Er ist da. Der Moment, auf den ich heimlich gehofft habe! Aber warum, verdammt, warum ausgerechnet jetzt? "Kann es sein, dass ich ein Buch von Ihnen gelesen habe?" Ich nicke beschämt, die Karstadt-Kassiererin betrachtet mich enttäuscht. Diesen bedeutsamen Augenblick hatte ich mir auch anders vorgestellt. Endlich wirst du mal erkannt - und das an einem Tag, an dem du deine Wohnung übereilt, ungeschminkt und sehr, sehr schlecht gekleidet verlassen hast.
Das ist fünf Jahre her. Mein erster Roman war erschreckend erfolgreich gewesen, und ich begann zu lernen, dass man gerne besonders dann einem angetanen Leser begegnet, wenn man besonders wenig dem Bild entspricht, das man gerne von sich vermitteln würde. Wirklich, ich bin schon stundenlang unentdeckt im feinen Fummel und auf unpassend hohen Absätzen über die Frankfurter Buchmesse geschlingert. Aber erst neulich auf einem Fest beugte sich eine Frau über meine Zehen und zitierte korrekt, aber unerfreulich laut aus einem meiner Bücher: "Die sehen ja wirklich aus wie Cocktailwürstchen!" Das war das letzte Mal, dass ich mich für offenes Schuhwerk entschieden habe.
"Haben Sie nicht Lust, irgendwas Lustiges über Frauen zu schreiben?", hatte mich die Lektorin des Rowohlt-Verlages irgendwann 1999 gefragt. Und das habe ich versucht - meinem etwas faultierhaftem Gemüt entsprechend immer nur dann, wenn ich Lust hatte, abends, bei schlechtem Wetter und wenn nichts Gutes im Fernsehen kam. Das Ergebnis war "Mondscheintarif".
Zugegeben, ich hatte nicht gehofft, dass mein Buch sich zu einem Geheimtipp für wenige Auserwählte entwickeln würde, aber einen Bestseller zu schreiben kann man sich ja schlecht vornehmen. Als die magische Marke von einer Million (eine Million! Kreisch!!) überschritten wurde, gab's ein schniekes Essen, bezahlt von meinem schnieken Verleger, der ein sehr Intellektueller ist und eigentlich nicht zu meiner Zielgruppe gehört. Wir unterschrieben, beide recht betrunken, den Vertrag für mein nächstes Buch, und ich kam mir irre toll vor und fand, es sei höchste Zeit, ab sofort bedeutsam und schwer erreichbar zu sein.
Aus mir ist also eine Bestsellerautorin geworden. Und das ist ja nun nicht gerade ein Lehrberuf, in den man langsam hineinwächst. Als ich mein erstes Interview gab, hätte ich am liebsten Windeln getragen, so nervös war ich. Leute, auf einmal bist du ein Mensch, der Autogramme gibt! Auf einmal bist du ein Mensch, der Fanpost bekommt! Und auf einmal bist du ein Mensch, der seine eigene Filmpremiere besucht! Ich schwebte göttinnengleich am Arm des Regisseurs Ralf Huettner, der aus "Mondscheintarif" einen schönen Kinofilm gemacht hat, über den roten Teppich. Reporter, Fotografen, Blitzlichter. Ich strahlte, was das Zeug hielt, und wollte mir gerade wie Nicole Kidman vorkommen, als ein Fotograf mir zurief: "Bitte schauen Sie hierher, Frau Huettner!"
Für Fotos schämt man sich übrigens immer. Entweder du bist derartig ungünstig getroffen - rote Augen, Pfannkuchengesicht und ein Hintern wie ein Hubschrauberlandeplatz - , dass du dich am liebsten auf der Stelle vor Entsetzen entleiben möchtest. Oder aber du bist nach mehreren Stunden Styling so schön, dass du dich fragst, wie du mit deinem ursprünglichen Aussehen weiterleben sollst. Es ist wohl menschlich nachvollziehbar, dass ich mich hier für ein Foto der letzteren Sorte entschieden habe. Der stern-Leserin sei jedoch an dieser Stelle noch mal versichert: Nein, keine Bange, ich sehe nicht wirklich so aus. Sechs Tage Fasten, drei Stunden Styling, perfektes Licht und ein Star-Fotograf, der aus jedem Arsch ein Gesicht machen kann - das, Schwestern, ist mein Geheimnis.
