Kult-Krimi Sexy und brutal - John Shaft ist wieder da

Politische Korrektheit, Anstand, Moral - für Detektiv John Shaft Fremdworte. Darum wurden die Shaft-Romane in den 70er Jahren zensiert. Jetzt legt "Pendragon" sie neu auf. Ungekürzt und unzensiert.

Ernest Tidyman war weiß und dünn, trug gerne dicke Brillen und Schnäuzer und trank an seiner Schreibmaschine so lange, bis er endlich doch an Nierenversagen starb. Vorher schrieb er nicht nur das brillante Drehbuch zum Kinofilm "French Connection", was ihm einen Oscar eintrug. Er brachte in den Jahren 1971 bis 1975 auch sieben John-Shaft-Romane zu Papier, die noch heute als Kult gelten.

Unglaublich brutal

Shaft ist durch und durch ein Schwarzer und als solcher einer der allerersten Afroamerikaner, der in Amerikas damals noch rein "weißen" Buchläden mit stolz erhobenem Haupt ermitteln durfte. Tidyman beschreibt seinen Shaft als extrem dunkelhäutig mit breiten Wangenknochen und einer gigantischen Afrokugel auf dem Kopf. Shaft ist einer, der tough ist, Einzelgänger und noch dazu mit einer kochenden Wut im Bauch, die ihm nur zu oft deutlich ins Gesicht geschrieben steht. Shaft ermittelt in New York. Seine Wohnung liegt in Greenwich Village und verdreckt so lange vor sich hin, bis sich eine von Shafts Gespielinnen endlich erbarmt und nach einer gemeinsamen Nacht ein wenig saubermacht. Sein Büro unterhält der wortkarge Detektiv direkt am Time Square. Natürlich führen ihn seine Fälle aber meist in die schwarzen Viertel von New York, wo Shaft zwar nicht mehr wohnt, aber seine Wurzeln hat.

Shaft ist unglaublich brutal. Und das nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu seinen Gegnern. Ständig am Rand zum Verfolgungswahl behält Shaft jedes Detail im Auge, macht jeden Verfolger aus und riecht ein Komplott selbst dann, wenn jemand nur sein Bestes möchte. Was zugegeben selten der Fall ist. So geht Shaft auch mit seinen "Freunden" von der Polizei extrem schlecht um, auch wenn er oft genug auf sie angewiesen ist, wenn er wieder einmal Mist gebaut hat. Mit der Kanone, lieber aber noch mit den Fäusten oder einer Baseballkeule geht er auf seine Gegner los und zertrümmert Kiefer, Knie und Knochen, um Informationen zu erlangen und Probleme zu lösen. Nur bei Frauen wird er weich, wenn sie nur allzu gerne in seiner verdreckten Wohnung aus ihrer Unterwäsche schlüpfen, um Shaft wieder die ganze Nacht den Schlaf zu rauben.

"Deshalb nennen sie dich also Shaft", sagte sie, als ihre mit Seife bedeckten Finger sich seine Hüften entlangbewegten. Seine Hände ruhten auf ihren Brüsten. Es war nicht einfach, sie trotz der Seife zu halten.

Ein Fall für die Zensur

Es ist diese harte schnörkellose und coole Attitüde von Shaft, die auch die Romane ausmacht. Shaft kümmert sich einen Dreck um politische Korrektheit, um Anstand und Moral oder um Freundesdienste. Er steht ganz alleine da und muss niemandem denn sich selbst Rechenschaft ablegen. Nur so kann er die brutale Härte entwickeln, die nötig ist, um es mit den fiesesten Ganoven der Stadt aufzunehmen. Heute wäre diese Härte in einem Roman kaum noch denkbar. Und auch damals in den Siebzigern und Achtzigern waren die Verleger eher vorsichtig. Die Shaft-Romane kamen gekürzt und zensiert auf den Markt, sodass viele Sex- und Gewaltszenen ebenso zusammengestrichen wurden wie drastische Dialoge, in denen es ein wenig zu rüde zur Sache ging.

Dem kleinen deutschen Verlag Pendragon gebührt die Ehre, die sieben Shaft-Romane endlich in einer ungekürzten und authentischen Neuübersetzung auf den Markt zu bringen. Für die Übersetzung zeichnet Emanuel Bergmann verantwortlich. Bereits der erste Fall von Privatdetektiv Shaft lässt es ordentlich krachen. In "Shaft und das Drogenkartell" muss Shaft sich um die verschwundene Tochter eines reichen Drogenbosses kümmern. Dabei bekommt es der schwarze Ermittler nicht nur mit schwarzen Aktivisten kurz vor dem Ausbruch einer Revolution, sondern auch mit der Italomafia von New York zu tun. Zusammengeschlagen, geschunden und vermeintlich gebrochen sorgt Shafts unglaublich starker Wille dafür, dass sich der Privatdetektiv noch einmal aufrappelt, um für ein Finale im flammenden Inferno zu sorgen, das sich gewaschen hat.

