Wie sie das geschafft hat? Wie sie damals, vor gut elf Jahren, vielleicht die Rolle ihres Lebens an Land gezogen hat? Den Job als Gmeinwieser Susi – ja, so heißt sie wirklich in den Verfilmungen der Eberhofer-Krimis –, der schrillen und doch liebenswürdigen Partnerin des Helden, die das Klischee von der blonden Verwaltungsfachangestellten bestätigt und zugleich bricht. Nun, ziert sich Lisa Maria Potthoff kurz und kaut auf ihrem Falafel herum, soll sie das wirklich erzählen? Also gut, ein wenig peinlich sei es ihr aber schon.
Wir sitzen im Außenbereich eines Münchner Restaurants. Ein paar Hundert Meter entfernt findet in wenigen Stunden die Premiere des neuen Films statt: "Rehragout-Rendezvous", der bereits neunte Teil einer Reihe, die sich zu einem der größten deutschen Kinohits entwickelt hat. Lisa als Susi ist in diesem niederbayerischen Mikrokosmos aus seltsamen Mordfällen und mindestens genauso seltsamen Protagonisten so unverzichtbar wie der Bierdampf überm Stammtisch.
Provinzkomödie mit derbem Witz
Zu Beginn sei nichts außergewöhnlich gewesen, hebt Potthoff an. Eine Einladung zum Casting für drei Drehtage für einen kleinen bayerischen Fernsehfilm. Von Kino war überhaupt nicht die Rede. Also ging sie ohne große Erwartungen zum Vorsprechtermin mit dem Regisseur Ed Herzog. Der steckte sie gleich mit einem fremden Schauspieler ins Bett. Einen Beziehungsstreit mit Franz sollte sie spielen. Genau genommen ein ernstes Thema, doch Herzog war unzufrieden, fand die Szene nicht lustig genug. "Ich hab dann überlegt und zu meinem Spielpartner gesagt: Erschrick nicht, ich probier jetzt was aus", sagt Potthoff. Dann habe sie angefangen, ihm unter der Bettdecke scheinbar einen runterzuholen, während sie ihm gleichzeitig Vorwürfe machte. "Ich dachte, das ist genau die Susi!", sagt sie heute. "Oben streiten sie, und unten macht sie es ihm schön." Der Regisseur war angetan.
Inzwischen wird Potthoff selbst im Urlaub auf Sizilien oder beim Einkaufen von Fremden erkannt und angesprochen: "Bist du die Susi? Das glaub ich jetzt nicht!"
Derbe Witze machen einen großen Teil des Charmes der Provinzkomödien aus, die regelmäßig mehr als eine Million Zuschauer ins Kino ziehen. "Rehragout" schmeckt etwas deftiger, weil diesmal nicht nur ein Großbauer gehäckselt wird, sondern Susi mehr Verantwortung übernehmen darf. Nach einem Skiunfall des Bürgermeisters steigt sie zu dessen Stellvertreterin auf und versucht sich in Aktionismus. Kindergarten ausbauen, mehr Touristen nach Niederkaltenkirchen locken – und ihren Franz auf halbtags setzen, damit der sich um Kind und Haushalt kümmern kann. Seine Oma hat nämlich genug vom Kochen und Putzen, will sich in einer Frauen-WG selbst verwirklichen. Mit 86 Jahren.
Genug Stoff also für die Handlung. Potthoff nutzt diese Chance fulminant und treibt mit Overknee-Stiefeln, Leoparden-Jeans und Outfits, die auch Barbie beglücken würden, den Feminismus auf die rosarote Spitze. Bis Franz Potenzprobleme bekommt, womit wir wieder beim derben Humor wären.
"Susi ist der Supporting Act für Franz. Er mag keine Veränderung – sie treibt ihn vor sich her", sagt Potthoff. Sie findet es toll, dass Susis Emanzipationsprozess im Film angekommen sei, dieses "Ich-will-noch-was-Erreichen im Leben einer erwachsen gewordenen Frau".
Lisa Maria Potthoff brilliert mit ihrer Vielfältigkeit
Potthoff ist vor ein paar Tagen 45 geworden, hat zwei Töchter im Alter von 14 und acht Jahren und einen Ehemann, der Dokumentarfilme produziert. Sie wurde in Berlin in eine Arztfamilie hineingeboren, die sie noch als Kleinkind nach Oberbayern "verschleppte". Statt für Medizin begeisterte sie sich früh für die Schauspielerei und ließ sich unter anderem an einer Privatschule ausbilden. Bald folgten erste Jobs für Dominik Graf oder in der Krimiserie "Derrick".
Berufliche Duftmarken setzt sie jedoch längst nicht nur als Dorfschönheit. In den Usedom-Krimis der ARD überzeugte sie sechs Folgen lang als wortkarge Mutter, in den "Sarah Kohr"-Thrillern des ZDF ermittelt ihre Hardcore-Kommissarin seit acht Folgen buchstäblich auf eigene Faust. Zwei Stunt-Preise hat Potthoff schon gewonnen für ihre Auftritte, seit sechs Jahren trainiert sie auch privat Krav Maga und andere Kampfsportarten. "Das macht mich generell fitter und belastbarer für meinen Beruf", sagt sie. "Aber ich versuche schon, dass ich ein wenig mehr auf den Hüften habe, wenn ich als Susi drehe." Über Körper oder Bilder von Weiblichkeit macht sie sich dennoch wenig Gedanken. "Mein Beruf ist eine Kunstform, ich sehe darin keinen erzieherischen Auftrag", erklärt sie. Dennoch versuche sie, ihren Mädchen zu Hause ein Bewusstsein der eigenen Stärke zu vermitteln: "Dein Nein zählt. Mach nur, auf was du Lust hast. Und wenn ein Erwachsener ein Geheimnis mit dir haben will, komm sofort zu mir."
Warum die Eberhofer-Filme weiterhin so beliebt sind? "Wir sind anders als andere Filme, wir erzählen von Verlierertypen", sagt Potthoff. "Unsere Figuren sind eher einmal mehr als weniger auf die Schnauze gefallen, und wir Schauspielerinnen und Schauspieler beweisen Mut zur Hässlichkeit." Zudem helfe die Mundart. "Weil sie die Figuren runterholt und erdet." Ein Gedanke, der auch Susi gefallen würde.