Fanta4-Konzert Wenn Polarkappen schmelzen

  • von Nele Justus
  • und Björn Erichsen
Zurzeit sind die Fantastischen Vier viel unterwegs. Bei ihrem Konzert in Hamburg haben sie gezeigt, was passiert, wenn süddeutsche Rapper auf Nordlichter treffen.

Schon zwei Stunden vor Konzertbeginn strömt das Publikum in die Color Line Arena. Es ist kalt und regnerisch, ein typischer Novemberabend in Hamburg. Die Fans sind in dicke Winterkleidung eingepackt, nach und nach pellen sich die Nordlichter aus ihren Klamotten. Zum Vorschein kommen Baggy-Pants und Kapuzenshirts bei den Männern, die Frauen haben sich in Jeans und enge Tops geworfen. Das Publikum geht von 15 bis Ende 30, es mischen sich neue Fans mit denen der ersten Stunde. Die Fantas verbinden Generationen.

Der Kampf mit dem Wachmann

Daniel aus Hamburg ist mit seinen Freuden zu spät gekommen, viel zu spät, um mit den anderen "echten Fans" ganz vorn zu stehen. Sie haben nur einen Platz rechts außen an der Bühne erwischt. Die große Lichtanlage und die monströsen Boxen gewähren nur wenig Sicht auf das erwartete Spektakel. Mit einem Bier in der Hand und nicht mehr ganz nüchtern, versucht Daniel einen der Wachleute zu bestechen. Sie wollen ganz dicht ran, am besten in den Graben, wo sonst nur die Roadies und die Presseleute stehen. "20 Euro, wenn du uns hier durchlässt", verspricht Daniel lauthals. Der Wachmann schüttelt nur genervt den Kopf. Er hätte reich werden können, wäre er nur auf die Angebote der Fans eingegangen. Denn alle wollen ganz dicht ran an die deutschen HipHop-Pioniere.

Plötzlich wird es dunkel, Rauchschwaden steigen auf. "Vier, vier, vier" rufen 10.000 Fans wie aus einer Kehle. Schemenhaft erscheinen vier Gestalten auf der Bühne, schreiten über den Steg, der weit hinein in die Halle reicht. Gespannte Stille. Nach scheinbar endlos langen Sekunden des Wartens die Erlösung, das Konzert beginnt: "Schönen guten Abend, meine Damen und Herren, wir machen Rap-Musik und wir hören sie auch gern."

"Schön wieder hier zu sein"

Smudo, Thomas D., Michi Beck und And.Ypsilon stehen endlich wieder vereint inmitten ihrer Fans im hohen Norden. Es ist die sechste Station auf ihrer "Viel unterwegs"-Tour, elf weitere werden noch folgen.

"Schön wieder hier zu sein" ruft Thomas D. dem Publikum zu. Die Vier sind ganz in weiß gekleidet: weiße Sneakers, weiße Hose, weißer Kapuzenpulli, weißes Cap. Die individuelle Note fehlt bei keinem: Michi Beck hat sich ein Jackett übergeworfen, Andy einen Mantel mit Pelz-Kragen und Thomas D. steckt in einer weiß-schillernden Jacke. Nur Smudo, der hat nichts hinzugefügt – auch individuell.

"Wer bin ich?", ruft er in den Saal. "Le Smou" antworten einige Eingeweihte. Nicht zufrieden stellend die Antwort, Smudo schüttelt mit dem Kopf. "Das muss besser gehen", heizt er die Nordlichter an. "Wer bin ich?" "Le Smou" grölen mittlerweile mehr. "Wir haben schon gehört, dass der Norden ein bisschen kühler ist, die Polarkappen sollen schmelzen." "Wer bin ich?", fragt Smudo ein drittes Mal. Diesmal haben es alle kapiert. Der ganze Saal schreit wie aus einem Munde "Le Smou". Die Temperatur steigt in Hamburg.

Hamburger auf Kriegspfad

Den Rücken zum Publikum gewandt, mit ausgebreiteten Armen steht Thomas D. ganz vorne auf der Bühne. Lichtstrahlen umspielen seinen nackten Oberköper, von Rauchschwaden umgeben erwacht er zum Krieger: "Jetzt da er das Geheimnis kennt, spürt er im Rhythmus den Zauber der Monotonie und Energie wie noch nie. Ersetzt die Theorie und ihm wird klar, Harmonie bringt die Kraft. Sein Traum wird wahr, er hat es geschafft. Jetzt wacht er auf, doch sein Traum geht weiter, weil der Zauber wirkt…"

Bei der psychedelischen Kulthymne "Krieger" gibt es für Daniel kein Halten mehr. Denn der Zauber wirkt bei ihm. Er springt auf und ab, die Haare sind schweißnass, den Mund hat er weit aufgerissen: "Der Zauber der Musik gibt auch dir die Kraft" singt er zusammen mit den 10.000, die eins sind auf dem Kriegspfad. Daniel hat gleich zwei Biergläser in der Hand, ihm ist es egal, dass er die ganze Zeit Bier verschüttet, bei jedem Sprung ein wenig mehr.

Bei gedämpftem Licht wird es gemütlich. Die Fantas sitzen auf Barhockern. Und Thomas D. kündigt das nächste Lied an "Das ist über LSD – Liebe, Sex und Denken", sagt er. Getragen von sanften Klängen und dem Rauschen der Wellen begeben sich die Fantas mit ihren Fans auf eine Reise, verlassen das kalte Hamburg und verbringen zusammen einen warmen "Tag am Meer".

Treue - auf immer und ewig

Traurig, aber wahr: "Auch der schönste Abend muss mal ein Ende haben", sagt Smudo. Zum Abschied schenken die Fantastischen Vier ihren Fans einen Liebesbeweis – und zwar "Troy". Die Masse kocht, Smudo wird auf Händen durch das Publikum getragen. "Du hattest schlechte Zeiten und wir war’n auch dabei, wir werden dich begleiten…"

"Wir bleiben Troy", die letzten Akkorde der neuen Fanta-Hymne sind eben verklungen, die Halle leert sich schnell. Daniel singt sie noch vor sich hin, beseelt von Bier und der Musik. "Vier, vier vier" intoniert er gemeinsam mit dem Strom der Zuschauer in Richtung Ausgang. Draußen erwartet sie wieder das kühle Nass.

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