Die Kröte in dem Sportsakko spuckte ihm ins Gesicht. Er war gerade dabei sich die Lippen zu lecken, als ihn die Flasche quer über den Wangenknochen traf und sich eine Gischt aus Whisky, Glassplittern und Blut über ihn ergoss. Einer der Cops fluchte. Irgendwo schrie ein Mädchen. "Na gut", sagte der Beamte. "Machen wir erst noch im St.-Vincent-Krankenhaus Halt und lassen ihn nähen. Los geht’s."

Fälle sind spannend inszeniert und die Schreibe herrlich unbelastet

Sehr angenehm ist, dass Tidyman zwar seinem Held und seinem Ego stets treu bleibt, inhaltlich aber gerne neue Wege beschreitet. So muss Shaft in "Shaft und die sieben Rabbiner" Harlem verlassen und in eine ihm völlig fremde Welt eintauchen - es gilt, heimtückische Morde im jüdischen Diamantenmilieu aufzuklären. Was gar nicht so einfach für Shaft ist, da er als schwarzer "Nigger" nur schwer Eingang in diese ganz besondere Szene findet. Aber mit vielen ausgefallenen Ideen, ein wenig Glück, einer schönen Frau in seinem Bett und ein paar Maulschellen zur rechten Zeit macht Shaft auch hier seinen Weg.

Es macht auch dreißig Jahre nach dem Entstehen der Romane noch viel Spaß, sich mit Shaft zu beschäftigen. Die Krimifälle sind spannend inszeniert und die Schreibe von Tidyman herrlich unbelastet von den heute vorherrschenden Bemühungen, nur ja keine soziale Randschicht zu verunglimpfen. Hier kriegen alle gleichermaßen ihr Fett weg.

Im Pendagon-Verlag sind auch schon die Romane "Shaft beim Kongress der Totengräber", "Shaft und das Mordkomplott" sowie "Shaft und die verlorenen Söhne" erschienen. Band 6 soll 2005 erscheinen, während der finale siebente Roman für 2006 vorgesehen ist.

Shaft auf der Leinwand

Wer heute an Shaft denkt und die Bücher nie gelesen hat, hat sofort die alten Filme von Gordon Park vor Augen und hört das Theme von Isaac Hayes. Frei nach dem Motto "Who's the black private dick that's a sexmachine to all the chicks" sorgte Richard Roundtree als Shaft in den Filmen für ordentlich Action. Die Shaft-Filme sorgten in den Siebzigern für Aufruhr. Erstmals gab es eine Serie mit Schwarzen für Schwarzen im Slang der Schwarzen. Da ging es nicht nur um die Kriminalfälle an und für sich, sondern auch um coole Outfits, um harte Sprüche und um willige "Hühner", die dem Helden zwischen seinen Raufereien sexuelle Entspannung verschafften.

Roundtree avancierte nach seinem ersten Auftritt als Shaft im Kinofilm "Shaft" (1971) zum Star der Blaxploitation-Filme in den Siebzigern, die schwarze Schauspieler auf die große Leinwand holten - etwa in den legendären "Foxy-Brown"-Filmen. Roundtree durfte immerhin noch in zwei weiteren Kinofilmen und in einer TV-Serie (73-74) mitspielen, bis das Thema Shaft in den Medien wieder durch war.

Endlich konnte er duschen. In der einen Hand hatte er ein Stück Seife, in der anderen ein Glas Johnny Walker. Das heiße Wasser lief an seinem Gesicht herab. Wenn er jetzt zwischen Ficken und Duschen entscheiden müsste, würde ganz klar die Dusche gewinnen. Ein hübscher Arsch ist was Feines, das stand außer Frage. Aber unter einer heißen Dusche konnte man entspannen, einen Drink zu sich nehmen und nachdenken. Und man konnte pissen, in der Nase bohren und den Gestank der eigenen Vorurteile abbauen.

Es ist bezeichnend, dass Hollywood zwar jüngst den Mumm hatte, den "Shaft"-Mythos mit Samuel L. Jackson als Darsteller wieder neuzubeleben, dem Helden auf der Kinoleinwand aber den Sex verbietet, der ihm in den Büchern ein stimmiges Gegengewicht zu seinen Gewaltausbrüchen verleiht.

Wer Spaß an den schnörkellosen Krimis der Siebziger hat, sollte im Antiquariat (etwa bei eBay) auch nach den "Spenser"-Romanen von Robert B. Parker und nach den "Fletch"-Romanen von Gregory McDonald suchen. Von den heutigen Autoren geht Andrew Vachss mit seinen "Burke"-Romanen am ehesten in diese Richtung.

Carsten Scheibe, Typemania