Interview mit Oliver Berben "YouTube ist eine Schatzkiste"

Kürzlich verkündete er seine Pläne zu einem Film über den Rapper Sido. Dessen Fans kennen sich meist bestens mit Handys aus. Nun sitzt Produzent und Regisseur Oliver Berben in der Jury des Mobilefilmfestivals. stern.de sprach mit ihm über den neuen Markt für Kleinstfilme, die Internet-Clipkultur und die Stärken des Selbstgedrehten.

Herr Berben, drehen Sie manchmal Filme mit dem Handy?

Eher weniger. Was vor allem daran liegt, dass ich nicht immer so genau weiß, wie das funktioniert (lacht). Womit ich mich aber umso mehr beschäftige, ist die Frage, für welche Art von Inhalten Handys gebraucht werden, welche Rolle dabei auch das Drehen von kleinen Handyfilmen spielen kann. Ich glaube, dass normale Fernseh- und Kinoware sich auf dem Mobiltelefon schwer durchsetzen wird. Was Fiktionales betrifft, ist das ein sehr innovativer Markt. Wir stehen da noch am Anfang. Auf dem Mobilefilmfestival wird man mit einer Vielzahl von neuen, jungen, frischen Ideen konfrontiert. Das ist unglaublich vielfältig.

Sie sehen sich auf dem Markt um?

Im Grunde begann das vor eineinhalb Jahren, als ein Kollege mir erzählte, dass sie Doku-Soaps fürs Handyfernsehen entwickeln. Daily Soaps, die ganz speziell fürs Handy gemacht werden. Das darf also nicht so lang sein, weil man nicht eine halbe Stunde auf einen Mini-Display starren kann, ohne dass man verrückt wird. Die Art des Filmemachens muss außerdem eine ganz andere sein als fürs große Fernsehgerät. Man kann auf einem Handy nicht wahnsinnig viele Totalen zeigen, weil man da kaum etwas erkennen würde. Man muss stattdessen andere Formen der Umsetzung finden. Die Erzählweise muss schneller werden. Die Kamera muss eher nahe Einstellungen einfangen, als die weiten, geöffneten.

Wegen des kleinen Formats ist es sicher ein Vorteil mit dem Handy fürs Handy zu filmen. Auf Kleinformat sozusagen.

Klar. Dadurch, dass sie zu jeder Zeit und an jedem Ort Kameramann werden können, entsteht natürlich auch eine ganz andere Dynamik.

Gilt das besonders fürs Dokumentarische?

Das kann man schwer sagen. Ich glaube natürlich, dass speziell junge Leute das sehr stark, ich nenne es mal "dokumentarisch", nutzen, indem sie Dinge in ihrem Umfeld aufnehmen. Im kommerzielleren Bereich könnte ich mir aber auch vorstellen, dass damit Informationen vermittelt werden. Stellen Sie sich vor, Sie kommen in eine neue Stadt und bekommen eine Art City-Guide, der nicht nur über Papier vermittelt wird, sondern auch über Töne, Bilder, übers Handy. Da entstehen neue, spannende Möglichkeiten.

Die Filmfirma Senator hat gerade angekündigt, eine Handyfilmtochter zu gründen. Planen Sie auch in diese Richtung?

Aus unserer Sicht braucht man das nicht. Sie können mit dem bestehenden Personal arbeiten. Oder Sie nehmen sich neue, jüngere Leute mit dazu, die man beispielsweise auf so einem Festival entdeckt. Eine eigene Firma brauche ich dafür erst einmal nicht.

Ist das grundsätzlich eine Bereicherung - die Kamera am Handy? Oder vielleicht auch ein Fluch. Gerade aus der Sicht eines Prominenten? Der Bild-Leserreporter schläft nicht...

Das haben Sie beim Foto doch genauso. Ist halt so. Als vor vielen, vielen Jahren die Zeitung eingeführt wurde, war das damals auch eine völlig neue Art der Berichterstattung. Das wird sich bei Handys oder Digitalkameras mit der Zeit genauso legen.

Sie plädieren für Gelassenheit.

Ja, natürlich.

Wenn man aus dem Restaurant kommt und sofort zückt jemand sein Handy - das ärgert sie nicht?

Ich glaube wirklich, das muss man relativ gelassen sehen.

