- 3 von 5 Punkten
- Porträt einer schrägen Familie und Hommage an die Fahrradstadt Münster
Worum geht's in diesem "Tatort"?
Das Unternehmen "Hobrecht Bicycles" ist seit sieben Generationen in Familienbesitz. Bei einem feierlichen Event soll nun die neueste Entwicklung vorgestellt werden. Firmenchef Kurt Hobrecht Senior (Hannes Hellmann) verspricht nicht weniger als die Neuerfindung des Rades. Im Zuge von Bauarbeiten wurde eine technische Zeichnung aus dem Jahr 1882 entdeckt. Diese soll belegen, dass das moderne Fahrrad in Münster und nicht wie bisher angenommen im englischen Coventry erfunden wurde. In einer großen Kiste soll das Rad präsentiert werden, das nach dieser Skizze angefertigt wurde. Doch als Hobrecht Senior die Box öffnet, kommt kein Fahrrad zum Vorschein, sondern eine gefrorene Leiche in einer Kühltruhe. Der Tote ist Albert Hobrecht (Heinrich Giskes), der Bruder des Firmenchefs. Das Ganze passiert vor den Augen von Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Prof. Karl Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), die die Präsentation ebenfalls besuchen. Die Ermittlungen führen Thiel und Boerne zu verschiedenen Angehörigen der Familie Hobrecht. Sie alle haben ein Motiv, denn der tote Onkel Albert galt als unsympathischer Geizkragen, der in der Familie nicht willkommen war.
Warum lohnt sich der Fall "Die Erfindung des Rades"?
Der Film (Drehbuch Thorsten Wettcke, Regie Till Franzen) hat alles, was Fans am Münsteraner "Tatort" lieben: Ein schräger Todesfall, Kalauer am laufenden Band und eine Familie voller skurriler Charaktere. Da wäre zum Beispiel Unternehmertochter Klara Hobrecht (Karolina Lodyga), genannt Löckchen. Sie raucht Pfeife und führt ihren als Pudel verkleideten Mann an der Leine spazieren. Oder Klaras Bruder Kurt Hobrecht Junior (Simon Steinhorst). Als Kind wurde er von seinem Onkel in den Schwitzkasten genommen und ist seitdem geistig beeinträchtigt. Dafür filmt er alles und jeden mit seiner Handkamera. Ungewohnt intime Einblicke gibt es von Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann). Sie hat nicht nur eine persönliche Beziehung zu der Familie Hobrecht, sondern zeigt sich auch Champagner schlürfend in ihrem imposanten Zuhause. Als Boerne dann plötzlich vor der Tür steht, lädt sie ihn zum Mittrinken ein, denn: "Champagner geht immer!". So nahbar und privat hat man die resolute Juristin in über 20 Jahren nicht gesehen.
Was stört?
Nicht nur die ähnlich klingenden Namen des Hobrecht-Clans – Kurt Senior, Kurt Junior, Knut, Klara und Konstantin – sorgen für Verwirrung, sondern auch die wechselnden Anekdoten, die die Familie Kommissar Thiel auftischt. Alle Beteiligten lügen wie gedruckt. Bei den ständigen Wendungen und einer Geschichte, die bis in 19. Jahrhundert zurückreicht, fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Bei so viel Hin und Her bleibt am Ende die Logik ein wenig auf der Strecke.
Die Kommissare?
Wer einmal in Münster war, der weiß: Das Fahrrad dominiert dort die Straßen und ist das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Kommissar Thiel setzt seit jeher auf das Zweirad – er hat keinen Führerschein. Dieses Mal erhält er Gesellschaft von ungewohnter Seite: Auch Prof. Karl Friedrich Boerne steigt auf das Rad, allerdings gezwungenermaßen, weil er seinen Führerschein abgeben musste. Die Verhältnisse werden trotzdem gewahrt: Während Thiel auf seinem klapprigen Drahtesel schwitzt, kommt Boerne stressfrei mit dem E-Bike ans Ziel.
Ein- oder ausschalten?
Nach 23 Jahren quittiert Staatsanwältin Wilhelmine Klemm in diesem Fall den Dienst. "Ich bin zu alt für den Scheiß", sagt sie zu Kommissar Thiel in einer Szene. Allein schon für ihren Abschied lohnt sich das Einschalten.