Und was ist das Geheimnis
meines Erfolges? Herrje, wie blöde ich diese Frage finde. Weiß ich doch selbst nicht. Ich hoffe nur, dass er noch eine Weile anhält, weil es natürlich in allererster Linie super ist, Romane zu schreiben, die auch der eine oder andere lesen mag. Und je mehr, desto besser. Grundsätzlich finde ich jeden Menschen toll, der meine Romane kauft, liest und gut findet - selbst wenn er in seiner Freizeit Regenwürmer zerhackt.
Umgekehrt nehme ich natürlich auch negative Kritik immer absolut persönlich und bin leicht und über Jahre hinweg zu kränken. Ein Buch ist eine verdammt intime Angelegenheit - auch wenn ich eigentlich nicht finde, dass meine Zehen wie Cocktailwürstchen aussehen und ich nicht jede Eigenschaft mit meinen Heldinnen teile. An dieser Stelle sei es mal ganz deutlich gesagt: Nein, ich habe die hellen Anzüge meines Mannes nicht mit Rotwein übergossen und auch nicht auf Mallorca mit einem wesentlich jüngeren Typen rumgeknutscht. Was allerdings stimmt, ist, dass ich einen Strip-and-Dance-Kurs besucht habe. Einmal. Zu Recherchezwecken. Es war entwürdigend für alle Beteiligten.
Jedenfalls tut Leserkritik immer ganz schön weh, und wer was anderes erzählt, redet Quatsch. Was mir aber zum Glück wirklich schnuppe ist, sind die professionellen Literaturkritiker, die recht gerne die Oberflächlichkeit meiner Werke bemängeln. Einer hat mal geschimpft, ich schriebe "wie Inge Meysel auf Ecstasy". Und ich habe das sogar noch als Kompliment empfunden! Bin dafür wahrscheinlich einfach zu oberflächlich.
Das Schöne am Autorinnen-Dasein ist ja, dass man eigentlich kaum noch Langeweile hat. Notfalls kannst du immer in Buchhandlungen rumlungern und nachschauen, ob dein kostbares Gesamtwerk auch ordentlich und gut sichtbar platziert ist. Ich persönlich räume, wenn nötig, auch hier und da ein bisschen um und verteile meine Bücher großzügig über die gesamte Verkaufsfläche. Ich glaube übrigens, das macht jeder Autor, außer vielleicht Siegfried Lenz, aber nur aus Altersgründen.
Das Allergrößte ist natürlich,
wenn ich jemanden erwische, wie er eins meiner Bücher liest. Ein Knüller. Im Urlaub ist mir das am Strand passiert, und ich hätte am liebsten unbescheiden auf mich gedeutet und laut gerufen: "Ich hab's geschrieben. Ich bin ein Superstar! Wollen Sie ein Autogramm von mir?" In solchen Momenten ist es hilfreich, einen Partner zu haben, der einen am Abheben hindert, indem er kurz und präzise mit Scheidung droht.
Zunächst geschmeichelt fühlte ich mich auch, als mich neulich eine Schülerin anrief, um mich für eine Hausaufgabe zu interviewen. Es gelang ihr noch, mir mitzuteilen, dass ihr Deutschlehrer von der Idee nicht begeistert gewesen war und vorgeschlagen hatte, sie solle sich doch lieber mit Ulla Hahn auseinandersetzen. Dann versagte dem Mädchen vor Nervosität die Stimme.
Hallo, dachte ich, kein Grund zur Aufregung, ich bin's doch nur, die olle Kürthy! Bin heute wieder nicht beim Sport gewesen und mach mir schon jetzt in die Hosen vor lauter Angst, dass vielleicht keine Sau mein neues Buch kaufen will.
Normal eben. Berühmt ist man ja nur für andere, wozu bedauerlicherweise nie Vorgesetzte und Ehemänner gehören. Und auch meinem Bindegewebe ist es im Übrigen völlig egal, wie viele Bücher ich verkauft habe.
Hey, ich hoffe, Sie rennen jetzt sofort mit wehendem Haar zur nächsten Buchhandlung, kaufen meinen neuen Roman und schreiben dann einen langen, ehrfürchtigen Brief. Das wäre sehr schön - denn ich selbst kenne mich leider zu gut, um länger als ein paar Sekunden von mir beeindruckt zu sein.