Zum 15. Mal seit dem 1. Oktober 2017 wird im Schwarzwald ermittelt. Einst gaben die Kommissare Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) ihr Debüt im "Tatort: Goldbach", der von vermissten Kinder einer bürgerlichen Aussteiger-Community auf dem Land erzählte. In den nasskalten, tiefsten Schwarzwald kehren die renommierten Filmemacher von damals, Regisseur Robert Thalheim ("Kundschafter des Friedens") und Drehbuchautor Bernd Lange ("Das Verschwinden"), nun mit "Tatort: Der Reini" zurück. Es ist ihre erste gemeinsame Arbeit für das Format seit damals. Kommissar Berg hat eigentlich frei und kümmert sich um seinen Hof. Derweil befindet sich Kollegin Tobler auf Fortbildung. Den Mord an einem Apotheker, der in seinem Bett erschossen wurde, muss deshalb Nachwuchs-Kommissarin Micha Paulus (Luise Aschenbrenner) bearbeiten.
Die junge Ermittlerin gerät ordentlich ins Schwitzen, denn ihre Ausbilder sind schlecht oder gar nicht erreichbar. Tobler sitzt im Fortbildungs-Seminar, Berg steckt im Funkloch rund um seinen entlegenen Hof. An diesen pirscht sich nun ein Trio heran. Bei den "Gästen" handelt es sich um Friedemanns jüngeren Bruder Reinhard, genannt Reini (Felician Hohnloser), begleitet von seiner schweigsamen Freundin Mika (Mareike Beykirch) sowie dem bedrohlichen Luke (Karsten Antonio Mielke).
Reini tut so, als würde es sich um einen freundschaftlichen Familienbesuch handeln, aber tatsächlich verstecken sich die drei aus der Psychiatrie Entwichenen auf dem Hof, um ihre nächsten Schritte zu planen. Dabei hat Luke, der eine Waffe mit sich führt, das Heft des Handelns in der Hand. Während Reini mit der psychisch schwer angeschlagenen Mika im alten Kinderzimmer von einer Zukunft in Marokko träumt, erweist sich Luke als skrupelloser Gewalttäter. Wie kann man den Mann stoppen?
Im Kinderzimmer mit Paerl Jam-Songs
Thalheims und Langes Rückkehr in den dunkel-winterlichen Schwarzwald ist kein Ermittlungskrimi sondern ein klassischer "Home Invasion-Thriller" der Marke "Funny Games". Wobei sich der "Tatort" mit brutalen Quäl-Szenen der Gefangenen auf dem Hof dezent zurückhält. Die Spannung des Films speist sich aus fein gedrechselten psychologischen Szenen. Stark geschrieben und gespielt ist zum Beispiel die Beziehung der Brüder Friedemann und Reini Berg. Während der Ältere ein solides und zumindest beruflich erfolgreiches Leben als Kommissar führt, muss der labile Jüngere Bruder sein Dasein in der Psychiatrie fristen. Warum – und was macht dies mit den Gefühlen der Brüder? Warum tut Reini so, als sei die Bedrohungslage durch Luke nur ein normaler Besuch?
Franziska Tobler bekommt vor allem in der zweiten Hälfte des Krimis ihre Screentime, auch wenn es diesmal kaum gemeinsame Szenen mit ihrem Ermittlungspartner gibt. "Tatort: Der Reini" weist neben den Thriller-Zutaten auch Aspekte des Familiendramas auf. Während auf dem Hof die Beziehung der Berg-Brüder durchleuchtet wird, muss sich Franziska um ihren alten kranken Vater (Michael Hanemann) kümmern. Dass man sich an der eigenen Verwandtschaft durchaus die Zähne ausbeißen und dabei im Wortsinne auf Beton stößt, greifen Lange und Thalheim bei ihrer Schwarzwald-Rückkehr in Form des gegossenen Betonfeldes vor Friedemanns Haus auf: In einer der älteren Folgen arbeitete und wütete der Ermittler dort – etwas unverständlich für die Zuschauer. Die Baumasse wollte damals nicht so wie ihr "Architekt". Geschickt greifen die Filmemacher jene lose Szene nun auf – und dringen so in ein Geheimnis er Familie Berg ein.
Der "Tatort: Der Reini" ist ein spannender Psychothriller um Verwandtschaft und die Lebensträume jener, denen man keine zugesteht: psychisch kranke Menschen wie Reini und seine Freundin Mika, die im alten Kinderzimmer zu Pearl Jam-Songs vom Walkman und zwischen zurückgebliebenen Spielsachen für kurze Zeit träumen dürfen. Man kann es sich denken: Ihre Träume von einer besseren Zukunft dürften schwer haben.
Tatort: Der Reini – So. 16.11. – ARD: 20.15 Uhr