Pädophile Priester und Homoehe, Stammzelltherapie und Organhandel: Was wie die Tagesordnung einer Krisensitzung im Vatikan klingt, sind nur einige der Themen, die im neuen "Akte X"-Kinofilm "Jenseits der Wahrheit" angeschnitten werden. Sechs Jahre nachdem die preisgekrönte Erfolgsserie eingestellt wurde, melden sich die beiden Experten fürs Übersinnliche, Special Agents Fox Mulder (David Duchovny) und Dana Scully (Gillian Anderson), zurück zum Dienst. Nur sind sie keine FBI-Agenten mehr - und ihre Welt hat sich verändert.
Auch im Akte X-Universum sind sechs Jahre vergangen: Scully arbeitet inzwischen an einem christlichen Krankenhaus, Mulder ist untergetaucht, da das FBI ihn sucht. Aber ihre paranormale Vergangenheit holt die beiden schon in den ersten Minuten des Films wieder ein. Eine junge FBI-Agentin ist entführt worden und die Ermittler sind ratlos. Nur einen Anhaltspunkt haben sie: Einen ehemaliger Priester und verurteilten Kinderschänder (Billy Connolly), der behauptet, eine übersinnliche Verbindung zu dem Opfer zu haben. Grund genug für das FBI, dem in Ungnade gefallenen Mulder zu verzeihen und ihn um Hilfe zu bitten. Doch der Weg zu Mulder führt über Scully und so tappt das ungleiche Ermittlerteam bald wieder durch düster-unheimliche Landschaften.
Die Handlung ist im winterlichen Virginia angesiedelt, die Szenen sind in Dunkelheit, in Schnee und Eis getränkt - und natürlich in Blut. Halb FBI-Thriller, halb Horrorfilm entwickelt "Akte X - Jenseits der Wahrheit" so die düster atmosphärische Spannung, die die Fernsehserie neun Jahre und 202 Episoden lang so erfolgreich gemacht hat.
Leider hat Drehbuchautor und Regisseur Chris Carter mehr vor, als nur einen unterhaltsamen Film zu drehen. Er will die großen Themen unserer Zeit gleich mit abhandeln. 105 Minuten um Stammzelltherapie und Theologie, Gottesglauben und rationales Wissenschaftsdenken zu versöhnen? Kein Problem, hat er sich scheinbar gedacht. Hollywood ist schließlich die Traumfabrik. Beherzt wendet er sich an die Themen, die Amerika gegen Ende von Bushs zweiter Amtszeit bewegen. Aber die sind bleischwer und Carter verhebt sich völlig.
Trotzdem ist es ein gelungenes Comeback für Akte X - und das liegt vor allem an den beiden Hauptdarstellern. Von der menschlichen Spannung zwischen der distanzierten Wissenschaftlerin Scully und dem eifernden UFO-Jünger Mulder lebte schon die Serie jahrelang - und auch im Film überzeugt die Chemie der zwei noch immer. Dabei haben sich die Charaktere weiterentwickelt. "I'm done chasing monsters in the dark", sagt Scully einmal, "Ich habe es satt, Monster im Dunkeln zu jagen" - und die Resignation, die dabei aus ihr spricht, der innere Rückzug vor den grauenhaften Abgründen im Menschen ist eigentlich das Interessanteste, was der Film zu bieten hat.
"Jenseits der Wahrheit" profitiert davon, dass er nicht wie der erste "Akte X"-Film in die komplizierte UFO-Mythologie eintaucht, die die Serie vor allem zum Ende hin dominierte. Stattdessen kehrt er zurück zum bewährten Format des "Monsters der Woche". Das Ergebnis wirkt wie eine dieser alleinstehenden Folgen der Serie, ausgedehnt auf Spielfilmlänge und angereichert mit christlicher Symbolik statt Alien-Paranoia.
Sollte der neue "Akte X"-Streifen erfolgreich sein, hat Chris Carter angekündigt, will er noch einen dritten Kinofilm drehen. Der würde dann natürlich in der Nach-Bush-Ära spielen. Vielleicht geht es dann auch wieder weniger um Glauben und Gene und noch mehr um das, was Mulder und Scully am Besten können: Monster jagen.