Wie kann Deutschland angesichts der Bedrohung durch Russland resilienter werden und seine Nachrichtendienste für ihre Arbeit stärken? Darüber haben am Montag die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion beim 21. Symposium des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Berlin diskutiert.
Dabei überraschte die Politologin Florence Gaub mit einem unkonventionellen Vorstoß. Deutschland brauche mehr Nähe zwischen Bevölkerung und Nachrichtendiensten – und sogar TV-Serien könnten dabei helfen, erklärte Gaub, die als Forschungsdirektorin an der Nato-Militärakademie in Rom tätig ist.
Frankreich habe mit Formaten wie "Le Bureau des Légendes" (das Büro der Legenden) vorgemacht, wie Unterhaltung Berührungsängste zwischen Bürgern und Geheimdiensten abbauen könne. Die 2015 gestartete Spionagethriller-Serie erzählt die Geschichte eines Mitarbeiters des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE (gespielt von Mathieu Kassovitz aus "Die fabelhafte Welt der Amélie") und entstand unter Fachberatung des Nachrichtendienstes.
Fake News reisen viel schneller als früher
Auch andere Länder haben solche Formate. Über die britischen Nachrichtendienste MI5 und MI6 wurden sogar mehrere Serien gedreht, über deutsche Dienste bisher dagegen nicht.
"Es gibt keine gute Serie über den Verfassungsschutz und auch keine über den BND", sagte die Deutsch-Französin Gaub. Dabei könnte diese dabei helfen, "Berührungsängste zwischen der Bevölkerung und den Diensten" zu verringern. Deutschland könne davon profitieren. In der deutschen Öffentlichkeit setze sich erst allmählich das Bewusstsein durch, dass das Land massiven Angriffen ausgesetzt sei.
Nach Ansicht des Politologen Carlo Masala hat sich im Vergleich zu früher vor allem die Geschwindigkeit der Angriffe massiv erhöht. Früher, so Masala, habe Russland zur Desinformation eine Falschmeldung in einer englischsprachigen Zeitung in Indien platziert und dann darauf gewartet, bis die über britische Medien auch in Europa angekommen sei. Dieser Vorgang habe drei Monate gedauert. Jetzt geschehe so etwas in Sekunden.
Gerade deshalb ist nach Ansicht der Experten nicht nur eine stärkere, skalierbare Reaktionsfähigkeit der Nachrichtendienste nötig, sondern auch eine transparente Kommunikation gegenüber der Gesellschaft, damit die Bedrohung eingeschätzt werden könne und das Vertrauen in die Institutionen erhalten bleibe.
Denn dieses ist laut der Online-Plattform Statista immer noch enorm hoch. Bei einer Umfrage im Frühjahr gaben 81 Prozent der Deutschen an, Vertrauen in das Bundeskriminalamt zu haben, 72 Prozent vertrauten dem Bundesverfassungsschutz und immerhin noch 67 Prozent dem Bundesnachrichtendienst. Darauf wies der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel in seinem Vortrag hin. Hinderlich für Vertrauen in die Nachrichtendienste und deren Schnelligkeit sind seiner Ansicht nach aber das Kompetenzwirrwarr durch föderale Strukturen und ausufernde Bürokratie in den Behörden selbst.
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James-Bond-Autor als Vorbild für Deutschland
Auch Neitzel wartete beim Symposium mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für mehr Transparenz in der Arbeit der Nachrichtendienste auf. In Großbritannien gebe es eine ganz andere Wahrnehmung der Geheimdienste, weil Briten schon immer, nicht nur heute, sondern auch schon in der Zwischenkriegszeit, über ihre Arbeit für die Geheimdienste geschrieben hätten, so Neitzel. Memoiren oder Spionageromane, wie jene des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Ian Fleming. "Das ist bei den Deutschen nicht in der Kultur drin", sagte Neitzel.
Fleming war für den Nachrichtendienst der britischen Marine tätig, bevor er mit seinen Romanen über den Agenten James Bond berühmt wurde – und den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 damit international legendär machte.