Nicholas Sparks: Seit 30 Jahren steht der Name für maximal erfolgreiche Liebesromane. Und nein, wir sagen an dieser Stelle nicht Kitsch. Noch nicht. Schließlich gibt es kaum ein Buch des Amerikaners, das es nicht auf die Bestsellerlisten geschafft hat. Rund 100 Millionen verkaufte Romane weltweit, viele davon fürs Kino adaptiert: Das kann ja durchaus bedeuten, dass da literarische Qualität einfach sehr schlau an den Marktlogiken des Massengeschmacks entlangkonfektioniert wurde. Man denke nur an "Message in a Bottle", verfilmt mit Kevin Costner und Robin Wright, an "Das Leuchten der Stille" (Channing Tatum und Amanda Seyfried), und natürlich an "The Notebook – Wie ein einziger Tag", Sparks‘ erfolgreichste und bekannteste Erzählung, mit Ryan Gosling und Rachel McAdams regennass auf die Leinwand geschmachtet. Bis heute gilt Sparks‘ Debütroman allen Fans als Love Story schlechthin. "Ich weiß gar nicht, wo ich wäre, hätte ich das Buch nicht geschrieben", sagt auch der Autor selbst im Videocall. Man ist mit ihm notwendigerweise weit hinten im Lebenslauf eingestiegen, um zu verstehen, wie Sparks damals seine Erfolgsurformel fand: starker Mann mit Problemen –Krankheit in der Familie, Kriegstrauma, Verlust – trifft auf schöne Frau – oft gläubig, manchmal todkrank –, und zusammen überwinden beide Hindernisse, um am Ende mit der überlebensgroßen Liebe belohnt zu werden.
Kitsch? Nein, sagen wir gar nicht. Erstmal sehen wir Sparks zu, wie er, etliche Jahre und Variationen seines Rezepts später, die Liebesgeschichte Nummer 25 in die Kamera hält: "Remain – Was von uns bleibt". Sparks lebt in einer Villa in North Carolina, wo auch die meisten seiner Bücher spielen. Die "New York Times" war mal zu einer Homestory eingeladen, man sah eine museumsartige Eingangshalle und Sparks‘ Büro mit Regalen aus dunkler Eiche, in denen Ausgaben seiner Titel standen.
"Remain – Was von uns bleibt" ist nun insofern eine Überraschung, da der Roman von der Erfolgsformel abweicht. Es ist eine Kollaboration mit dem "The Sixth Sense"-Regisseur M. Night Shyamalan, bekannt für Mystery-Thriller mit harten Plot-Twists. Gemeinsam erzählen die beiden die übersinnliche Geschichte des trauernden Tate, der sich in eine mysteriöse Frau verliebt, die in einem alten Hotel lebt. Schon 2026 kommt "Remain" in die Kinos, in den Hauptrollen Jake Gyllenhaal und Phoebe Dynevor. Die Anschlussverwertung, Sparks denkt sie längst mit.
Nicholas Sparks bereut seine gescheiterte Ehe nicht
Angst, dass die neue Ausrichtung treue Fans verprellen könnte, hat er nicht. "Es spielt immer noch an der Küste. Es ist immer noch sehr romantisch. Zwei Leute verlieben sich. Meine Fans bekommen genau das, was sie wollen", erklärt Sparks, und vielleicht steckt in dieser pragmatisch-rationalen Selbstbeschreibung mehr Aufrichtigkeit, als sie seinem Œuvre guttut. Dass hier ein Romancier mit allzu blumigen Worten das eigene Werk nachträglich zu überhöhen oder intellektuell aufzuladen versucht, ist dem Mann jedenfalls nicht vorzuwerfen.