Der Handyfilm hat ein ziemlich schlechtes Image, oder? Irgendwo zwischen Schulhofschlägerei und Rotlichtbezirk im Internet. Kann so ein Festival daran etwas ändern?

Ich glaube, dass ist zunächst keine Frage der Technik. Da muss man in der moralischen und erzieherischen Hinsicht etwas tun. So ein Festival kann den Leuten sehr wohl zeigen, welche kreativen und innovativen Möglichkeiten sie haben, das Medium zu nutzen. Ob man sie davon abhalten kann, damit illegale oder moralisch fragliche Dinge zu tun, ist eher eine Frage der Erziehung. Man muss den Leuten klar machen, dass das nicht gut ist. Dabei ist es völlig egal, ob sich das aufs Handy bezieht oder auf andere Medien.

Was haben Sie für ein Verhältnis zu YouTube? Das ist ja gewissermaßen auch eine Handyplattform, auf der viel Selbstgedrehtes landet.

Ich persönliche finde es hervorragend. Ich nutze es selbst viel. Es ist eine riesengroße Schatzkiste. Man kann dort völlig unterschiedliche Dinge finden, von alten Filmtrailern bis zu Erstlingswerken. Außerdem bietet es verschiedenste Möglichkeiten, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich halte das für großartig und hoffe, dass es auch noch sehr viel weiter gefördert wird.

Entwickeln sich da schon eigene YouTube-Genres?

Ganz sicher. Es ist ja nicht nur YouTube, es gibt ja etliche andere Plattformen. Die Filme dort werden teilweise mehrere Millionen Mal heruntergeladen oder angesehen. Das ist eine Entwicklung, die man nicht einfach ignorieren kann, weil sie einen neuen Markt öffnet, wenn wir über solche hohen Zahlen reden. Es ist daher ein ganz ernstzunehmendes Medium für Leute, die sich schon länger und ausführlicher mit Film beschäftigen.

Beeinflusst der Netzschnipsel, der Videoplattform-Clip das Filmschaffen, die Ästhetik?

Nein, das glaube ich nicht. Das ist ein ganz anderes Medium. YouTube oder Handy-TV ist nicht Fernsehen. Der Nutzer entscheidet ganz bewusst, was er macht. Wenn er sich abends hinsetzt, um einen Film zu sehen, ist das etwas ganz anderes, als wenn er im Bus oder der U-Bahn die neuesten Nachrichten anschaut. Das ist eine andere Form und ich glaube, dass es sich eher gegenseitig befruchtet, als dass es sich schaden wird.

Worauf werden Sie als Jury-Mitglied achten?

Das kann ich und will ich gar nicht sagen. Wenn man sich die Ergebnisse des vergangenen Jahres anschaut, sieht man: Da gibt es wahnsinnig unterschiedliche Sachen. Ich bin da ganz offen.

Gewonnen hat 2007 unter anderem ein Clip, der Tricks mit Würfen zeigt. Das erinnert ein bisschen an YouTube-Videos.

Absolut. Eine Daseinsberechtigung hat das erst einmal alles. Die Frage ist, ob es die Leute interessiert. Das muss sich dann zeigen.

Besteht die Gefahr der Belanglosigkeit?

Sicher. Ich habe die Sache mit den Würfeln beispielsweise nicht ganz verstanden. Aber das liegt möglicherweise auch daran, dass ich aus dem erzählenden Bereich komme und deshalb immer versuche, eine Geschichte herauszulesen.

Sie produzieren ja demnächst einen Film mit einem, der im weitesten Sinne mit dieser Happy-Slapping und Handyporno-Sache zu tun hat, mit dem Rapper Sido. Das wäre aber kein Format fürs Handy, oder?

Auf keinen Fall. Das ist eine Geschichte fürs Kino. Es kommt darauf an, was Sie erzählen wollen. Ich möchte ja keinen Dokumentarfilm drehen, sondern eine fiktionale Erzählung. Sidos Fans beschäftigen sich allerdings tatsächlich sehr stark mit dem Handy. Da wird es sicherlich Möglichkeiten der Kooperation geben. Aber wie das genau aussehen wird, dazu kann ich nichts sagen. Dafür ist es noch viel zu früh.

Interview: Johannes Gernert

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