sexualisierter Gewalt auch positive Erfahrungen mit Polizei und Justiz machen.
Doch die Regel scheint eine andere zu sein.
SO von dem, was wir mitbekommen, ist es leider so, dass in den meisten Fällen irgendwo an irgendeiner Stelle etwas gravierend schief läuft und zu sekundären Traumatisierungen führt. Das kann dann sein, dass das durch die Polizei passiert. Es kann sein, dass das durch die Justiz, im Gerichtssaal passiert. Es kann aber auch sein, dass das durch die Gesellschaft passiert, weil dieses Thema Victim Blaming leider ein ganz großes Problem ist. Also das wäre zum Beispiel ein ganz wichtiger Punkt, dass alle, die in diesem Bereich arbeiten, ganz explizit geschult werden zum Thema Trauma. Man kann nämlich seinen Job gar nicht kompetent ausführen, wenn man sich nicht mit dem Thema Trauma auskennt.
Nina Fuchs macht ihr Ehrenamt mit viel Herzblut.
Alle Spenden fließen direkt in neue Projekte. Deswegen muss die Münchnerin nebenbei als Übersetzerin arbeiten.
Am liebsten würden sie den Verein hauptberuflich betreiben, um noch mehr Zeit in das wichtige Thema zu stecken.
Denn eines ist für die 38-Jährige klar: Damit Opfer sexualisierter Gewalt sich nach den schrecklichen Taten gut aufgehoben fühlen, muss sich in Deutschland noch einiges tun.
Weil ich nämlich glaube, dass das tatsächlich eine Verkettung ist und eines das andere bedingt. Also wenn sich in unseren Gesetzen etwas verändert, was definitiv dringend notwendig ist. Und damit meine ich jetzt nicht nur diesen Konsens-Grundsatz, der da rein muss. Sondern auch ganz viel in den Strukturen. Die sind nämlich leider sehr, sehr opferfeindlich ausgerichtet, also die ganzen Fristen und so. Das ganze System ist eigentlich so aufgebaut, als hätte man es nicht mit traumatisierten Menschen zu tun. Wenn die Politik und die Gesetze und von offizieller staatlicher Seite die gröbsten Hürde sage ich mal beseitigt sind, könnte ich mir vorstellen, dass das dann wieder einen Einfluss hat auf die Gesellschaft. Weil im Endeffekt ist es auch ganz wichtig, was die Gesellschaft denkt. Solange hier immer wieder diese Mythen reproduziert werden, dass die Hälfte aller Anzeigen bei Vergewaltigungen sind Falschbeschuldigungen. WO man halt genau weiß, wenn man das riesige Dunkelfeld mit einbezieht, die so marginal sind, dass man die fast vernachlässigen kann.
Vor neun Jahren wird Nina Fuchs mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt. Was die damals 29-Jährige danach bei der Polizei erlebt, gleicht einer Tortur. Heute kämpft Nina Fuchs mit ihrem Verein „K.O. – Kein Opfer e.V“ für Opfer sexualisierter Gewalt. Im Interview erzählt sie, was sich in Deutschland im Umgang mit traumatisierten Menschen dringend ändern muss.
Nina Fuchs wurde vor neun Jahren mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt.
Für die damals 29-Jährige beginnt eine Tortur – denn nicht nur das Erlebnis wirkt traumatisierend auf sie.
Ich habe damals sehr unschöne Erfahrungen auch gemacht mit der Polizei. Und später auch mit der Justiz. Für mich war es damals so, dass ich sehr Vieles nicht wusste. Also ich kannte zum Beispiel keine Beratungsstellen oder Hilfsorganisationen im Vorfeld. Die mich zum Beispiel auch zur Polizei begleitet hätten, was mir glaube ich dieses Trauma, was ich bei der Polizei erlebt habe, erspart hätte. Und das sind so Sachen, die ich einfach im Nachhinein gerne früher gewusst hätte. Und ansonsten war es für mich damals so, dass ich. Also meine Strategie war damals wirklich, so in den totalen Kampfmodus zu gehen und auf keinen Fall ein Opfer sein zu wollen.
Nina Fuchs fühlt sich völlig allein gelassen.
Die Erleichterung ist groß, als nach fünf Jahren der mutmaßliche Täter anhand von DNA-Spuren gefasst wird.
Trotzdem stellt die Staatsanwaltschaft München das Verfahren ein und der Mann kommt frei.
Mit der Polizei damals war eigentlich der Grund, warum es für mich eine so traumatisierende Erfahrung war, dass mit dort nicht geglaubt wurde. Und ich bin so aufgewachsen, Polizei dein Freund und Helfer. Und hatte davor auch schon positive Erfahrungen gemacht, mit der Polizei. Aber in der schlimmsten, größten Notsituation meines Lebens, als ich mich da an diesen vermeintlichen Freund und Helfer gewendet habe, habe ich eigentlich einen Schlag ins Gesicht bekommen. Also für mich war das wirklich ganz schrecklich, dass mir nicht geglaubt wurde. Und das Schlimme war dann auch noch, dass aufgrund der langen Zeitspanne, diese K.O.-Tropfen nicht mal mehr nachweisbar waren. Was ich mir so gewünscht hatte, einfach nur um der Polizei zu beweisen, dass ich keine Lügnerin bin.
Der Münchnerin wird durch ihr Erlebnis klar, wie es vielen Opfern sexualisierter Gewalt gehen muss.
Ihr Entschluss steht fest: Sie möchte einen Verein für Opfer sexualisierter Gewalt gründen.
Am 12.12.2020 ist es soweit.
