Gertrude Bell hat viele Titel bekommen. Als "Königin der Wüste" wird die britische Archäologin oft bezeichnet, als "Frau, die den Irak erfand" oder als "Hohe Dame". Manche hielten sie für selbstgefällig, viele bewunderten ihre Klugheit und ihren Willen, die ihr vor 100 Jahren eine außergewöhnliche Karriere ermöglichten: Als einzige Frau war die Abenteurerin nach dem Ersten Weltkrieg maßgeblich an der Gründung des Iraks durch Großbritannien beteiligt - zu einer Zeit, als Männer Londons Politik noch völlig dominierten. Am 3. September kommt nun ein Film über sie ins Kino: Werner Herzogs "Königin der Wüste" mit Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman in der Hauptrolle.
Nach dem Einmarsch der Briten in das Gebiet des heutigen Iraks während des Ersten Weltkriegs kam Bell mit Ende 40 nach Bagdad, wo sie als "Orientsekretärin" für die britische Verwaltung arbeitete. Sie pflegte Kontakte zu den lokalen Größen, Männer, die der Frau mit roten Haaren und grünen Augen skeptisch begegneten. Sie sammelte Informationen, schrieb Berichte und zeichnete Karten. Bei den Pariser Friedensverhandlungen 1919 war sie als Beraterin dabei.
Lange stand Bell im Schatten ihres berühmten Zeitgenossen Lawrence von Arabien, der als britischer Offizier den Aufstand der Araber gegen die Osmanen mit anfachte. Erst Herzogs Film "Königin der Wüste" macht sie jetzt einem großen Publikum bekannt.
Wie "Miss Bell" die Grenzen des Iraks festlegte
Herzog hat das Leben einer Frau verfilmt, die aus einer reichen Familie stammt. Sie studiert Geschichte in Oxford und macht ihren Abschluss mit Bestnote. Gelangweilt vom Leben in der Heimat zieht es sie in den Nahen Osten, den sie als Archäologin und Autorin durchstreift. Auf zahlreichen Reisen durch die Region - für eine Frau damals eine Sensation - sammelt sie Informationen über die Geografie, die für die Briten später im Ersten Weltkrieg wertvoll wurden.
"Miss Bell" habe die endgültigen Grenzen des Iraks festgelegt, heißt es bei manchen Biografen. "Sie hatte (...) den Irak empfangen und geboren, und dieses Land war jetzt ihr Kind", schreibt die Autorin Jane Wallach in ihrem Buch "Königin der Wüste" über sie.
Trotzdem lässt man Bell zu viel Ehre zuteilwerden, wenn man sie als "Mutter des Iraks" bezeichnet. Die Gründung des Staates unter britischer Kontrolle wurde in der Heimat beschlossen, weil sich London von den erdrückenden Kosten der Besatzung befreien wollte, ohne den Einfluss auf die immensen Ölressourcen zu verlieren.
Vereinsamt, depressiv, trauernd
Gertrude Bell war eine Person mit vielen Seiten, brillant, mutig und gesellig einerseits, verschlagen und von sich selbst überzeugt andererseits. Sie kokettierte zeitweilig mit dem Gedanken, selbst britische Hochkommissarin in Bagdad zu werden. Wenn sie es für nötig hielt, agierte sie auch hinter dem Rücken ihrer Kollegen. Die britischen Soldaten schnitten sie am Ende.
Auch in der Liebe blieb Bell ohne Glück. Eine Affäre mit dem britischen Offizier Charles Doughty-Wylie endete dramatisch, als dieser 1915 in der Schlacht von Gallipoli fiel. Bell blieb Zeit ihres Lebens unverheiratet. Nach der Gründung des Iraks 1921 wandte sie sich wieder der Archäologie zu. Doch sie vereinsamte und soll unter Depressionen gelitten haben. Am Abend des 11. Juli 1926, drei Tage vor ihrem 58. Geburtstag, nahm sie eine tödliche Überdosis Schlaftabletten.