Weihnachtszeit: Ob Schnee fallen wird, ist jedes Jahr wieder ungewiss, mit Sicherheit lässt sich aber sagen, dass reihenweise "Best-of"-Alben in die Regale der Plattenläden rieseln. In diesem Jahr erstmals mit dabei: Alternative-Music-Ikone Tori Amos, die mit "Tales of a Librarian - A Tori Amos Collection" ihre "musikalische Autobiografie", wie sie es nennt, präsentiert. Und die ist - wie könnte es bei Tori Amos anders sein - voller verstrickter Bedeutungen. Während die Auswahl der Stücke weit gehend nachvollziehbar das Spektrum ihres Schaffens seit 1990 repräsentiert, bietet die ebenfalls von der Meisterin selbst festgelegte, nicht chronologische Reihenfolge der Songs die patentierte Amos-Rätselhaftigkeit, an der sich trefflich heruminterpretieren lässt. Ein wenig Licht ins Dunkel bringt sie immerhin selbst in einem Interview, das sich auf der offiziellen Tori-Amos-Website herunterladen lässt.
Selbst ist die Bibliothekarin
Doch Frau Amos hat noch mehr getan, als sich nur wie der im Albumtitel erwähnte Bibliothekar durch das eigene Oeuvre zu graben und würdiges Liedgut herauszujäten. Die bis zum Platzen (78 Minuten Musik!) gefüllte CD beherbergt neben 16 bekannten Songs zwei neue Lieder und zwei sehr seltene B-Seiten. Die Klassiker hat sich Amos noch einmal vorgeknöpft und von den Toningenieuren Marcel van Limbeeck und Mark Hawley (ihrem Ehemann) neu abmischen lassen. Nun ist es natürlich nicht so, dass die Originalaufnahmen nur auf Wachswalze oder Schellack-Platte verfügbar waren und die Remixes somit ein revolutionär neues Hörvergnügen bieten. Vielmehr wurde sehr subtil vorgegangen: Mal wurden andere Instrumente hervorgehoben als bei den Originalaufnahmen, gelegentlich ein Hall gesetzt, wo vorher keiner war.
Bei "Jackie's Strength" kamen an einigen Stellen von Amos selbst gesungene Background-Vocals dazu, und "Way Down" wurde mit einem Gospel-Chor um 35 Sekunden verlängert. Um nur einige Beispiele zu nennen. Ein Tipp für Tori-Fans mit viel Zeit: "Tales of a Librarian" auf den PC überspielen und dann mit den Original-CDs im Laufwerk die einzelnen Songs im direkten Vergleich durchhören, zwischen ihnen hin- und herspringen und versuchen, den Unterschieden auf die Spur zu kommen.
Im Web
ToriAmos.com: Offizielle Website mit Hörproben, Musikvideos und einem Interview.
And the winner is... "Little Earthquakes"
Ein Sieg der Alten: "Little Earthquakes", das Album, das Tori Amos' Ruhm begründete, ist mit fünf Songs häufiger vertreten als jedes andere (siehe Tracklist). Die Auswahl der Songs ist gelungen, aber natürlich wird jeder Amos-Kenner einige Stücke vermissen und andere dafür streichen wollen. Gar nicht in das Gesamtgefüge passt zum Beispiel "Professional Widow" - zumal es sich um den Dance-Floor-Remix von Armand van Helden handelt. Andererseits: Wenn die Kollektion eine musikalische Autobiografie von Tori Amos ist, dann ist es nur konsequent, auch solche "Ausflüge" mit aufzunehmen.
Unberücksichtigt bei der Auswahl blieben das von Amos weit gehend verdrängte "Y Kant Tori Read"-Album aus den 80ern, die Coverversion-Sammlung "Strange Little Girls" und der jüngste Longplayer "Scarlet's Walk" aus dem vergangenen Jahr. Der aktuelle Amos-Sound ist allerdings durch die beiden neuen Songs "Angels" und "Snow Cherries From France" vertreten. Aus den Zeiten von "Little Earthquakes" (1990) hingegen stammen die beiden B-Seiten "Mary" und "Sweet Dreams", die für das Best-of-Album noch einmal neu eingespielt wurden.
"Tales of a Librarian" erscheint neben der CD-Ausgabe auch noch als Limited Edition mit einer Bonus-DVD. Auf dieser sind fünf Songs als in Surround-Sound abgemischte Videos zu sehen, die während eines Soundchecks bei Amos' jüngst zu Ende gegangener Nordamerika-Tour aufgezeichnet wurden.
Tracklist "Tales of a Librarian"
Songtitel | Album | Jahr |
Precious Things | Little Earthquakes | 1990 |
Angels | Neuaufnahme | 2003 |
Silent All These Years | Little Earthquakes | 1990 |
Cornflake Girl | Under the Pink | 1993 |
Mary | Neu eingespielte B-Seite | 2003 |
God | Under the Pink | 1993 |
Winter | Little Earthquakes | 1990 |
Spark | From the Choirgirl Hotel | 1997 |
Way Down | Boys for Pele | 1995 |
Professional Widow | Boys for Pele (Armand's Remix) | 1996 |
Mr. Zebra | Boys for Pele | 1995 |
Crucify | Little Earthquakes | 1990 |
Me an A Gun | Little Earthquakes | 1990 |
Bliss | To Venus and Back | 1997 |
Playboy Mommy | From the Choirgirl Hotel | 1997 |
Baker Baker | Under the Pink | 1993 |
Tear in Your Hand | Little Earthquakes | 1990 |
Sweet Dreams | Neu eingespielte B-Seite | 2003 |
Jackie's Strength | From the Choirgirl Hotel | 1997 |
Snow Cherries From France | Neuaufnahme |