"Ich wollte leben wie die Götter" Götter in der Warteschlange - eine Zeitreise in die jüngere deutsche Vergangenheit

  • von Britta Kollberg
Reisende warten am Flughafen von Mallorca auf die Gepäckaufgabe.
Reisende warten am Flughafen von Mallorca auf die Gepäckaufgabe.
© Clara Margais/dpa
Wir reisen wieder in die Ferne – aber anders als zuvor. Mit langen Schlangen und Verspätungen, die das Warten regelrecht zu einer Etappe der Reise werden lassen, brauchen wir auch neues Handgepäck. Ibraimo Albertos Buch "Ich wollte leben wie die Götter" ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber genau das Richtige für uns Götter im Wartestand.

Sind Sie auch zu ihrer letzten Reise viel früher aufgebrochen als in vergangenen Jahren, um am Bahnhof oder Flughafen den Start nicht zu verpassen? Den Sicherheitscheck pünktlich zu schaffen oder ein Plätzchen im Regionalzug zu ergattern? Was tun mit der Zeit in Warteschlangen, am Bahnsteig oder Abfluggate, bis es endlich soweit ist? Wie wäre es mit einem kleinen Ausflug – in die geografische Ferne und zugleich einer Zeitreise in die jüngere deutsche Vergangenheit und Gegenwart aus einem unerwarteten Blickwinkel?

Aber Vorsicht! Das Buch, dass ich Ihnen empfehlen möchte, ist so spannend, dass Sie sich einen Wecker stellen sollten, um das Einsteigen nicht zu verpassen. Im Zug, Bus oder Flugzeug können Sie ja gleich weiterlesen – auf dem Weg an ein hoffentlich ähnlich interessantes Ziel.

Die Götter, das sind Sie und ich

"Ich wollte leben wie die Götter" heißt das Buch von Ibraimo Alberto, dass mir kürzlich in die Hände gefallen ist und ich dann nicht wieder weglegen konnte. Die Götter, das sind Sie (oder die meisten von Ihnen) und ich. Wie er sich unser Leben vorstellte und dorthin kämpfte, davon erzählt seine – wahre – Geschichte. Sie beginnt in Mosambik, auf dem Land, fernab der Städte, Badeorte und selbst außerhalb des nächsten Dorfs. Zur Zeit der portugiesischen Kolonialherrschaft war es das Größte für Ibraimo und unerreichbar für viele Kinder wie ihn, zur Schule zu gehen. Er erkämpft sich diese Chance und muss dafür lange Schulwege auf sich nehmen – sehr lange: Wer einmal einen Marathon gelaufen ist, kann sich eine Vorstellung von seinem täglichen Einsatz machen.

Ibraimo Alberto
Ibraimo Alberto: "Ich wollte leben wie die Götter". Kiepenheuer & Witsch, 2014
© Kiepenheuer & Witsch

Natürlich gehören Begegnungen mit wilden Tieren, Löwen und Krokodilen, zu diesem Schulweg dazu; und doch beschreibt Alberto ein ganz anderes Afrika, als wir es mit unseren vielleicht von romantisierenden Filmen, vielleicht von Katastrophennachrichten geprägten Bildern im Kopf haben. Sie wollen einen spannenden Safari-Roman, aus dem damaligen und heutigen Südostafrika? Hier ist er. Sie wollen eine authentische Erzählung über den Kolonialismus und darüber, wie er sich in der DDR fortgesetzt hat? Hier ist sie. Sie wollen einen Blick auf das frisch wiedervereinigte Deutschland aus der Sicht eines derjenigen Menschen, die täglich das zu spüren bekamen, was die Mehrheit der Bevölkerung entsetzt und ungläubig am Fernseher verfolgte? Sie finden ihn hier. Oder suchen Sie eine Geschichte, die Mut macht, über die unglaublichsten, fürchterlichsten und manchmal komischsten Erlebnisse und Widerstände hinweg? Dann sind sie bei Ibraimo Alberto ganz richtig.

Nicht nur die Geschichte selbst ist packend, auch die ungekünstelte, fesselnde Sprache und die zwischen Orten und Zeiten wechselnde Erzählstruktur machen den Roman zu einem eigenen Erlebnis. Als wären wir nicht Zuschauer und Zuhörerinnen, sondern Mitreisende. Wo auch immer Sie also gerade warten müssen, ob Sie auf dem Weg oder schon am Ziel sind – lassen Sie sich von Ibraimo Alberto und seinem Co-Autoren Daniel Bachmann auf diese ungewöhnliche Reise mitnehmen: ins Gestern und Heute, in die Ferne und nach Hause, direkt um die Ecke!

Ibraimo Alberto: "Ich wollte leben wie die Götter". Kiepenheuer & Witsch, 2014