Placebo Verschollen im eigenen Kosmos

"Meds", das neue Album der Band Placebo, war als Rückbesinnung auf die musikalischen Grundelemente angekündigt. Statt der Rückbesinnung begeben sich die Engländer in nur wenig bekannte Sphären.

Als 1994 eine britische Band mit androgyn wirkendem Sänger ihren kometenhaften Aufstieg begann, ahnten wohl nur wie wenigsten, wie groß Placebo tatsächlich werden würde. Die Band spielte 2003 nicht nur vor 17.000 frenetischen Fans in Paris-Bercy, auch sangen Frank Black von den Pixies und David Bowie mit Brian Molko im Duett - dokumentiert auf einer hervorragenden Live-DVD. Es folgte ein Best-of-Album, mit dessen Hilfe Placebo das mittlerweile abgerissene Londoner Wembley-Stadion ausverkauften. "Jedes Album lief ein bisschen besser als der Vorgänger, also war es für uns kein großer Schock. Aber als wir 2004 in Wembley spielten, war das schon eine Genugtuung", sagt Bassist Stefan Olsdol.

Als die Aufnahmen zum neuen Placebo-Album "Meds" beginnen sollten, fiel die Wahl des Produzenten auf den relativ unbekannten Franzosen Dimitri Tikovoi, der zuvor nur einige B-Seiten für die Band produziert hatte. Nun "nötigte" Tikovoi die Männer um Sänger Brian Molko, ihr ausgearbeitetes Material, das den auf "Sleeping with Ghosts" begonnenen elektronischen Ansatz fortsetzte, über Bord zu werfen. Eine Suche im eigenen Kosmos begann, die die Band zu Placebos Grundelementen zurückführte: "Unser Ziel war Einfachheit statt Elaboration", sagte Molko.

Die Songs bleiben nicht hängen

Doch so einfach ist "Meds" nicht geworden. Das erste Stück des Albums "Meds" erinnert wegen des weiblichen Gastgesangs von Alison Mosshart (The Kills) im Refrain an Sonic Youth. Erst "Infra-Red" mit guter Melodieführung und Molkos prägnantem Gesang macht endgültig klar, um welche Band es sich handelt. Der Beat vermittelt aber nicht unbedingt den Eindruck, Placebo habe den elektronischen Ansatz verworfen. Das Problem des gesamten Albums kündigte sich bereits mit der vorab veröffentlichten Single "Song to say goodbye" an: die Songs wollen nicht so recht hängen bleiben.

Die Stücke auf der CD sind durchaus gut, aber auch nach zahlreichen Durchläufen fällt es schwer, sich an einzelne von ihnen zu erinnern. Am ehesten geschieht dies noch beim schon erwähnten "Infra-Red" und beim von einer verzerrten Synthesizer-Melodie getragenen "Post Blue". Und auch "One of a kind" ist vor allem wegen seiner elektronischen Parts einprägsam. Bei "Broken Promise" übernahm Michael Stipe von R.E.M. einige Gesangsparts und macht deutlich, dass Placebo nicht nur bei Fans, sondern auch bei anderen Bands Einfluss ausüben.

Offene Fragen – bis zum nächsten Album

Diesen Status dürfte Placebo durch "Meds" kaum einbüßen, aber es macht deutlich, dass die ersten vier Alben eine homogene Einheit bilden und das Best-of-Album eine Zäsur darstellte. Statt der angekündigten Rückbesinnung auf die Grundelemente wirft "Meds" eher die Frage auf, wohin die Band sich bewegt. Die elektronischen Elemente wurden stärker eingesetzt als auf "Sleeping with Ghosts" und katapultierten Placebo aus der eigenen Galaxie in die Weiten des Kosmos, die weder Band noch Fans je zuvor gesehen haben. Wohin es genau geht, wird wahrscheinlich erst mit dem nächsten Album beantwortet werden. Bis dahin bleibt die Band verschollen im eigenen Kosmos.

Thomas Krause

PRODUKTE & TIPPS

Mehr zum Thema