Mordprozess Hannas Eltern ziehen sich aus "Eiskeller"-Prozess zurück

Die Kammer wird von Hannas Eltern scharf kritisiert (Archiv). Foto: Felix Hörhager/dpa
Die Kammer wird von Hannas Eltern scharf kritisiert (Archiv). Foto
© Felix Hörhager/dpa
Zum zweiten Mal wird der Tod der Studentin Hanna vor Gericht verhandelt. Ihre Eltern ziehen sich nun aber aus dem Prozess zurück - resigniert und mit deutlicher Kritik am Landgericht Traunstein.

Es sind Worte voller Trauer, Bitterkeit und Resignation: "Meine Mandanten leiden unter dem Verlust ihrer von ihnen über alles geliebten Tochter Hanna sehr schwer", teilt der Anwalt von Hannas Eltern mit. 

Und sie hätten sich von dem Prozess um den Tod ihrer Tochter Aufklärung versprochen. Doch nun hätten sie "schmerzlich erfahren" müssen, dass ihre Tochter Hanna "für diese Strafkammer überhaupt keine Rolle mehr spielt". 

Eltern wollen keine Nebenkläger mehr sein

Mit diesen Worten ziehen sich die Eltern der vor drei Jahren im oberbayerischen Aschau ums Leben gekommenen Studentin Hanna überraschend aus dem gerade neu aufgerollten Prozess um den Tod ihrer Tochter zurück. 

"Ich habe dem Landgericht Traunstein soeben schriftsätzlich mitgeteilt, dass sich meine Mandanten mit sofortiger Wirkung dem Verfahren nicht mehr als Nebenkläger anschließen", heißt es in einer Mitteilung ihres Anwalts Walter Holderle, über die zuvor die "Passauer Neue Presse" berichtet hatte. 

Bei Gericht sei der Rückzug der Nebenkläger zunächst noch nicht aktenkundig geworden, sagt Gerichtssprecherin Cornelia Sattelberger auf Anfrage. Sie betont aber, die Kammer kläre den Fall in dem Verfahren "unvoreingenommen und nach den Vorschriften der Strafprozessordnung" auf. Nebenkläger könnten dabei ihre Rechte zur Gestaltung des Verfahrens nutzen.

Scharfe Kritik an Gericht und Verteidigung

Der Anwalt von Hannas Eltern kritisierte in der Begründung des Rückzugs dagegen die Verfahrensführung der zuständigen Landgerichtskammer. "Die Strafkammer hat die Verhandlungsführung nahezu vollständig der Verteidigung überlassen", schreibt Holderle im Namen der Eltern. "Die Verteidigung nutzt diesen Umstand nicht nur zu einer unerträglichen Selbstdarstellungsinszenierung, sondern lässt auch keine Gelegenheit aus, Polizei, Staatsanwaltschaft sowie die vormals entscheidende Strafkammer zu diskreditieren." 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?

Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.

Zu Prozessbeginn hatten die Anwälte Regina Rick und Yves Georg ihr sogenanntes Opening Statement vor allem dazu genutzt, mit der Richterin aus dem ersten Verfahren in der Sache und mit Ermittlern abzurechnen. 

Sie gehen von einem Unfall aus und davon, dass Hanna auf dem Heimweg aus der Diskothek "Eiskeller" in Aschau im Chiemgau ohne Fremdeinwirkung in einen Bach stürzte und ertrank. Ihr Mandant, so betonen sie, sei unschuldig, habe zu Unrecht im Gefängnis gesessen. 

Rick, hatte zu Beginn des Verfahrens öffentlichkeitswirksam auch einen anderen Mandanten im Zuschauerraum des Gerichtssaals begrüßt: Manfred Genditzki, der – laut Gericht erwiesenermaßen – 13 Jahre lang zu Unrecht im Gefängnis saß für einen Mord, den es nie gegeben hat und der ein Unfall war. Die Signalwirkung, die damit wohl erzielt werden sollte, dürfte klar sein.

Verteidigung nennt Anschuldigungen "abseitig"

Verteidiger Georg weist die Kritik Holderles und der Eltern entschieden zurück, nennt die Mitteilung "indiskutabel" und spricht von "abseitigen Anschuldigungen". "Dass Eltern schwer darunter leiden, wenn bei der Aufklärung des Todes ihrer Tochter mit harten Bandagen um das Recht gekämpft wird, können wir verstehen", sagt er der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist aber Aufgabe des Rechtsanwalts, seinen Mandanten zu erklären, dass und weshalb ein Strafprozess so abläuft und was die Aufgabe der Verteidigung ist."

Er betont: "Unsere Kritik an Polizei, Staatsanwaltschaft und der früheren Kammer ist gerechtfertigt." Außerdem habe die Vorsitzende Richterin die Verhandlungsführung keinesfalls an ihn und seine Kollegin Rick abgegeben. "Die Vorsitzende führt die Verhandlung souverän, die gesamte Kammer zeigt einen ausgeprägten Willen zur Sachaufklärung."

Hannas Eltern glauben nicht mehr an Aufklärung

Die Vorsitzende Richterin Heike Will hatte noch vor der Anklageverlesung am ersten Prozesstag gesagt, es sei Aufgabe des Gerichts, die Vorwürfe aufzuklären – "soweit sie sich aufklären lassen". Es sei "ein schwieriges Verfahren".

An eine solche Aufklärung glauben die Eltern nun offenbar nicht mehr. "Ein so geführtes Strafverfahren wird nicht die dringend erforderliche und von meinen Mandanten erwartete Sachaufklärung herbeiführen", heißt es in dem Schreiben ihres Anwalts. "Für die Eltern von Hanna gibt es deshalb keinen Grund mehr, als Beteiligte in einem solchen Verfahren mitzuwirken." 

Der Prozess um den Tod der jungen Studentin im Jahr 2022 war erst vor anderthalb Wochen neu aufgerollt worden. Das Landgericht Traunstein verhandelt aus Platzgründen im Amtsgericht Laufen. Vor Gericht steht ein junger Mann, der 2024 nach einem Indizienprozess für den Mord an Hanna verurteilt worden war, inzwischen aber wieder auf freiem Fuß ist. 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil wegen Befangenheit der Vorsitzenden Richterin aufgehoben und weil es danach dann auch noch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen gab, wurde der Haftbefehl gegen den Angeklagten im Sommer dieses Jahres aufgehoben.

dpa