Sterbehilfe "Ich sehe dem Tag morgen ruhig entgegen", sagt Bettina Steckmann am Vorabend ihres Todes

Bettina Steckmann hatte sich lange auf diesen Tag vorbereitet. Nicht der Krebs sollte über ihr Ende entscheiden, sie wollte es selbst tun. Ein letztes Gespräch am Vorabend ihres Todes.
Sterbehilfe: Bettina Steckmann
Bettina Steckmann wurde 63 Jahre alt. Bereits 2013 wurde bei ihr Eierstockkrebs diagnostiziert. Vor einem Jahr diskutierte sie im stern mit dem SPD-Abgeordneten Lars Castellucci über Regeln für die Sterbehilfe, dabei entstand auch dieses Foto
© Monika Keiler / stern

Frau Steckmann, wie geht es Ihnen, an Ihrem 63. Geburtstag?
Ich hatte zwei sehr schlechte Tage mit starken Schmerzen, aber heute geht es mir gut, ich konnte den ganzen Tag meine Freunde empfangen. Es war so, wie ich es mir immer gewünscht habe.

Wie hatten Sie sich diesen Tag gewünscht?
Wir haben gelacht. Wir haben geweint. Sich noch mal zu sehen, sich zu sagen, wie wertvoll man diese Freundschaften empfindet, das war wunderwunderschön. Freunde, die wir schon sehr lange kennen, standen vor mir und sagten: "Ich kann das nicht glauben, ich will es auch nicht glauben." Es war schön, sie alle zu sehen, aber zugleich sehr schwer. Ich habe ihnen gesagt: Das müsst ihr durchstehen. Ich sehe dem Tag morgen sehr ruhig entgegen. So wie es ist, ist es gut.

Es klingt fast so, als ob Sie alle trösteten?
Ja. Wissen Sie, dieses letzte Jahr war ein sehr schweres Jahr. Im Oktober, knapp ein Vierteljahr nach der letzten Chemotherapie, habe ich erfahren, dass erneut Metastasen da sind. Ich habe den Ärzten gesagt, dass ich nicht weiter therapiert werden möchte. Eine weitere Chemotherapie hätte mir maximal ein halbes Jahr gebracht. Nun habe ich ohne Chemo noch fünf Monate gehabt, es war die richtige Entscheidung. Ich bin dankbar, morgen loslassen zu können. Es war für mich eine unglaubliche Erleichterung zu wissen, da ist ein Arzt, der mir hilft, wenn es nicht mehr ertragbar ist. Das ist genau das, was ich mir gewünscht habe: nicht nur im Leben eine gute ärztliche Begleitung zu haben, sondern auch in der finalen Phase.

Warum entschieden Sie sich für den assistierten Suizid im Beisein eines Arztes?
Ich hätte auch Alternativen gehabt, ich bekomme schwere Schmerzmedikamente. Ich hätte als medizinische Fachkraft schon gewusst, wie viel ich davon nehmen muss. Doch das wollte ich nicht. Denn eine hundertprozentige Sicherheit hätte ich nicht, dass ich mich nicht übergebe und aufwache. Die habe ich nur bei einem Fachmann. Zudem hätte ich in diesem Fall meinen Mann mit reingezogen: Hätte er mich gefunden und nicht sofort den Notarzt gerufen, hätte er sich eventuell wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht. Oder ich hätte ihn wegschicken und es heimlich machen müssen. Beides kam für mich nicht infrage.

Erschienen in stern 19/2024