In der ersten Staffel "Bridgerton" stand Jonathan Bailey noch im Schatten einer anderen Liebesgeschichte, doch Staffel zwei des Netflix-Hits schubste seinen Lord Anthony Bridgerton ins Rampenlicht. Bailey spielt den attraktiven Frauenhelden mit Humor und Leidenschaft, brachte so weltweit Fans ins Schwärmen. Fast nebenbei wurde er auch zum Vorbild in der Branche - denn der 33-Jährige lebt offen homosexuell. Und das ist auch im Jahr 2022 noch häufig ein Tabubruch.
Dass sein kommerzieller Erfolg eine Signalwirkung hat, bestätigt seine Agentin Nicki van Gelder. Bailey sei ein Vorbild, gerade für weniger etablierte Schauspieler, die unsicher über ein Coming Out sind, weil er seine sexuelle Orientierung nicht verstecke. "Ich habe das mit einigen jüngeren Schauspielern diskutiert, die gefragt haben: 'Jonny hatte sein Coming Out, ist das ok?' Und ich sagte: 'Absolut!'," erzählt sie.
Bailey, der seit Kindesbeinen auf der Bühne und vor der Kamera steht, hat sich vor "Bridgerton" in der Theaterwelt einen Namen gemacht. 2019 erhielt er für eine Nebenrolle im Musical "Company" eine der höchsten britischen Schauspiel-Auszeichnungen, den Olivier Award. In seiner Dankesrede sagte er damals über die Repräsentation der LGTBQI-Gemeinde: "Dass ich jetzt an Orte komme, von denen ich als Kind dachte, das ich sie nie erreichen kann, ist eine wundervolle Sache."
Jonathan Bailey gibt seinen "Bridgerton"-Kolleg:innen Tipps
Denn er selbst hatte sich lange von einem Rat einschüchtern lassen, der ihm als junger Schauspieler von einer Person mit Macht in der Branche mitgegeben wurde. "Es gibt zwei Dinge, die wir nicht wissen wollen: ob du Alkoholiker bist oder schwul", erinnert er sich an die Worte, die ihn damals verunsicherten. "Ich hab das natürlich geglaubt, ich dachte, um glücklich zu sein, müsste ich hetero sein", so Bailey. Irgendwann sei es ihm aber wichtiger gewesen, öffentlich mit seinem Freund Händchenhalten zu können, als irgendeine Rolle zu bekommen.
Heute ist es ihm wichtig, seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben - ganz unabhängig der sexuellen Orientierung. Bailey sei "sehr großzügig anderen Schauspieler:innen gegenüber", beschreibt es seine Agentin van Gelder. Am Set von "Bridgerton" verfasste er seinen Kolleg:innen eine Art Guide, der sie für kommende Staffeln vorbereiten soll - wenn sie dann im Mittelpunkt der Geschichte stehen. "Damit sie ein Gefühl von gesundem Menschenverstand und Balance beibehalten können", so Bailey. Er sehe sich aber nicht als Mentor. "Egal, mit welchen 'Bridgerton'-Geschwistern ich spreche, ich hoffe einfach, dass sie sich dadurch gefestigter und besser vorbereitet fühlen."
Auch in Deutschland sind offen homosexuell lebende Schauspieler:innen, die Hauptrollen übernehmen, noch immer selten. Wie groß das Tabu ist zeigte die Kampagne #actout im Februar 2021, für die sich über 180 Schauspielerinnen und Schauspieler im "SZ Magazin" als homosexuell outeten.
Quellen: "GQ", "New York Times"