Und mir wurde ja auch damals wortwörtlich gesagt, dass mit den K.O-Tropfen gibt es eigentlich gar nicht, das wird nur von den Medien so aufgebauscht. Was auch ein Grund war, weshalb ich überhaupt mit der Öffentlichkeitsarbeit angefangen habe, weil ich einfach gemerkt habe, da herrscht total viel Unwissen vor. Und um das Thema K.O-Tropfen, da muss echt viel viel besser informiert werden. Und auch heute ist das Thema K.O.-Tropfen ein Schwerpunkt-Thema bei uns im Verein.
2020 wurden 81.630 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland polizeilich erfasst.
Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher.
K.O. Kein Opfer e.V. leistet vor allem Aufklärungs- und Präventionsarbeit.
Mir ist es immer sehr wichtig zu betonen, dass wir keine Beratungs- und Opferhilfestelle sind. Sondern, was wir machen, ist Aufklärungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Präventionsarbeit. Einfach um diesem Thema diesen Raum zu geben, der es aufgrund der Größe des Problems verdient hat. Und dass das endlich ernst genommen wird. Bei der Prävention ist natürlich eine Zielgruppe die jungen Leute. Gerade auch im Hinblick auf K.O-Tropfen, weil das auch die Leute sind, die Feiern gehen und dann potentiell leichter einfach Opfer werden.
Eine wichtige Forderung des Vereins: Eine Ergänzung des aktuellen Sexualstrafrechts in Deutschland um den Zusatz „Nur Ja heißt Ja!“.
Jetzt ist es eben eine Vergewaltigung, wenn ich mich körperlich dagegen gewährt habe oder deutlich Nein gesagt habe. Das Problem daran ist, dass es sehr oft Situationen gibt, in denen ich nicht Nein sagen kann. Das ist eine ist natürlich total offensichtlich, so etwas wie K.O-Tropfen oder wenn man gerade irgendwie ohnmächtig ist oder so. Aber es gibt auch total viele Situationen, wo man einfach in einer Art Schockstarre ist. Ich selber habe es auch schon richtig oft erlebt, dass ich das vorher kommuniziert habe, dass ich kein Sex möchte. Und dann aber in der Situation nichts mehr anderes machen konnte, als einfach nur daliegen wie tot. Genau das ist das Problem und der springende Punkt, dass jetzt nach unserem Gesetz Passivität als Zustimmung gewertet werden kann. Und genau das möchten wir ändern und das ist dieses „Ja heißt Ja“.
Den Ratschlag, man brauche beim Feiern ja nur auf sein Glas aufpassen, hält die 38-Jährige für Schwachsinn.
Also, das wurde auch schon in so Tests für das Fernsehen nachgestellt. Da kann man auch nüchtern sein, wenn das einfach jemand gezielt vor hat. Das sind Bruchteile von Sekunden, wo man da einfach in ein Gespräch verwickelt ist, sein Gegenüber anschaut und es nicht mitbekommt. Außerdem schiebt es mal wieder halt die ganze Verantwortung den Opfern zu. Dass man dann sagen kann, hättest du mal besser auf dein Glas aufgepasst, dann wäre das alles nicht passiert.
Die Übersetzerin erzählt, dass Opfer sexualisierter Gewalt auch positive Erfahrungen mit Polizei und Justiz machen.
Doch die Regel scheint eine andere zu sein.
SO von dem, was wir mitbekommen, ist es leider so, dass in den meisten Fällen irgendwo an irgendeiner Stelle etwas gravierend schief läuft und zu sekundären Traumatisierungen führt. Das kann dann sein, dass das durch die Polizei passiert. Es kann sein, dass das durch die Justiz, im Gerichtssaal passiert. Es kann aber auch sein, dass das durch die Gesellschaft passiert, weil dieses Thema Victim Blaming leider ein ganz großes Problem ist. Also das wäre zum Beispiel ein ganz wichtiger Punkt, dass alle, die in diesem Bereich arbeiten, ganz explizit geschult werden zum Thema Trauma. Man kann nämlich seinen Job gar nicht kompetent ausführen, wenn man sich nicht mit dem Thema Trauma auskennt.
Nina Fuchs macht ihr Ehrenamt mit viel Herzblut.
Alle Spenden fließen direkt in neue Projekte. Deswegen muss die Münchnerin nebenbei als Übersetzerin arbeiten.
Am liebsten würden sie den Verein hauptberuflich betreiben, um noch mehr Zeit in das wichtige Thema zu stecken.
Denn eines ist für die 38-Jährige klar: Damit Opfer sexualisierter Gewalt sich nach den schrecklichen Taten gut aufgehoben fühlen, muss sich in Deutschland noch einiges tun.
Weil ich nämlich glaube, dass das tatsächlich eine Verkettung ist und eines das andere bedingt. Also wenn sich in unseren Gesetzen etwas verändert, was definitiv dringend notwendig ist. Und damit meine ich jetzt nicht nur diesen Konsens-Grundsatz, der da rein muss. Sondern auch ganz viel in den Strukturen. Die sind nämlich leider sehr, sehr opferfeindlich ausgerichtet, also die ganzen Fristen und so. Das ganze System ist eigentlich so aufgebaut, als hätte man es nicht mit traumatisierten Menschen zu tun. Wenn die Politik und die Gesetze und von offizieller staatlicher Seite die gröbsten Hürde sage ich mal beseitigt sind, könnte ich mir vorstellen, dass das dann wieder einen Einfluss hat auf die Gesellschaft. Weil im Endeffekt ist es auch ganz wichtig, was die Gesellschaft denkt. Solange hier immer wieder diese Mythen reproduziert werden, dass die Hälfte aller Anzeigen bei Vergewaltigungen sind Falschbeschuldigungen. WO man halt genau weiß, wenn man das riesige Dunkelfeld mit einbezieht, die so marginal sind, dass man die fast vernachlässigen kann.