Cannes Tag 2 Supermutti und der Peitschen-Mann

Bedeutungsschwangere Kunstfilme über Sühnemord oder Ehebruch hatten kaum Konjunktur. Nur zwei Themen knisterten am 2. Tag des Filmfestivals in Cannes wirklich: der neue Indiana Jones und Angelina Jolies riesiger Babybauch. Jolie stellte sich jovial den Fragen der Journalisten.

Liebe Freunde der Filmfeinkost. An dieser Stelle wollten wir Ihnen gewohnt tiefgründig über den aktuellen Stand des Wettbewerbs von Cannes berichten. Es gäbe da eine argentinische Zutat namens "Leonera" (Löwenhöhle), die in die Welt eines Gefängnisses für Schwangere und Mütter eintaucht. Wo Babys anstelle eines Fingerabdrucks die Fußsohlen geschwärzt werden und zwischen tausend Stäben eine Parallelwelt aufscheint, in der sich eine wahrscheinlich Unschuldige behaupten muss.

Es gäbe da außerdem eine türkische Prise namens "Üç Maymum" (Drei Affen), die eine Familie mit Problemen wie Fahrerflucht, Ehebruch, Kindstod und Sühnemord belädt, bis selbst das Publikum nur noch schwer atmen kann. Ein eigenes Festival-Genre übrigens: die Schwer-Atmer-Filme. Darsteller schnaufen bedeutungsschwer und stirnfaltend, Zuschauer schnaufen müdigkeitsschwer.

Doch dann stellten wir uns zweifelnd die Frage: Interessiert das irgendeine Sau? Wollen die Leute wirklich Filme rezensiert haben, die nach Ende des Festivals immer seltener in unsere Kinos kommen und selbst wenn, dann nur unter Ausschluß einer großen Öffentlichkeit laufen? Und die, ehrlich gesagt, beide weder Filmkunst noch -handwerk entscheidend nach vorne bringen?

Die Rückkehr des alten Mannes und die Wiederkehr der Supermutter

Wenn man in den ersten Tagen des Festivals den Einheimischen lauscht, den Touristen und anderen Neugierigen, gibt es bisher nur zwei Themen, die die Massen wirklich bewegen: die Rückkehr eines alten Mannes mit einer irgendwie ungesunden Vorliebe für Leder und die Wiederkehr einer hochschwangeren Supermutter inklusive Superaussehen und Supergatten. Kurz: Indiana Jones, Teil 4, und Angelina Jolie, im Bauch Kinder Nummer fünf und sechs.

Auf die ersten bewegten Bilder des beliebtesten Grabräubers aller Epochen müssen nach einer schier endlosen Pause von 19 Jahren jedoch selbst die Vereinten Nationen der Filmkritiker noch bis Sonntag, 13 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit, warten. Die Cannes-Macher haben zu diesem Termin die erste und an diesem Tag einzige Pressevorstellung angesetzt, Experten rechnen mit Riesenwarteschlangen und anschließendem Würgen am Einlass. Für Fans bleibt derweil nur der Weg zum Carlton Hotel, dessen Eingangsbereich zum Indiana-Jones-Tempel umgerüstet wurde. Sieht irgendwie billig aus, wird aber dennoch heftigst bewundert und fotografiert.

Sieht teuer aus und wird gerade deshalb heftigst bewundert und fotografiert: Angelina. Was angesichts ihrer tatsächlichen Leinwandzeit in "Kung Fu Panda" zunehmend albern wirkt: nullkommanull Sekunden. In der herrlich albernen Action-Animation aus der Dreamworks-Schule ("Shrek"), die kurz vor dem Startschuss der Olympischen Spiele chinesische Kultur und Nudelsuppen feiert, leiht Jolie lediglich ihre energische Stimme einer Nebenfigur, einer stolzen Tigerin.

Glückwunsch Angie zur Schwangerschaft

Was bei der folgenden Pressekonferenz natürlich niemanden davon abhielt, die Arme mit hochpersönlichen Fragen zu Niederkunft und häuslicher Gewaltenteilung zu bombardieren. Das lief in etwa so: US-Journalist: Glückwunsch Angie zur Schwangerschaft, aber sind das wirklich Zwillinge? Antwort von Jack Black, der im amerikanischen Original einen schwabbeligen Pandabären spricht, der versehentlich für einen Kampfkünstler gehalten wird: "Nein, es sind Drillinge und sie kommen am 29. August". Schwedischer Journalist: Ja, alles Gute zur Schwangerschaft, wollen Sie jetzt wirklich in Südfrankreich gebären? Oder nicht doch in Schweden? Antwort Angelina: "Vielleicht beim nächsten Mal". Chinesischer Journalist: Glückwunsch auch von mir, in China steht die Tigerin für eine starke Frau, die ihren Ehemann kontrolliert. Wie ist das bei Ihnen? Antwort: "Brad und ich sind gleichwertige Partner". Und warum tun Sie sich hochschwanger überhaupt diesen Festivaltrubel an? "Wenn ich mich nicht gut fühlen würde, wäre ich nicht gekommen".

Schließlich musste sich Jolie noch zum Zyklon in Burma und zum Erdbeben in China äußern als wäre sie Weltpolitikerin und Weltenretterin in Personalunion, dann Abgang im weiten, weißen Ballonkleid. Am Ende konnte man sich eigentlich nur Dustin Hoffman (im Film die Stimme eines weisen Martial Arts-Ausbilders) anschließen. Auf die Frage, wie er sich denn seinen Karriereverlauf erkläre - von der Reifeprüfung zum Kung Fu Panda - antwortete er grinsend: "Unsere Kultur ist im Niedergang begriffen. Der allerdings auch schon den Journalistenberuf erreicht hat".

Ein Wiedersehen mit Mutter Furiosa gibt es für die Schwangerschafts-Schwadronierer bereits am kommenden Dienstag. Jolie spielt im neuen Clint Eastwood-Drama "The Changeling", der im Wettbewerb um die Goldene Palme konkurriert, eine Mutter, deren Kind entführt wurde. Noch Fragen?

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