Frau Pfeiffer, Sie haben fast fünf Jahre lang keinen Film gedreht. Fehlte die Lust?
Es war keine bewusste Entscheidung. Ich habe mich einfach zu keinem aufraffen können. Zwei Kinder groß zu ziehen, ist auch nicht ohne - und plötzlich war diese lange Zeit vergangen. Wobei ich sagen muss, nicht zu arbeiten, hat mir auch ganz gut gefallen.
Hat Ihnen nicht etwas gefehlt?
Nun, es ist so: Früher hatte ich nur eine große Leidenschaft, das Spielen. Die ist mir auch nicht abhanden gekommen - es sind nur neue Leidenschaften dazugekommen, zum Beispiel die Liebe zu meinem Mann und zu meiner Familie. Mein Mann David ...
... Kelley, der Erfinder von Fernsehshows wie "L.A. Law" und "Ally McBeal"...
... David hätte überhaupt nichts dagegen, wenn ich mehr arbeiten würde, aber ich empfinde mein Familienleben als sehr erfüllend und befriedigend. Wenn ich früher mal ein Jahr lang nichts gedreht habe, dann sank sozusagen meine Schmerzschwelle: Ich habe mich auf Drehbücher gestürzt, die mir halbwegs sympathisch waren, nur damit ich wieder etwas zu tun hatte. Heute reicht das nicht mehr. Ich lasse mich nicht aus meinem Alltag reißen für wochenlange Dreharbeiten, an denen mein Herz nicht hängt.
Sie kommen jetzt mit zwei Filmen ins Kino, dem Musical "Hairspray" und dem Fantasy-Abenteuer "Stardust". Waren die es wert, dass Sie dafür Ihren Alltag unterbrochen haben?
Ja, da hat einfach alles gestimmt - also auch das Timing. Ich würde niemals im Winter einen Film drehen, weil da meine Kinder zur Schule gehen und ich jeden Tag zu Hause sein will, wenn sie heimkommen. Im Sommer aber haben sie lange schulfrei und gehen in Ferienlager, da kann ich dann auch mal einen Film machen.
In "Hairspray" spielen Sie eine fiese ehemalige Schönheitskönigin, in "Stardust" eine alte Hexe, die über Leichen geht, um ihre Jugend wiederzuerlangen. Beides Frauen mit panischer Angst vor dem Älterwerden - muss man da ein Muster sehen?
Nun, je älter ich werde, desto leichter fällt mir das Älterwerden. Gut, ich muss jetzt strenger auf meine Ernährung achten und mehr für die Figur tun, und wenn ich mich verletze, dann dauert es länger, bis ich wieder fit bin. Aber das Älterwerden hat auch seine Vorteile. Es fühlt sich an, als ob man das ganze Leben einen Hügel hinaufschnauft, und ich befinde mich jetzt ganz bequem auf der Abfahrt.
Sie sind 49 und alle Welt staunt, wie blendend Sie aussehen. Was sagen Sie zu Schönheitsoperationen?
Ach, ich weiß nicht. Es heißt ja immer, die guten, die sieht man gar nicht, aber ich hätte echt Angst vor den schlechten. Und selbst wenn man nach so einer OP jünger wirkt - bleibt die Frage, ob man damit auch wirklich besser aussieht.
In "Hairspray" sagen Sie einige sehr grausame Dinge zu Ihrer Film-Tochter über deren Figur. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem eigenen Körper?
Ich habe Hemmungen mich im Badeanzug am Strand zu zeigen. Ich habe es noch nie gemocht, meinen Körper zur Schau zu stellen. Vielleicht liegt das daran, dass ich früher immer wegen meiner Jungsfigur gehänselt worden bin - ich hatte kaum Busen und superdünne Beine. Ich fürchte jedes Mädchen kennt diese Selbstzweifel, diesen Druck, einem vollkommen unrealistischen Schönheitsideal nachzueifern, wie es in Modezeitschriften zum Beispiel propagiert wird. Es ist so ungerecht! Wir Frauen sind es schließlich, die diese Hefte kaufen, wir lassen uns unnötig deprimieren.
Sie sind oft genug auf dem Titel dieser Zeitschriften.
Ja, aber ich sage den jungen Mädchen immer, dass ich sorgfältig retuschiert worden bin. Jede Frau kann toll aussehen, wenn sie Make-up-Spezialisten und Fotografen hat, wie sie bei solchen Produktionen üblich sind!
In "Stardust" fallen Sie sozusagen ins andere Extrem: Sie sehen fürchterlich aus.
Am Anfang hat das Hexen-Make-up sechs Stunden lang gedauert. Ich spiele immerhin eine fünftausend Jahre alte Dame. Nach ein paar Tagen bekamen die Maskenbildner allerdings Routine, dann waren es nur noch viereinhalb Stunden. Abends haben sie es dann in einer Stunde wieder von mir runtergepult.
Hat Ihnen das Spaß gemacht?
Na, morgens um vier in der Maske sitzen macht wohl niemandem Spaß. Aber davon abgesehen war diese Rolle großartig. Mein Traum ist es, mal in einem Film mitzuspielen, wo mich kein Mensch erkennt, wo ich auch im Vorspann nicht genannt werde. Dann würde ich gern in eine Vorstellung schleichen und horchen, ob die Leute merken, wer ich bin.
Woher kommt denn dieser Wunsch?
Ich habe keine Ahnung. Soll ich mich auf die Therapie-Couch legen?
Wenn es hilft ...
Vielleicht hängt es damit zusammen, dass ich von meiner ganzen Persönlichkeit her jemand bin, der sich gern zurückhält und versteckt. Wenn ich in eine Rolle schlüpfe, dann kann ich mich auf eine versteckte Weise ausdrücken, das ist sehr befreiend.
