Daumenkino-Ausstellung Erotik per Daumen

Das Daumenkino ist zwar ein allseits bekanntes, aber wenig beachtetes Medium. Jetzt widmet sich erstmals eine Ausstellung im größeren Rahmen den unterschätzten Mini-Büchern. Dabei gilt: anfassen erwünscht.

"Licht aus, Spot an": Die Düsseldorfer Kunsthalle präsentiert bis zum 17. Juli die weltweit erste große Daumenkino-Ausstellung. Erstmals werde das "allgemein bekannte, aber wenig beachtete Medium" in den Mittelpunkt gestellt, sagte Kunsthallenleiterin Ulrike Groos. Zu sehen sind Arbeiten aus rund 135 Jahren von über 170 Künstlern und Filmemachern - darunter Helge Rieder, der mit "Licht aus, Spot an" aus dem Jahr 1995 eines der kleinformatigen "Abblätterbücher" nur mit Text schuf: Ein kreisrunder Lichtschein, der im Dunkeln Stück für Stück den Buchstaben "A" ertastet.

Mini-Bücher mit Kinoeffekt

Daumenkinos seien Mini-Bücher, die für kurze Zeit zum Kino mutierten, sagt Groos. "Es sind Objekte, die angefasst werden müssen, um ihre Inhalte zu erzählen" - wie etwa die Werke der zeitgenössischen Künstler Volker Gerling und Miguel Rothschild. So erzählt Rothschild in einer vielteiligen Rauminstallation mit unzähliger Daumenkinos die Geschichte seines "Traumas als allein stehender Künstler", der seine Ex aus den Fängen der spießigen "Familie Mustermann" befreien will. Gerling stellt in seinen Mini-Büchern Bildersequenzen wie "Herrenklo, Berlin 2005" oder "Frau mit Pelzkragen" dar.

"Herrenklo" ist mit den Aufnahmen von Männern an Urinalen ein witziger Slapstick voller Eile und Drang. Die Bildersequenz über Nadia im Morgenmantel mit Pelzkragen besticht dagegen durch ihre mutige Intimität. Nadia, so erzählt der Künstler, habe immer schon mal ein erotisches Daumenkino von sich besitzen wollen. Das traf sich gut, denn er habe immer schon mal eines machen wollen, in der eine Frau ihre Brüste entblößt.

Erotik per Daumen

Erotik zum "anfassen" ist eines der Themen der Schau. Doch nicht alle Kinos können vom neugierigen Ausstellungsbesucher mit dem eigenen Daumen ausprobiert werden. Historische und damit auch sensiblere Daumenkinos wurden abgefilmt und können "nur" angesehen werden. Im Bereich "Peep Show" sind das neben homo- oder heterosexuellen Kuss-Szenen, rasant gezeichnete Sach-Comics über das Zustandekommen einer Schwangerschaft und Kondomfilme der aufklärerischen AIDS-Kampagne "Mach’s mit". Auch eher kuriose Erotik wie "Proud Pete" findet sich in der Sammlung. Der Zeichentrickfilm des US-Amerikaners George Denniston aus dem Jahr 1973 stellt einen Penis als verhütendes Strichmännchen dar. Noch abgedrehter: Die Daumenkinos aus einem englischen Sachbuch, die gymnastische Übungen zeigen - zur sexuellen Leistungssteigerung von Frauen.

Neben einem Schwerpunkt auf Werken namhafter zeitgenössischer Künstler von Keith Haring, Andy Warhol, William Kentridge, Tony Oursler, Bruce Nauman, Anna und Bernhard Blume, Sol LeWitt oder Richard Serra sind auch zahlreiche historische Kostbarkeiten in der Düsseldorfer Kunsthalle zu sehen. So die "Lebenden Porträts" von Bierkrug hebenden Männern, aus Kaffeetassen trinkenden Frauen oder posierenden Kindern: In den 1920er Jahren wurden solche Porträts als Daumenkino von Fotografen gemacht.

Zu den ältesten Stücken der Schau zählen die "Lebenden Fotografien" von Max Skladanowsky aus dem Jahr 1892. Zu sehen sind "humorige" Szenen wie "Der Floh", der in einem Sofa als Störenfried haust oder Situationen am Rednerpult unter dem Titel "Aus dem deutschen Reichstag". Die ältesten Exponate aber stammen von John Barnes Linnett, dem Erfinder des Daumenkinos. 1868 hatte der englische Drucker sich das Daumenkino als "Kineograph" patentieren lassen.

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Antje Lorscheider/DPA

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