"Ein Auto ist ein lebendes Wesen", man müsse genau hinhören, was es vom Fahrer wolle. Für die wenigen Autoversteher im Saal sind solche Sprüche vielleicht Musik in den Ohren, aber will der normale Zuschauer wirklich wiederholt derartige Autosentimentalitäten erdulden? Mit großem Aufwand versucht der Fantasy-Film "Speed Racer", eine Kinder-Zeichentrickserie aus den frühen 70ern über eine Rennfahrerdynastie für die große Leinwand nachzuempfinden, und produziert dabei eine Menge bonbonbunten Stuss. Geschildert wird die Geschichte des Rennpiloten Speed Racer, grundguter Sohn einer Familie von mittelständischen Rennstall-Besitzern, die bisher erfolgreich die Übernahmeversuche von großen, bösen Konzernen abgewehrt hat.
Rennfahrer-Ass Speed schlägt ein lukratives Angebot des Industriellen Royalton aus, der Speed in seinen Rennstall aufnehmen will. Royalton droht daraufhin, die Familienfirma zu vernichten, und enthüllt dabei, dass alle Siege des legendären Grand Prix gekauft waren. In zwei furchtbar gefährlichen Rennen soll nun Rennfahrererbe Speed die Ehre seiner Familie und des Rennsports wieder herstellen.
Realfilm einer japanischen Anime
Der Film, der in den Potsdamer Babelsberg-Studios gedreht wurde, basiert auf der 1971 gezeigten Zeichentrickserie "Speed Racer", der ersten japanischen Anime-Serie, die je im deutschen Fernsehen lief und Jungenherzen höher schlagen ließ. Sie begeisterte auch die experimentierfreudigen Gebrüder Wachowski, die mit "Matrix" Furore machten.
Diesmal jedoch haben sie sich in ihrer Nostalgie vergangener Kindertage gründlich verrannt: Die überdimensionierte Kinofassung, den die Wachowskis als "Car-Fu" bezeichnen, also ein Mix aus Autos und Kung Fu, fasziniert zwar im rasanten Detail, wirkt aber durch das Dauerbombardement spektakulärer Szenen ebenso überdreht wie angestrengt - und anstrengend für den Zuschauer.
So wird einerseits mit beachtlichem Promi-Aufgebot eine heile Familienwelt ausgebreitet: Neben Hauptdarsteller Emile Hirsch, der zuletzt im Drama "In die Wildnis" begeisterte, bilden Susan Sarandon als Mama Racer und John Goodman als Papa Racer das Bollwerk gegen die Korruptheit der Welt. Für Komik sorgen Nesthäkchen Spritle und sein Affe Chim-Chim, die stets die rettenden Engel spielen. In Rückblenden taucht Speeds vergötterter, bei einem Unfall verschwundener Bruder Rex auf, der Speed später als geheimnisvoller, Rennfahrer Racer X helfend unter die Arme greift. Die völlig unterforderten Promis aber, die Sätze wie "Rennfahrer sind Künstler" sagen müssen, stehen nur für die Aufgeblasenheit der Veranstaltung.
Psychedelischer Trip mit Barbies
Geklotzt wird vor allem bei Ausstattung und Computeranimation, was das Trickspektakel zeitweise wie eine Werbeshow für neueste digitale Entwicklungen wirken lässt. Die Schauspieler wurden vor der "Green Screen" gefilmt und die Aufnahmen mit digitalen High-Definition-Bildern kombiniert. Vorder- und Hintergrund haben die gleiche Tiefenschärfe; der gewollt künstliche "Real-Anime-Look" lässt Vorort-Viertel wie eine Modellbau-Welt aus den 70ern mit belebten Barbie-Puppen aussehen und exotische Landschaften wie eine sterile Computerspiel-Kulisse.
Sinnverwirrend ist auch die Ausstattung in retro-futuristischer Ästhetik mit knalligen Popart-Farben wie orange, rot, türkis sowie schaurigen Mustertapeten. Zwar entstehen mit Hilfe der Computermaus, inspiriert von Achterbahnen, Skateboard-Schleifen und Skipisten, die schrägsten Rennstrecken. So schraubt sich Speeds "Mach 5"-Bolide nicht nur unaufhörlich durch Loopings, Spiralen und Haarnadelkurven, sondern muss auch noch die Attacken der Konkurrenz parieren, die mit Säbeln, Enterhaken und gar mit Bienenkörben arbeitet.
Was dieser atemberaubenden Raserei jedoch vollständig abgeht, sind Charme und Selbstironie. Und so erscheint das Spektakel mit seinen 138 Minuten Laufzeit zu oft wie ein wirrer psychedelischer Trip, dessen seltsamste Momente zumindest für deutsche Zuschauer die gelegentlich auftauchenden Gesichter von Ralph Herforth und Benno Fürmann darstellen: Dann fühlt man sich wirklich wie im falschen Film.