Das Leben endet tödlich - diese schlichte Wahrheit wird gern verdrängt: Denn es ist unangenehm, sich mit Krankheit, Siechtum und mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen. Was aber soll geschehen, wenn es auf Leben und Tod geht, ein Mensch durch Unfall oder schwere Krankheit nicht mehr für sich selbst sprechen kann? Ideal wäre es, hätte der Betroffene vorgesorgt und seine Vorstellungen von einem menschenwürdigen Sterben artikuliert. Meist jedoch entscheidet nicht der Erkrankte: Angehörige, Ärzte und Richter müssen festlegen, ob und wie der Patient behandelt wird. Und unter welchen Umständen menschliches Leben enden soll.
Wer rechtzeitig und mit Sorgfalt eine so genannte Patientenverfügung abgefasst hat, erleichtert im Ernstfall Ärzten und Angehörigen, das Richtige zu tun. In diesem Dokument hält man schriftlich seine Wünsche und Vorstellungen vom Ablauf des eigenen Endes fest. Darin kann zum Beispiel detailliert stehen, was lebenswertes Leben für einen selbst genau bedeutet oder wie man sterben will, wenn man schwerstverletzt oder unheilbar krank ist. Prinzipiell muss der Arzt sich dem Willen des Patienten beugen, solange dieser keine - in Deutschland verbotene - aktive Sterbehilfe verlangt.
Doch nur die Hälfte der Deutschen weiß überhaupt, was ein solches Dokument wirklich ist, lediglich jeder Zehnte hat eines verfasst. Damit nicht genug: "Viele der derzeit existierenden Patientenverfügungen kann man in die Tonne treten", kritisiert Eugen Brysch, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, die sich als Schutzorganisation der Schwerstkranken und Sterbenden versteht. Oft seien die Dokumente sehr flüchtig und mit sehr allgemeinen Formulierungen abgefasst worden. Deshalb würden sie im Ernstfall kaum weiterhelfen. Auch hält Brysch von Vordrucken nichts. Mehr als 150 verschiedene Formulare für Patientenverfügungen gibt es in Deutschland - manche liegen in Schreibwarenläden direkt neben den Muster-Mietverträgen. "Viel besser ist es, eine Verfügung persönlich aufzusetzen", sagt Brysch, "man sollte dafür ausführlich mit Angehörigen oder dem Hausarzt sprechen, was man in konkreten Situationen will - und was nicht. Für so eine Willenserklärung muss man sich zumindest so viel Zeit nehmen wie für die Planung von Urlaub oder Autokauf."
Professionelle
Unterstützung beim Verfassen des Dokumentes kann man unter anderem von der Deutschen Hospiz Stiftung bekommen, sofern man einen Mitgliedsbeitrag zahlt. In der Beratung werden ganz konkrete Krankheitssituationen durchgesprochen. Etwa: Wie wollen Sie medizinisch behandelt werden, wenn Sie im Wachkoma liegen? Oder wenn Sie an Demenz, einem unheilbaren Hirnschaden oder dem bleibenden Ausfall von Organen leiden? Wie lange möchten Sie therapiert werden? Soll alles medizinisch Mögliche unternommen werden, um Sie am Leben zu halten? Oder wollen Sie - beispielsweise - nicht über mehrere Monate künstlich ernährt werden?
Mehr Infos im Internet
http://www.dghs.de Dt. Gesellschaft für Humanes Sterben, auch telefonisch: 0821/50 23 50
www.hospize.de Dt. Hospiz Stiftung, erreichbar auch unter 0231/738 07 30
Buchtipp: Putz, W./Steldinger, B.: Patientenrechte am Ende des Lebens. dtv, 11 Euro
Bis heute gibt es keine verbindlichen rechtlichen Vorgaben, wie eine Patientenverfügung genau auszusehen hat. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte im Februar ihren eigenen Gesetzentwurf zurückgezogen, nachdem er von Ärzten und Vertretern der Hospizbewegung heftig kritisiert worden war. Die Frage, was höher einzuschätzen ist - die Selbstbestimmung des Patienten oder die lebenserhaltende Fürsorge für einen Kranken -, wird nach wie vor kontrovers diskutiert.

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Bis gesetzliche Rahmenbedingungen gesetzt sind, wird es noch dauern. Um tragische Fälle zu verhindern, in denen Angehörige über den Willen des Patienten erbittert streiten, muss also weiterhin jeder Einzelne mühsam vorsorgen. Die Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Susanne Dehmel, rät: "Setzen Sie sich mit dem Thema möglichst frühzeitig auseinander, auch wenn es schwer fällt." Eine einmal verfasste Patientenverfügung sollte zudem regelmäßig inhaltlich überprüft und mit Datum und Unterschrift neu bekräftigt werden.
Prinzipiell gilt: Jeder niedergeschriebene Ausdruck des eigenen Willens ist besser als nichts. Anika Geisler Selbst bestimmen, was am Ende geschehen soll Patientenverfügungen können ein Sterben In Würde sicherstellen. Wer darin ganz konkrete Vorstellungen äußert, hat gut vorgesorgt. Klare Worte - doch nur jeder zehnte Deutsche hat aufgeschrieben, was er im Falle einer unheilbaren Krankheit von Ärzten und Angehörigen erwartet