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Juliet, Naked
Fans des britischen Autors Nick Hornby können sich bereits denken, dass es sich bei "Juliet, Naked" nicht um die typische Romanze handelt. Darum geht's: Annie und Duncan sind seit vielen Jahren ein Paar und so langsam ist ein bisschen die Luft raus. Zwar waren sie gerade erst gemeinsam in den USA, um dort auf den Spuren von Duncans mysteriösem Musik-Idol Tucker Crowe zu wandeln, aber für viel mehr als Crowe interessiert Duncan sich eben auch nicht. Als also das Überraschungs-Album nach vielen Jahrzehnten Stille ausgerechnet in Annies Händen landet und diese eine vernichtende Kritik dazu ins Internet stellt, ist Duncan am Boden zerstört. Und dann bekommt Annie eine E-Mail – von Tucker Crowe selber…
"Juliet, Naked" findest du hier auf Audible.
Noch besser wird es, wenn Sparks erzählt, wie die Zusammenarbeit mit Shyamalan ablief: "Ich habe meine Geschichte gepitcht. Er hat seine Geschichte gepitcht. Wir haben uns für seine entschieden und die nächsten anderthalb Stunden Details ausgearbeitet." Wie heißen die Protagonisten, welchen Job haben sie? Wer sind Nebencharaktere? So simpel strickt man einen Bestseller. Manche mag das enttäuschen. Aber auch Enttäuschung ist Literatur.
Lange hat Sparks’ Privatleben Inspiration für seine Bücher geliefert. Die Geschichte der an Alzheimer erkrankten Figur in "The Notebook" etwa basierte auf den Erlebnissen der Großeltern seiner Ex-Frau. Mit ihr hat er fünf mittlerweile erwachsene Kinder, die Hauptfiguren seiner Bücher sind oft nach ihnen benannt. 25 Jahre war das Paar verheiratet, 2015 ließ man sich scheiden. Nicht ideal für das Image eines Mannes, der ständig über Liebe als Vollerfüllung schreibt, könnte man meinen. "Ich bereue es nicht, verheiratet gewesen zu sein. Ich finde die Ehe wunderbar. Sie hat so lange funktioniert, bis sie es eben nicht mehr tat", sagt Sparks dazu nur.
Manche werfen ihm vor, dass seine Vorstellungen von Romantik stereotyp seien und in seinen Romanen Geschlechterklischees reproduziert werden. Sparks sagt: "Darauf reagiere ich gar nicht." Eigentlich schade. Er fügt dann aber doch noch hinzu, dass die Welt ja voll von Büchern sei. "Wenn dir meine nicht gefallen, dann lies doch etwas anderes!" Den Drang, seine Geschichten dem Zeitgeist anzupassen, hat er noch nie verspürt. "Die Menschen verändern sich viel weniger als die Welt um sie herum. Gefühle bleiben in der Regel die gleichen." Vor 100 Jahren hätten Menschen Wut genauso empfunden wie heute. Dasselbe gelte für die Liebe. So denkt Sparks.
Wer nach Brüchen in dieser durchkalkulierten Starschreibervita sucht, landet im Jahr 2019: Da entschuldigte sich Sparks auf Facebook, nachdem ihm der ehemalige Direktor einer christlichen Schule, die einst vom Autor gegründet worden war, Homophobie und Rassismus vorgeworfen hatte. Sparks soll unter anderem versucht haben, die Gründung eines Clubs für LGBTQ-Schüler zu verbieten. Ein seltener Moment des politischen Aufflackerns, wie es in Sparks Büchern nie vorkommt. Gerät er, zumal mit der Reichweite, wirklich nie in Versuchung, sich stärker zu positionieren in der aufgeheizten Lage in den USA? "Ich schreibe niemals mit dem Gedanken, jemanden von etwas zu überzeugen. Ich will einen großartigen Roman schreiben, der den Lesern gefällt. Und in den sich Hollywood verliebt!", erklärt Sparks, ehe seine PR-Assistentin darum bittet, keine weiteren Fragen zu Politik zu stellen. Was recht lustig ist, weil man, genau genommen, ja noch gar keine Frage zu Politik gestellt hat.
Völlig klar jedenfalls, dass auch "Remain – Was von uns bleibt" die Bestsellerlisten stürmen wird. Nur was bleibt eines fernen Tages vom Autor Nicholas Sparks? Er überlegt: "Manchmal ist mir dieser Gedanke schon gekommen. Aber dann habe ich gemerkt: Ich werde tot sein, also wen kümmert‘s?"