Studie Kinder verdrängen ihre Ängste

Zum siebten Mal hat eine Studie die Ängste von Kindern untersucht. Die gute Nachricht: Die Kinder haben weniger Zukunftsangst als noch vor zehn Jahren. Die schlechte: vermutlich verdrängen sie ihre Ängste mehr als früher.

Die Ängste der deutschen Kinder nehmen ab: "Nur" 40 Prozent der sechs- bis 14-Jährigen hat große Angst vor der Zukunft, heißt es in einer jetzt vorgestellten Untersuchung im Auftrag einer deutschen Versicherung. Vor zehn Jahren waren es noch 56 Prozent.

Allerdings gibt es Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. In nahezu allen Lebensbereichen machen sich die Kleinen in den neuen Bundesländern mehr Sorgen als ihre westdeutschen Altersgenossen. Dies gilt besonders für das Thema Arbeitslosigkeit und Geldnot in der Familie: Im Westen haben hiervor 40 Prozent der befragten Kinder Angst, im Osten sind es 49 Prozent. Dies liege vor allem daran, dass Kinder in Ostdeutschland in wirtschaftlich schwierigeren Verhältnissen aufwüchsen und ihre Eltern eigene Zukunftsängste auf die Kinder übertrügen, hieß es.

Am meisten fürchten sich Kinder vor Schicksalsschlägen in der Familie: 59 Prozent ängstigen sich davor, dass ihren Eltern oder Geschwistern etwas zustoßen könnte - sei es der Tod oder eine schweren Erkrankung. Noch vor einer eigenen schweren Erkrankung oder dem Tod folgt auf Platz zwei die Furcht vor sexuellem Missbrauch. "Sittlichkeitsverbrechen sind leider schon ein Klassiker unter den Ängsten", sagte Psychologin Rita Jakli bei der Vorstellung der Studie, der siebten ihrer Art.

Angst vor Schulgewalt erst an zehnter Stelle

"Der Anteil ist bei Mädchen etwas höher, aber dennoch fürchten auch rund 48 Prozent der Jungen unsittliche Übergriffe", sagte Jakli. Zur Überraschung der Experten steht die Angst vor Gewalt an der Schule erst auf Platz zehn der Rangliste. "Die Kinder haben sich möglicherweise an einen bestimmten Grad an Aggression in der Schule gewöhnt", sagte Jakli.

Groß sind die Unterschiede in den Regionen: Besonders ängstlich sind die Kinder in Norddeutschland. In fast allen Bereichen seien die Sorgen der 6- bis 14-Jährigen in Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein größer als im Bundesschnitt. Im Norden haben 72 Prozent Angst vor Schicksalsschlägen in der Familie. Eine Erklärung für dieses Gefälle fanden die Experten nicht.

Wirtschaftliche und politische Themen beschäftigen die Kinder dagegen weniger. Am stärksten abgenommen haben im Vergleich zur vorangegangenen Studie 2003 Ängste vor Umweltverschmutzung, minus 16 Prozent, und Krieg, minus 23 Prozent.

Die Wissenschaftler vermuten, der Grund für letzteres könnte könne die Gewöhnung an die alltägliche Kriegsberichterstattung sein. Grundsätzlich glauben die Macher der Studie, dass Kinder ihre Ängste zunehmend verdrängen oder sich an beunruhigende Botschaften gewöhnen. Durch bedrohliche Nachrichten im Fernsehen und Gewaltszenen in Computerspielen könnten sich die Mädchen und Jungen verstärkt an Gefahren gewöhnt haben, so Rita Jakli. "Es sind alle Ängste gesunken", sagte sie weiter, "das hat uns schon überrascht."

DPA · Reuters
DPA/Reuters

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