Das Filmfestival in Cannes ist, aufmerksame Tagebuch-Leser wissen das inzwischen, eine ziemlich unübersichtliche Angelegenheit. Ein letztes Mal wird sich das am Abschlusstag beweisen, wenn die Preise vergeben werden. "Und die Goldene Palme geht an... Schönen Abend noch, jetzt wird gefeiert" - so schlicht kommt hier keiner davon. Schließlich befinden wir uns auf dem größten und wichtigsten Filmfestival der Welt. Da gibt es so viele Institutionen, Nebenreihen, Interessenverbände, Initiativen und Sponsoren, dass die Erwähnung und Definition aller den offizellen Katalog auf 109 Seiten anschwellen ließ. "Ehren und ehren lassen" lautet bei vielen von ihnen das Credo, und das führt dann alljährlich zu einer Preisflut, deren Kaliber sogar das Überreichungsfieber bei den Berliner Filmfestspielen übertrifft.
Unübersichtlich viele Preise
Lichten wir ein wenig den Dschungel - natürlich ohne den Anspruch auf Völlständigkeit: Da ist zuerst einmal, klar, die Goldene Palme, der Hauptpreis, den die Jury an den ihrer Meinung nach besten Beitrag des Wettbewerbs vergibt. Außerdem gibt es noch eine Goldene Palme für die besten Darsteller und den besten Regisseur. Sehr begehrt ist auch die Caméra d'Or, die Goldene Kamera, nicht zu verwechseln mit jener Trophäe, die eine altbekannte deutsche TV-Zeitschrift verleiht. Wie bei der Goldenen Palme entscheidet eine Jury, in diesem Fall fünfköpfig unter Vorsitz des britischen Schauspielers Tim Roth, über den Gewinner.
Dieser wiederum kann sowohl aus den Reihen des Wettbewerbs, als auch auch den Reihen Un Certain Regard, Quinzaine de Réalisateurs oder der Semaine Internationale de la Critique kommen. Hinzu kommt dieses Jahr auch noch ein eigener Preis an einen Film aus der Sektion Un Certain Regard, der sich erwartungsgemäß Prix Un Certain Regard nennt. Und da zu den Lieblingsbeschäftigungen des Filmkritikers an sich das Entdecken neuer Talente zählt, übergeben sie an ein solches ihrer Wahl den Grand Prix de la Semaine de la Critique.
Somit wären die vier Wichtigsten abgehakt. In der Ziehung sind darüber hinaus:
1. der "Prix FIPRESCI", des Internationalen Verbandes der Filmkritiker, der gleich dreimal ausgegeben wird an je einen Film aus dem Wettbewerb, Un Certain Regard und Quinzaine de Réalisateurs/Semaine Internationale de la Critique.
2. Der Preis der ökumenischen Jury, bei deren Entscheidung die humanistischen, theologischen und gerechtigkeitssinnigen Aspekte eines Filmes ausschlaggebend sind.
3. Der "Prix de la Jeunesse", vergeben von einer aus sieben Filmfans bestehenden Jury an einen Nachwuchsregisseur aus dem Wettbewerb oder Un Certain Regard.
4. Der Prix de l'Eduacation Nationale, der an einen Wettbewerbsbeitrag geht, für den eine neunköpfige Jury aus Pädagogen und Filmschaffenden votieren.
5. Der "Grand Prix Technique" den der Verband der Filmtechniker (Bild, Ton, Schnitt etc.) an einen der ihren vergibt; ebenso wie
6. den "Prix Jean Vivié" für die beste Projektion eines Filmes während des Festivals.
7. Der "Prix France Culture du cinéaste de l´anée" für den Regisseur des Jahres, überreicht von Jeanne Moreau.
8. Der Opening Shot Prize für die Entwicklung eines Filmprojektes durch die Gan Foundation, die jungen Talenten bei der Realisierung ihrer Projekte hilft.
9. Okay, okay, okay, brechen wir besser ab hier. Immerhin: die Zahl der gezeigten Filme ist nach wie vor höher als die der verliehenen Preise.
Jenseits des Protokolls würden wir ohnehin lieber folgende Auszeichnungen vergeben:
* Preis für den charmantesten Star: Zhang Ziyi
* Festival Guests Humanitarian Award: die Polizisten, Sicherheitsleute und Bediensteten des Festivals, die ihre Laune endlich dem Wetter anpassten
* Party-Prize 2004: die Feier zur Cole-Porter-Biografie "De-Lovely"
* Und die Journalisten-sind-auch-nicht-viel-schlauer-als-andere-Trophäe, die diesmal an einen Kollegen aus Tschechien geht, der Wolfgang Petersen bei der "Troja"-Pressekonferenz mit folgender Frage sprachlos zurückließ: "Wo liegt das richtige Troja? In Albanien?"
Und abschließend würden wir gerne bitte folgende Preise an der Croisette nicht wieder sehen: Cappuccino: 4,50 Euro. Eine Dose Eistee: 1,80 Euro. Ein Magnum Mandel: 2,80 Euro.