Der Bundestag hat beschlossen: Erstens ein Gesetz, dessen Namen sich niemand merken kann, weil er ein Zungenbrecher ist - Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz. Zweitens ein Gesetz, dessen Inhalt mit dem Grundgesetz nur sehr schwer zu vereinbaren ist, denn es ermöglicht den Schritt zur Enteignung von Eigentümern, wie er dort im Artikel 14 nicht vorgesehen ist. Drittens ein Gesetz, das letztlich die Marktwirtschaft außer Kraft setzt, um eine rundum schwerkranke Bank vor dem Exitus zu retten. Die Große Koalition hat es möglich gemacht. Die Frage ist nur, ob sich die Ja-Sager im Bundestag genau überlegt haben, was sie möglich machen und ob es nicht systemkonformere Wege gegeben hätte.
Mit flotten Sprüchen lässt sich ganz gut für das Gesetz argumentieren, mit dem der Bankenriese Hypo Real Estate gerettet werden soll. Diese HRE gehört schließlich geldgierigen Aktionären, die als "Heuschrecken" des Kapitalmarkts ihre renditegeilenSchlünde nicht schnell genug voll bekommen konnten. Heuschrecken also, die nur noch leben, weil die Bundesregierung sie mit dem Geld, das von uns ordentlich abgezockten Steuerzahlern stammt, gerettet hat. Wieso solle man also die Geldgier des Großaktionärs Flowers auch noch dadurch unterstützen, dass man ihm seine Aktien zu dem von ihm geforderten Preis abkauft, der mit dem Marktwert absolut nichts mehr zu tun hat? Flowers lebe doch wirtschaftlich nur noch, weil wir Steuerzahler ihm geholfen haben.
Sie hatten keinen Mumm
Vor diesen Argumenten haben auch die meisten Marktwirtschaftler der Unionsparteien kapituliert. Haben den bislang gröbsten Verstoß gegen die Marktwirtschaft abgesegnet. Haben einem absoluten Tabubruch zugestimmt. Warum? Ganz einfach: Weil sie nicht rechtzeitig genug Mumm gehabt haben, um ihre sozialdemokratisierte Kanzlerin Merkel und den sozialdemokratischen Finanzminister Steinbrück auf diesem Weg zu stoppen und eine durchaus vorhandene systemgerechtere Lösung im Interesse der Steuerzahler und der Gesamtwirtschaft zu suchen.
Möglich wäre es ja gewesen. Nach dem staatlichen Einstieg bei der HRE hätte der Staat mit seinen Aktien die Einberufung einer Hauptversammlung erzwingen können, ebenso einen Kapitalschnitt, der den Anteil von Flowers reduziert und ihn damit ausmanövriert hätte. Das wäre, zugegeben, deutlich mühsamer gewesen als nach langem Rumtrödeln ein Ruckzuck-Gesetz durchzudrücken. Aber das Duo Merkel/Steinbrück wollte schlichtweg nach Gutsherrenart reingrätschen und nicht umständlich sachgerecht operieren.
Der Staat nur als Schiedsrichter
Die Verteidiger dieses Vorgehens verweisen stolz darauf, dass das Gesetz schon im Juli wieder außer Kraft trete. Das ist schnell dahergesagt. Was aber, wenn bis dahin die Wirtschaftskrise weitere Bankrettungen nötig machte? Ganz einfach. Man verlängert hurtig das Einzelgesetz, das in seinen Paragrafen schließlich keineswegs auf die HRE beschränkt ist.
Bei Steinbrück dürfte es nutzlos sein, aber Angela Merkel muss man schon noch einmal daran erinnern, wie der immer mal wieder zitierte Ludwig Erhard gedacht hat: Der Staat solle Schiedsrichter sein in der sozialen Marktwirtschaft, solle die Regeln für sie machen, aber auf keinen Fall selbst mitspielen. Die Frage allerdings ist, ob die Kanzlerin von diesem Ludwig Erhard noch etwas wissen will. Oder jemals ihn begriffen hatte.