Die Trophäe Ein Chefredakteur in Bronze

Der Künstler Rainer Fetting, einst einer der "Jungen Wilden", hat die Skulptur für den Henri-Nannen-Preis modelliert.

Er war einer der wilden "Moritzboys": hübsch, begabt und ziemlich unberechenbar. Der Maler Rainer Fetting, als "Junger Wilder" in den 70er Jahren berühmt und berüchtigt, ist heute 55. In Jeans und Sweatshirt öffnet er die Tür zu seiner riesigen Kreuzberger Altbauwohnung, Lesebrille auf der Nase, Turnschuhe im Camouflage-Muster an den Füßen.

Damals, als er und seine Freunde die Kreuzberger "Galerie am Moritzplatz" gründeten, schockten sie mit Farborgien und gewagten Performances. Heute ist Fetting genervt vom Image des "Wilden Malers", das immer noch an ihm klebt. Längst hat er sich zurückgezogen vom Kreuzberger Chaotentum. Stolz zeigt er sein schickes Bad mit den Designer-Armaturen und sein Wohnzimmer mit Kronleuchter und antikem Spiegel: "Warum soll ich mir meine Räume nicht schön renovieren?"

Ein paar frisch gemalte Bilder

stehen rum: die New Yorker U-Bahn; Jungs mit Cop-Mützen auf dem Kopf. Und da ist auch Fettings neueste Arbeit: Henri Nannen. Eine Skulptur, nicht höher als 30 Zentimeter, unverkennbar der Kopf des stern-Gründers. Jeder Gewinner des Henri-Nannen-Journalistenpreises wird das Kunstwerk in Zukunft überreicht bekommen, zum ersten Mal am kommenden Freitag, dem 20. Mai.

In vierfacher Ausführung steht Henri Nannen in Fettings Wohnung: einmal aus grauer Plastilinmasse, zweimal bunt bemalt und einmal aus schwerem Bronzeguss. Das ist die endgültige Fassung der Skulptur, mit der man locker einen Chefredakteur erschlagen kann. Fetting mag Nannen. "Ich hatte längst seine Biografie gelesen, als der stern mich um die Skulptur bat", sagt er. "Aber dann las ich alles noch mal, um ganz sicher zu sein, dass ich Nannens Charakter richtig verstanden habe." Fetting fühlt sich dem großen Journalisten seelenverwandt. "Wir wurden beide im Sternzeichen Steinbock geboren. Und beide sind wir Büffel im chinesischen Horoskop."

Einen Monat lang knetete Rainer Fetting an dem Nannen-Original aus Plastilinmasse herum. Änderte hier und da, brachte ein wenig Melancholie um die Augen und viel Dynamik in den Hals. Nie mehr als drei Stunden am Tag arbeitete er an dem Kopf, denn, so Fetting: "Wenn ich rangehe, dann steigere ich mich rein. Damit ich nicht den Abstand verliere, muss ich immer wieder stoppen, um am nächsten Tag frisch loslegen zu können."

So hat er das auch mit Willy Brandt

gemacht: immer wieder gefeilt, geknetet, geändert. Seit 1996 steht Fettings expressive, 3,40 Meter hohe Bronze-Skulptur in der Berliner SPD-Zentrale, anfangs misstrauisch beäugt von den Genossen, inzwischen beliebtes Motiv für Fotografen und Fernsehteams. Kerben an Willy Brandts Rücken und gut sichtbare Fingerabdrücke bei Henri Nannen zeigen deutlich, wie Fetting die weiche Masse knetet und formt, bevor eine Negativform aus Gips gefertigt und das Ganze in Bronze gegossen wird. Geglättet und geschönt ist da gar nichts: "Nannen hatte ja auch Ecken und Kanten."

Noch in letzter Minute veränderte Fetting die Skulptur. Ursprünglich hatte sein Nannen große Augäpfel, "weil Journalisten viel und genau gucken müssen". Und gut sichtbare Zähne, denn "er war doch ein Mann mit Biss". Dann aber kam Fetting so viel Symbolik platt vor. Henri Nannen, so findet er jetzt, hat so was nicht nötig. Der sieht auch mit ganz normalen Augen und Zähnen prima aus.

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Anja Lösl