The Magnetic Fields Ein Songschreiber will Stilrichtungen abschaffen

Auf dem neuen Album seiner Band The Magnetic Fields bricht Songschreiber Stephin Merrit mal wieder alle Genregrenzen auf und präsentiert sich als stilsicherer Meister des anspruchsvollen Pop.

Es gibt Leute, die können nicht einfach ein Album aufnehmen wie alle anderen. Das vergangene Werk von Stephin Merrit hieß "69 Love-Songs" und enthielt 69 Lieder über die Liebe auf drei CDs. Die neue Platte seiner Band The Magnetic Fields heißt "i", unbedingt kleingeschrieben, betont der Künstler, und hält auch was sie verspricht: Der Titel von jedem der 14 Songs fängt mit einem "i" an, alphabetisch geordnet. Das alles könnte man als billige Effekthascherei abtun, wäre da nicht eines: Bei allen avantgardistischen Verrenkungen kann der Mann auch einfach solide Musik machen.

Das Album sei ein Manifest, sagt Merrit. Das Ziel: Gegen die Teilung von Musik in Stilrichtungen ankämpfen. Denn diese Trennung sei reaktionär, rassistisch und enge den Horizont der Hörer ein, weil sie eben häufig nur stur aus einer Abteilung kauften. Jeder Song soll anders klingen und die Grenzen zwischen den Genres verwischen, soweit geht der Anspruch.

Alle Genres vertreten

Auf "i" klappt das etappenweise sogar ganz gut. Der erste Song "I Die" ist eine elegische Komposition mit Streicher- Begleitung, mit dem wohl ansprechendsten Stück "I Don't Believe You", folgt eine Art Britpop-Nummer, dann eine Hommage an die 80er-Jahre-Musik, dann ein Jazz-Song. Zwischendurch finden sich aber mehrere melancholische, pessimistische Kompositionen, die mit Merrits tiefer Stimme seinen eigenen Stil ergeben dürften.

Von der US-Presse gelobt

Seine Schlagzeugerin und Managerin Claudia Gonson weiß zu berichten: "Egal, was Stephin in Interviews sagen kann, seine Lieder handeln von Einsamkeit und Isolation." Schließlich verarbeite er darin auch die negativen Erlebnisse mit seiner Homosexualität. Die US-Presse lobt Merrits Songschreiber-Qualitäten und erklärt ihn zum "Studio-Wunderkind". Neben Magnetic Fields ist Merrit noch in drei weiteren Bands mit schrägen Namen aktiv: The 6ths, Future Bible Heroes und The Gothic Archies.

Auf Kriegsfuß mit der modernen Technik

Noch ein Feindbild neben den Musikgenres ist für Merrit das MP3-Format, das bei der ständig wachsenden Musik-Verbreitung im Internet dominiert. "Es klingt noch schlechter, als 45er Vinylsingles", empört er sich. "Die waren wenigstens für Rock'n'Roll gut." Zur modernen Technik hat Merrit sowieso ein schwieriges Verhältnis. Eines der früheren Alben nahm er ganz altmodisch nur mit Tonband und analoger Technik auf. Diesmal kamen Computer beim abmischen zum Einsatz. Ohne moderne Elektronik zu arbeiten, mache ein Album nicht unbedingt besser, lautet seine Erkenntnis. Aber auf jeden Fall dauere es länger. "No synths", steht dennoch trotzig im CD-Booklet auch von "i".

Was vielen ein Trost sein dürfte: Auch Avantgardisten leiden manchmal unter der eigenen Originalität. Einmal habe er einen Song mit einem 23 Minuten langen Ton ausklingen lassen, erinnert sich Merrit. "Auf einer Test-CD hörte ich dann irgendwo mittendrin einen Produktions-Fehler und war so blöd, mir die Zeit nicht zu merken, sodass ich mir die gesamten 23 Minuten mit voller Konzentration antun musste. Ich dachte, ich schlafe gleich ein."

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Andrej Sokolow, DPA

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