Jörg Thadeusz Ein Typ für den zweiten Blick

Der Mann kommt ganz gemütlich daher, aber dann legt er los: Jörg Thadeusz liefert hochintelligente Fernsehunterhaltung. Und jetzt erscheint sein zweiter Roman "Früher war ich total uncool".

Frauen - das ergab eine Umfrage - essen am liebsten Pasta und Geflügel. Was also ist von einem Mann zu halten, der Putengulasch mit Spaghetti kocht? Und das auch noch ungefragt, so ganz von allein?

Jörg Thadeusz steht am Herd seiner Wohnung in Berlin-Pankow. Groß und breit, im dunkelblauen Anzug. Beiläufig rührt er im Topf, lässt das Fleisch sanft köcheln und plaudert. Über Berlin, über Bügelwäsche und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dazu wiegt der 36-Jährige gemächlich den runden Kopf. Wenn der Anzug nicht wäre, würde er wunderbar in eine norddeutsche Ackerlandschaft passen.

Trotzdem: Der Mann ist ein Frauentyp. "Jede ist in Jörg Thadeusz verknallt, jede!", schreibt eine Dame im Internet und bedauert, dass er seit Jahren eine Freundin hat. Vielleicht ist er so beliebt, weil er redet, wie er kocht. Beiläufig, sanft und auf kleiner Flamme. Keine Brüller, keine Zoten. Das macht ihn charmanter als Thomas Gottschalk. Aber auch gefährlicher: Thadeusz ist kein Weichspüler. "Humor ist nichts, was man mal haben kann. Humor ist eine Haltung", sagt er ernst und klimpert mit den wässrigblauen Augen. Vielleicht ist es auch dieser "Ich bin doch ganz lieb"-Blick, mit dem er die Leute vor der Kamera dazu bringt, einfach loszuplappern und alles mitzumachen, um bloß nicht als Spielverderber dazustehen.

Jemand mit solchen Fähigkeiten könnte schon längst auf den Comedy-Sofas der Privaten sitzen - Thadeusz dribbelt durchs Hinterzimmer der ARD nach oben. Als Außenreporter der WDR-Sendung "Zimmer frei!" berichtet er über deutsche Absurditäten und bekam dafür im Jahr 2000 den Grimme-Preis. Beim NDR moderierte er das Satire-Magazin "Extra 3", hilft bei der "NDR Talk-Show" aus, war auch mal im Ersten zu sehen - als Tita von Hardenbergs Schwangerschaftsvertretung bei "Polylux". Danach wünschten ihr viele ein weiteres Kind.

Jetzt arbeitet er hauptsächlich für den RBB, redet bei Radio Eins mit Wissenschaftlern über Füchse in der Großstadt oder interviewt zusammen mit Ulla Kock am Brink "Leute am Donnerstag" im TV.

Er arbeite gern mit Frauen zusammen, sagt Thadeusz, weil die "besser mit Sprache umgehen können. Mehr so hintenrum und nicht so platt". Ganz schön kokett - schließlich wird er genau dafür gelobt. Für diese Art seiner Moderationen - und für seine Bücher, die er zwischendurch auch noch schreibt. Hier in seiner Wohnung, die so gar nicht zu seinem geschniegelten Äußeren passt. Draußen auf der Terrasse lassen Gartenliegen und Kerzen noch den ausgiebigen Genuss lauer Sommernächte erahnen, drinnen herrscht jene Art von Chaos, die Mütter zum Kopfschütteln bringt. Wahnsinn, wie viel Kleinkram dieser Mann rumliegen hat. Plüschteddys, Lampenschirmchen, Keksdosen. Sein Schreibtisch kauert zwischen einem roten Boxsack und einem formlosen Sofa. An ihm wird Tadeusz erst mal nicht mehr sitzen: "Alles schön", sein zweiter Roman nach der Sanitäter-Geschichte "Rette mich ein bisschen", ist gerade erschienen.

"Melancholisch" findet Thadeusz

seine Liebesgeschichte um einen Lufthansa-Kapitän mit Flugangst und eine SPD-Politikerin mit zu schönen Beinen. Und das ist sie auch. Ein liebevolles, unangestrengtes Lied auf das Eingestehen von Schwäche - trotz aller Pointen um großbrüstige Stewardessen und versoffene Abgeordnete. Thadeusz' Humor ist eben immer auch ein bisschen tragisch.

In der Schule sei er ein unerträglicher Besserwisser gewesen, sagt Thadeusz. "Total uncool." Augenklimpern unter Stirnfalten. Er sieht aus wie ein harmloser Maikäfer, der sich langsam aufpumpt, wenn er wütend wird. "Furchtbar!", wettert er über rechthaberische Menschen, "schlimm!" über Polit-Floskeln. Wenn ihm so etwas im Interview begegnet, schnappt er zu. Schnell, unnachgiebig, aber nie grenzüberschreitend. Humor ist eben nicht nur eine Haltung - sondern ein Mittel, um Schwadronierer stilvoll auflaufen zu lassen. Und das kommt einfach gut an - nicht nur bei Frauen.

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Andrea Ritter