Zusammengesetzte Wörter mögen die Deutschen: Stadtverordnetenversammlung, Altertumswissenschaften, Waffenstillstandsabkommen, Kinderaufbewahrungsanstalt, Donaudampfschifffahrtskapitänsmütze.
Einige deutsche Wörter sind so lang, dass man kaum mit einer Seite auskommt, um sie aufzuschreiben, noch mit einem Atemzug, um sie auszusprechen. Länger sei nur das Grönländische, behaupten böse Zungen, das geschrieben so aussieht, als habe jemand versehentlich zu lange auf eine Computertaste gedrückt. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl ließen sich die schlimmsten Auswüchse vermeiden.
Zur Person
Sven Siedenberg lebt und arbeitet als Journalist und Autor in München. Seine Glossen, Kritiken, Reportagen, Porträts und Essays sind unter anderem im Spiegel, stern, Focus sowie in der Zeit, Süddeutschen Zeitung, Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung erschienen. Er hat an zahlreichen Anthologien mitgewirkt und bereits einige Bücher geschrieben, sein neuestes "Besservisser beim Kaffeeklatsching" ist im Heyne Verlag erschienen.
Finger-spitzen-gefühl? Das ist auch so ein zusammengesetztes Wort. Gleichzeitig aber auch ein moderner Ausdruck für Empfindsamkeit. Für englischsprachige Zeitgenossen ein Zungenbrecher, weshalb sie auch "fingertip feel" sagen. Schweden benutzen den Germanismus ebenfalls. In beiden Sprachen artikulieren sie eine Nuance, die sie erst vor wenigen Jahren dem Deutschen abgelauscht respektive abgeguckt haben. "Where’s the Fingerspitzengefuhl?" lautete am 9. September 1995 eine Überschrift in der New York Times. Jedenfalls nicht bei den fingerspitzengefühllosen "Grobianen" - auch dies übrigens ein ausgewandertes Wort.
"Fingerspitzengefühl" kennt man im Schwedischen und Englischen