"Besser als die anderen" Narzissmus ist männlich und eine Frage der Erziehung

Spieglein, Spieglein... Männer sind die größeren Narzissten, wenn es um Ansprüche geht: Sie glauben, mehr verdient zu haben.
Spieglein, Spieglein... Männer sind die größeren Narzissten, wenn es um Ansprüche geht: Sie glauben, mehr verdient zu haben.
© Colourbox.com
Männer sind selbstverliebter, das legt eine Studie nahe. Woher kommen narzisstische Wesenszüge? Eltern, die ihre Kinder für etwas ganz Besonderes halten, leisten einen großen Beitrag.

Dass Männer die überheblicheren und egoistischeren Wesen sind, ahnt man, beziehungsweise frau nicht erst seit gestern. Nun hält die Mario-Barth-These auch dem wissenschaftlichen Prüfblick stand: Eine Studie zeigt, dass Männer eher narzisstische Züge haben als Frauen.

Narzissmus ist eine Charakterstörung, die Egoismus, Neid, Überheblichkeit und das Denken, mehr als andere verdient zu haben, eint. "Narzisstische Personen haben eine unrealistische Überzeugung von den eigenen Eigenschaften wie Erfolg, Scharfsinn, Schönheit oder gar idealer Liebe", schreibt der Psychiater Volker Faust.

In einer Übersichtsstudie untersuchten Forscher um Emily Grijalva von der Universität Buffalo 355 Arbeiten zu diesem Thema. Insgesamt sammelten sie so Daten von über 475.000 Personen. Dabei legten sie den Fokus auf drei typische Merkmale von Narzissmus - "Führung und Autorität", "Großspurigkeit und Zurschaustellung" sowie "Anspruchsdenken" - und untersuchten sie auf geschlechtsspezifische Unterschiede.

Männer pochen auf mehr Privilegien

Narzissmus, so die Studienautorin, sei mit einer Reihe interpersoneller Störungen verbunden, wie etwa der Unfähigkeit, gesunde Langzeitbeziehungen zu führen sowie unethisches Verhalten oder Aggressivität. Gleichzeitig würde sich Narzissmus aber auch in einem gesteigerten Selbstbewusstsein, emotionaler Stabilität und der Tendenz, Führungsposten zu bekommen, zeigen. "Indem wir die geschlechtsspezifischen Unterschiede des Narzissmus untersuchen, können wir vielleicht auch die Geschlechter-Unterschiede auf den genannten Ebenen erklären", schreibt Grijalva auf der Universitäts-Seite.

Die größten Unterschiede stellten die Forscher im Anspruchs- und Autoritätsdenken fest. Männer sprächen sich deutlich mehr Rechte und Privilegien zu und hätten weniger Skrupel, andere für ihr Machtstreben auszubeuten. Zudem setzten sie ihre Interessen nachdrücklicher durch, so Grijalva. In Sachen Ichbezogenheit und Eitelkeit gäben sich beide Geschlechter allerdings nichts. Entgegen vieler Meinungen seien die Leute im Verlauf der letzten 30 Jahre nicht ichbezogener geworden.

Hinter den Unterschieden vermuten die Forscher Geschlechterrollen, die sich über Jahrhunderte verfestigt haben. Das Fehlen von Frauen in Führungspositionen etwa könnte die Unterschiede im narzisstischen Verhalten noch bestärken. Menschen lernten früh ihre Geschlechterrolle und würden mit Repressalien konfrontiert, sobald sie von den gesellschaftlichen Erwartungen abwichen, so Grijalva. Insbesondere Frauen erführen häufig Kritik, wenn sie aggressiv oder autoritär aufträten. Das würde sie eher zwingen, narzisstische Verhaltenszüge zu unterdrücken.

Narzissmus - auch eine Frage der Erziehung

Über den tatsächlichen Ursprung von Narzissmus ist wenig bekannt, doch Narzissmus kann tatsächlich eine Frage der Erziehung sein. Das haben Wissenschaftler von der Ohio State Universität in einer viereinhalbjährigen Studie mit 565 Kindern, die zu Beginn sieben bis elf Jahre alt waren, und deren Eltern herausgefunden. Darin stellten sie fest, dass jene Kinder, die von ihren Eltern das Gefühl bekamen, etwas ganz Besonderes und besser als die anderen zu sein, eher narzisstisch wurden.

"Kinder glauben es, wenn ihre Eltern ihnen einbläuen, sie seien etwas Besseres. Das kann ihnen aber gesellschaftliche Probleme einhandeln", so Co-Autor Brad Bushman von der Universität Ohio. Eltern, die ihre Kinder überbewerten, handelten in der Regel in der guten Absicht, sie zu selbstbewussten Personen erziehen zu wollen. Doch anstatt ihr Selbstbewusstsein zu pushen, könne die Überbewertung ungewollt narzisstische Züge fördern, so der Psychologe Eddie Brummelmann, Hauptautor der Studie.

"Selbstbewusste halten sich nicht für besser"

Die Überbewertung wurde anhand von Skalen ermittelt, auf denen die Eltern etwa angeben sollten, wie sehr sie damit übereinstimmten, dass ihr Kind ein tolles Beispiel für andere sei. Außerdem wurden sowohl Eltern als auch die Kinder darüber befragt, wie sehr die Eltern ihre Liebe zum Kind zeigten.

Jene Kinder, die viel Liebe und Wärme empfingen, hatten am Ende der Studie ein höheres Selbstbewusstsein und stimmten eher mit Aussagen wie "Ich bin mit mir zufrieden" überein. Weniger stimmten sie dagegen Aussagen zu wie "Ich glaube, dass ich besser als andere bin". "Menschen mit hohem Selbstbewusstsein denken, dass sie genau so gut wie andere sind. Während Narzissten glauben, etwas Besseres zu sein", sagt Bushman.

Liebe ja, Überschätzung nein!

Doch natürlich spielten auch genetische Faktoren und das Temperament des Kindes bei der Persönlichkeitsentwicklung eine Rolle. Manche Kinder seien daher anfälliger als andere, eine narzisstische Persönlichkeit auszubilden, wenn ihre Eltern sie überschätzten, so Bushman.

Wer seine Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten erziehen möchte, sollte ihnen also zeigen, dass er sie liebt - so wie sie sind. Wer hingegen glaubt, sein Kind sei etwas ganz Besonderes, auf jeden Fall begabter als Gleichaltrige und habe immer einen Platz in der ersten Reihe verdient - der muss damit rechnen, dass er einen Narzissten heranzüchtet. Vor allem, wenn das Kind ein Junge ist.

Mirja Hammer

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