Wussten Sie schon früh, dass Sie Schauspielerin werden wollten?
Wie viele junge Mädchen habe ich davon geträumt. Aber die Entscheidung fiel, als ich eines Tages bei meinem Job im Supermarkt - ich packte den Leuten an der Kasse ihre Tüten ein - von so einem Typen total angemacht wurde, weil ihm die Melonen zu teuer waren. Ich habe mir seine Schimpferei angehört und mich gefragt: Willst du dir das wirklich antun? Jeden Tag hier stehen und dir dieses Zeug anhören? Und da wusste ich genau, dass ich Schauspielerin werden wollte.
Was haben Sie also unternommen?
Ich habe Fotos von mir machen lassen. Ich habe im Telefonbuch unter Modellagenturen nachgeschaut, weil ich mir dachte, die wissen ja wohl, wie so was geht. Man hat mir gesagt, ich solle unverbindlich vorbeikommen, und so sind meine ersten Bilder entstanden. Und dann kam eins kam zum andern.
Sie haben auch an Schönheitswettbewerben teilgenommen?
Ja, ein Freund sagte mir, der Jury-Vorsitzende sei ein Agent für Schauspieler, und so habe ich bei dem unterschrieben. Das hat mir den Anfang erleichtert. Ich nahm Schauspielunterricht und bekam dann Kontakt zu einem anderen Agenten, der mich in seine Kartei aufnahm. Er hat mir erste Fernsehrollen vermittelt, und so fing alles an, Schritt für Schritt.
Schauen Sie sich Ihre alten Filme gern an?
Nie. Das würde mich nur nervös machen.
Warum sind Sie vor ein paar Jahren mit Ihrer Familie aus Los Angeles nach Nordkalifornien gezogen?
Es ist nicht so, dass ich Los Angeles nicht mag - obwohl die Paparazzi schon sehr nerven. Aber mein Mann und ich haben immer gesagt, wenn die Kinder mal ein bisschen älter sind - Claudia ist jetzt 14 und Jack Henry 13 -, wollen wir in einer Gegend leben, in der es ein bisschen gemächlicher zugeht. Außerdem reitet meine Tochter, und wir haben jetzt ein richtig großes Grundstück mit Pferden, so ein Ranch-Leben ist in Los Angeles nicht möglich.
Sie sind seit vierzehn Jahren verheiratet. Gibt es da ein Erfolgsgeheimnis?
Ich hab mir den Richtigen ausgesucht.
Mögen Ihre Kinder Ihre Filme?
Sie interessieren sich nicht besonders dafür. Neulich habe ich meinem Sohn einen meiner Filme empfohlen, ich weiß nicht mehr welchen. Ach, sagte er, ist das der, in dem du das und das machst? Der kam gerade im Fernsehen, ich habe die ersten zehn Minuten gesehen. Und? Fragte ich, weiter hat es dich nicht gepackt? Nö, sagte er. Soviel dazu.
Haben Sie Ihren Kindern zuliebe schon mal eine bestimmte Rolle angenommen?
Nein, dazu bin ich viel zu egoistisch! Na gut, einmal habe ich in der Muppet-Show mit Miss Piggy gekämpft.
Berühmte Hollywood-Stars wie Glenn Close und Holly Hunter spielen derzeit Hauptrollen in amerikanischen Fernseh-Shows. Hat Ihr Mann Ihnen je angeboten, eine Serie für Sie zu schreiben?
Oh nein! Eine schreckliche Vorstellung. Wir beide kommen viel zu gern abends nach Hause und schimpfen darüber, was uns auf der Arbeit geärgert hat - und jeder von uns erwartet, dass der andere immer auf seiner Seite ist. David könnte sich nie über seine zickige Hauptdarstellerin beklagen und ich nie über den sturen Drehbuchautor! Manchmal würde ich gerne mit ihm arbeiten, er schreibt schließlich wunderbare Stoffe für Frauen. Aber nein, ich kenne zu viele Paare, die durch die gemeinsame Arbeit ihre Ehe aufs Spiel gesetzt haben.
Wie groß ist Ihr Ehrgeiz?
Einer der Vorteile des Älterwerdens - und wir suchen ständig nach den Vorteilen, nicht wahr? - ist, dass ich immer weniger das Gefühl habe, ich müsste mir oder anderen etwas beweisen.
Und wie steht es um Ihre Disziplin?
Ich komme aus einer Arbeiterfamilie. Mein Vater hat uns vier Kindern dieses ganz traditionelle amerikanische Arbeitsethos eingeimpft: Wenn du dich wirklich anstrengst und hart arbeitest, dann kannst du alles erreichen. Ich habe immer gern gearbeitet. Egal was du tust, sagte er, gib dir Mühe und mache das Beste daraus. Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich bin gründlich, in allem, was ich tue. Wenn ich einen Schrank sauber mache, dann ist es hinterher der sauberste Schrank, den man sich denken kann.
Was machen Sie, um sich zu entspannen?
Ich male. Ölbilder. Stillleben. Nichts Weltbewegendes, aber genieße es seit vielen Jahren. Unser Keller steht voll mit meinen Bildern.
Wenn Sie morgen in Urlaub fahren könnten, was wäre Ihr Ziel?
Urlaub? Nun, dann würde ich zuallererst einen dicken fetten Burrito mit Guacamole essen. Ich liebe mexikanisches Essen, ich liebe Mexiko. Aber würde ich überhaupt eine Reise machen wollen? Ich glaube nicht. Ich würde zu Hause bleiben. Da bin ich am liebsten.
Interview: Frances Schönberger/Christine Kruttschnitt
Der Film "Hairspray" läuft am 6. September 2007 in den deutschen Kinos an.