Man fühlt sich an die zauberische Atmosphäre der ersten Kate-Bush-Platte erinnert. Das Schöne an Imogen Heaps Album "Sparks": Es hält dem Vergleich zumindest weitgehend stand.
Der fünfminütige Opener "You Know Where To Find Me" ist ein kleines Wunderwerk aus zarten Piano-Akkorden und dramatischen Chor-Passagen, unerwarteten Wendungen und einem wunderbar stillen Verebben zum Schluss. Bushs "The Man With The Child In His Eyes" kommt in den Sinn, jener meisterhafte Song, der die damals 19-jährige Britin vor 35 Jahren als früh vollendete Balladen-Sängerin präsentierte.
Auch Imogen Heap ist Britin, und wie Bush gehört sie zum kleinen Zirkel exzentrischer Singer/Songwriterinnen, die das Klavier in den Mittelpunkt ihrer Klangwelt stellen. "Sparks" (Megaphonic/Rough Trade) ist nun ihr Opus magnum, nach dem ebenfalls bereits hochgelobten "Ellipse". Und wieder ist dies eine fantastische Kopfhörer-Platte, nur so kommen alle Feinheiten zum Vorschein.
Mehr als ein Geheimtipp
Ambitionierter Piano-Pop, Streicherbombast ("The Cycle Song"), spukige Spoken-Word-Passagen ("Neglected Space"), nahöstliche Exotik ("Minds Without Fear"), raffinierte elektronische Sounds und diverse vokale Extravaganzen (beispielsweise ihre gedoppelte und gedreifachte Stimme in "The Listening Chair") - auf dem fünften Heap-Album findet all das wie in einem modernen Musical zusammen.
Mit einer Stunde Spieldauer ist "Sparks" womöglich zu lang geraten - die letzten der insgesamt 14 Songs werden etwas zäh, ohne dass man sie als Schwachpunkte bezeichnen könnte. Aber der kreative Überfluss war wohl so groß, dass es die 36-jährige Engländerin nicht bei zehn bis zwölf Liedern in kompakteren 45 Minuten bewenden lassen wollte.
Imogen Heap – in ihrer Heimat schon längst mehr als ein Geheimtipp - reiht sich mit diesem tollen Artpop-Album bei den Künstlerinnen ein, die auf den Spuren von Kate Bush nachhaltig beeindruckt haben: Tori Amos, Björk, Fiona Apple, Polly Jean Harvey, Regina Spector, Shara Worden (My Brightest Diamond), um nur die bekanntesten und wichtigsten zu nennen. Willkommen im Club der großen Individualistinnen.